Journalistinnen und Journalisten verfolgen seit jeher die Aufgabe, die Bevölkerung über aktuelle Geschehnisse und Missstände aufzuklären. Mit der Paywall gibt es im Online-Journalismus jedoch eine Entwicklung, die die Grundsätze des Journalismus gefährdet. Ein Kommentar.
Am 13. Februar 2025 ereignet sich auf einer Ver.di-Demonstration in München ein schrecklicher Anschlag. Ein Auto rast in die friedliche Demonstranten-Menge. Dabei werden nach ersten Erkenntnissen 28 Menschen verletzt – teils lebensgefährlich – auch eine Mutter samt Kleinkind ist betroffen.
Es sind Meldungen wie diese, die die Menschen in ganz Deutschland beschäftigen. Sie sind auf vielen Ebenen essenziell und lösen in der Bevölkerung tiefliegende Ängste aus: Ist meine körperliche Unversehrtheit garantiert? Ist es sicher in Deutschland zu leben? Kann ich meine Kinder noch auf die Straße lassen?
Aufklärung als höchstes Gut des Journalismus
Gerade in den Situationen der Ungewissheit, in denen die Emotionen drohen, den menschlichen Verstand auszuhebeln und die Sorgen überhand nehmen, ist der große Auftritt des Journalismus gekommen.
Es ist die Kernaufgabe von Journalistinnen und Journalisten in Deutschland und den meisten demokratischen Ländern der Welt, in denen es eine zensurfreie Berichterstattung gibt, Aufklärung zu leisten. Der Journalismus soll Informationen sammeln, Fakten überprüfen und die Menschen wertneutral informieren.
Der renommierte deutsche Journalist und Autor Ulrich Wickert, der 15 Jahre lang die Tagesthemen als Moderator präsentierte und Deutschland über Weltpolitik informierte, trifft in einem Interview eine passende Aussage:
Für mich bedeutet Journalismus Aufklärung. Das heißt, Informationen zu vermitteln, die auch positive Folgen haben.
Das Berufsverständnis der Journalisten
Auch mit Blick auf den Berufsethos und das Selbstverständnis von Journalistinnen und Journalisten geht der Drang zur Informationsweitergabe und Einordnung hervor.
So verweist der Deutsche Fachjournalisten Verband auf das weltweit gültige Berufsverständnis der Internationalen Arbeitsorganisation der UNO. Dort heißt es kompakt:
Journalisten recherchieren, ermitteln, interpretieren und kommunizieren Nachrichten sowie öffentliche Angelegenheiten mittels Zeitungen, Fernsehen, Radio und anderen Medien.
Die sprichwörtliche Marschrichtung ist also klar.
Paywalls und Bezahlartikel soweit das Auge reicht
Trotzdem gibt es in der Realität ein großes Problem. Wer sich zu aktuellen Ereignissen oder gesellschaftspolitischen Themen im Internet informieren möchte, prallt immer wieder an einer unsichtbaren Grenze ab: der Paywall.
Das beste Beispiel dafür ist Spiegel Online. Als Nachrichtenmagazin sind Der Spiegel und seine Online-Ausgabe seit Jahrzehnten eine der wichtigsten Anlaufstellen für seriösen und fundierten Journalismus in Deutschland.
Doch leider sind immer mehr Artikel hinter der Paywall versteckt. Ein paar Beispiele:
- „Was über den mutmaßlichen Anschlag von München bekannt ist.“
- „Kompromisslos in die Pleite“ (Einordnung zur Regierungsbildung in Österreich)
- „Kalt erwischt von Trump“ (Artikel zu den Auswirkungen von Trumps Entscheidungen rund um die Ukraine)
Das Problem ist nicht die Wertschätzung für den Journalismus
Dabei geht es mir keinesfalls darum, die Paywall an sich als Finanzierungsmethode für ausgezeichneten Online-Journalismus in Frage zu stellen. Im Gegenteil: Neben werbefinanzierten Geschäftsmodellen und Content Marketing ist es legitim, Geld für ausführliche Recherchen zu verlangen.
Doch es gibt eine magische Grenze. Diese Grenze verläuft dort, wo die Aufklärung der Bevölkerung und die Erläuterung der Hintergründe wichtiger ist als das finanzielle Überleben eines Mediums. Will heißen: Es gibt Berichterstattung, die kostenlos zugänglich sein muss.
Dazu gehören unter anderem:
- Weitreichende nationale oder internationale Ereignisse (wie Anschläge oder Regierungskrisen)
- Ergebnisse von Wahlen in Deutschland, Europa und der Welt
In beiden Fällen benötigen die Bürgerinnen und Bürger fundierte Informationen aus verlässlicher Quelle, um nicht Fake News und KI-Influencern aufzusitzen, die gezielt Falschinformationen verbreiten, um die politische Meinung zu beeinflussen.
Der Schutz der Demokratie
Nicht zuletzt sind die Medien und der Journalismus als vierte Gewalt entscheidend daran beteiligt, unser demokratisches Welt- und Werteverständnis durch die Aufklärung von Fehlern und das Erklären von Zusammenhängen vor demokratiefeindlichen Angriffen zu schützen.
Um den Aufstieg von Rassismus und Extremismus zu verhindern, ist es deshalb essenziell, dass die wichtigsten Informationen frei zugänglich sind. Hinter die Paywall dürfen gerne Experten-Interviews, Reportagen und aufwändige Recherchen stehen. Tagesaktuelle Nachrichten haben – der Demokratie zur Liebe – dort nichts verloren.
Hinweis: Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Kommentar. Das ist eine journalistische Darstellungsform, die explizit die Meinung des Autors und nicht des gesamten Magazins widerspiegelt. Der Kommentar erhebt keinen Anspruch auf Sachlichkeit, sondern soll die Meinungsbildung anregen und ist als Meinungsbeitrag durch Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt.
Auch interessant: