Gefühlt wie aus dem Nichts hat das chinesische Unternehmen DeepSeek eine ernstzunehmende Alternative zu ChatGPT auf den Markt gebracht. Das KI-Modell soll günstiger und energieeffizienter sein als sein Vorbild aus dem Hause OpenAI. Die US-Börsen gerieten deshalb gehörig ins wanken. Doch kann DeepSeek ChatGPT wirklich das Wasser reichen? Eine Analyse.
Das chinesische Unternehmen DeepSeek hat die KI-Branche in Aufruhr versetzt. Denn das gleichnamige Sprachmodell des Unternehmens hat die Apps Stores über Nacht im Sturm erobert. In den USA überholte die DeepSeek-App sogar ChatGPT und stand zwischenzeitlich auf Platz eins der am meisten heruntergeladenen Apps für das iPhone.
Der Hintergrund: Das KI-Modell „DeepSeek R1“ kann mit den großen Sprachmodellen von Google, Meta und OpenAI nicht nur mithalten, es übertrumpft sie offiziellen Angaben zufolge sogar teilweise. Besonders beeindruckend erscheint, dass DeepSeek bei gleicher Leistung deutlich kostengünstiger und energieeffizienter sein soll.
Unmittelbar nach ihrer Präsentation brachte die KI die Finanzmärkte deshalb gehörig durcheinander. Zahlreiche namhafte Technologien-Unternehmen erlebten einen rabenschwarzen Tag an der Börse.
Was ist DeepSeek?
DeepSeek ist ein chinesisches Start-up, das sich auf die Entwicklung von Sprachmodellen und Künstlicher Intelligenz spezialisiert hat. Die Ursprünge des Unternehmens gehen auf einen KI-gestützten Hedgefonds aus dem Jahr 2015 zurück.
Im April 2023 ging aus dem Finanzangebot das unabhängige KI-Unternehmen DeepSeek hervor, das sich seither der Entwicklung und Vermarktung von Sprachmodellen auf Basis Künstlicher Intelligenz verschrieben hat.
Nach mehreren zaghaften Versuchen und Veröffentlichungen sorgte das Modell „DeepSeek R1“ international für Aufmerksamkeit. Denn die KI soll Unternehmensangaben zufolge nicht nur mit etablierten KI-Systemen wie ChatGPT mithalten können, sondern diese teilweise sogar übertreffen.
Obendrein sei DeepSeek R1 im Betrieb kostengünstiger und energieeffizienter. An den Börsen haben diese Nachrichtern in Kombination mit der Eroberung der App-Charts für Schnappatmung gesorgt. Zahlreiche renommierte Tech-Unternehmen büßten zwischenzeitlich fünf bis zehn Prozent an Aktienwert ein – vor allem in den USA.
Darunter: Nvidia (minus 10 Prozent), Microsoft (minus 6 Prozent), Alphabet (minus 4 Prozent) sowie Meta und AMD (jeweils minus 5 Prozent. Auch der niederländischen Chiphersteller ASML verzeichnete mit rund zehn Prozent ein sattes Minus. In Deutschland waren vor allem Infineon und Siemens mit einem Minus von jeweils vier Prozent betroffen.
Wie funktioniert DeepSeek R1?
DeepSeek R1 ist auf komplexe Aufgaben und Lösungen ausgelegt. Das Sprachmodell wurde unter der sogenannten MIT-Lizenz des Massachuchets Institutes of Technology veröffentlicht. Auf Basis eines uneingeschränkten Open Access fördert und erlaubt das MIT sowohl eine akademische als auch kommerzielle Nutzung – und zwar ohne Einschränkungen.
DeepSeek setzt damit bewusst auf einen weitaus weniger restriktiven Ansatz als viele andere KI-Anbieter. Ziel des Unternehmens ist es, sich mittels Transparenz von der Konkurrenz abzuheben und Kosten zu sparen. Grundsätzlich steht DeepSeek R1 sowohl Privatnutzern als auch Unternehmen kostenfrei zur Verfügung. Eine Basisversion erlaubt eine allgemeinen Nutzung per App oder Desktop.
Deutsch wird zwar offiziell unterstützt, allerdings ist DeepSeek der Sprache noch nicht komplett mächtig. Deshalb kann es in der deutschen Version zu Fehlern kommen. Der Grund: Das KI-Modell wurde primär für den chinesischen und US-amerikanischen Markt entwickelt.
Für professionelle Anwendungen bietet DeepSeek ein kostenpflichtiges Lizenzmodell an. Es beinhaltet zusätzliche Funktionen. Darunter: einen eigener Datenspeicher und zusätzliche Sprachpakete. Das Sprachmodell richtet sich damit vor allem an Unternehmen. DeepSeek R1 ist ein KI-basiertes Dialogsystem, das auf großen Sprachmodellen aufbaut.
Die KI soll im Vergleich zu anderen Modellen für die gleiche Leistung deutlich weniger Rechenpower benötigen. DeepSeek hat deshalb einen geringeren Bedarf an leistungsstarken KI-Chips, was Kosten spart und das System energieeffizienter macht.
Wie andere Chatbots basiert die KI auf sogenannten neuronalen Netzen, die Sprache in Kontext und Bedeutung aufdröseln. Neben öffentlichen Inhalten bezieht DeepSeek auch andere Quellen wie Fachpublikationen oder offizielle Dokumente mit ein. Das Modell soll im laufenden Betrieb dazulernen. Durch kontinuierliches Training bleibe es dadurch stets auf dem neusten Stand.
Kritik
Bezüglich seiner Quellen setzt DeepSeek auf Transparenz. Das Sprachmodell verweist im Dialog auf etwaige Unsicherheiten bei Informationen oder verweigert sogar Antworten, wenn Quellen nicht eindeutig sind. Das soll den Chatbot präziser als andere KI-Modelle machen.
Die offizielle API von DeepSeek R1 zensiert jedoch gezielt bestimmte Inhalte. Das gilt vor allem für Themen, die in China politisch heikel sind. Beispielsweise verweigert die KI regelmäßig Antworten zu Fragen nach der Unterdrückung der Uiguren oder Menschenrechtsverletzungen innerhalb der Volksrepublik.
Aufgrund des quelloffenen und anpassbaren Open Source-Ansatzes von DeepSeek lassen sich diese Zensurmechanismus theoretisch zwar aushebeln, allerdings nur mit großem Aufwand. DeepSeek-Gründer Liang Wenfeng pflegt zudem enge Verbindungen zur chinesischen Regierung und zur Kommunistischen Partei.
Kritiker befürchten, dass das KI-Modell eingesetzt werden könnte, um Spionage zu betreiben, Falschinformationen zu verbreiten oder die Politik anderer Länder zu beeinflussen. Ähnliche Vorwürfe werden auch gegenüber der chinesischen Kurzvideoplattform TikTok erhoben.
DeepSeek und ChatGPT im Vergleich
DeepSeek füttert sein Sprachmodell laut eigenen Angaben kontinuierlich mit aktuellen Datensätzen. Im Gegensatz dazu greift ChatGPT hauptsächlich auf festgelegte Informationen aus einem bestimmten Zeitraum zurück – zumindest in der Basisversion. Das Modell DeepSeek R1 kann Experten zufolge mit seiner Leistung punkten. Den Open Source-Ansatz bezeichnen einige als Geschenk an die Welt.
Verschiedene Leistungstest haben ergeben, dass das KI-System das Modell ChatGPT O1, das als das „intelligenteste“ auf dem Markt gilt, in mehrere Disziplinen übertritt. Laut DeepSeek fallen dabei gerade einmal fünf Prozent der Kosten von OpenAI an. Das und die Tatsache, dass das chinesische Unternehmen in der Lage war, einen konkurrenzfähigen Chatbot in nur wenigen Monaten zu entwickeln, beunruhigt derzeit die KI-Branche.
Während ChatGPT eher Alltagsfragen abdeckt, stehen bei DeepSeek vor allem Fachauskünfte im Vordergrund. Darunter: medizinische, juristische und technisch komplexe Themen, bei denen korrekte und verlässliche Informationen unabdingbar sind. Im Gegensatz zu ChatGPT weist DeepSeek deshalb auf potenzielle Fehler hin.
Experten zufolge kann DeepSeek R1 jedoch nur teilweise mit anderen großen KI-Modellen mithalten. Das Unternehmen stelle die Bereiche, in denen es leistungsmäßig besser ist, dabei geschickt in den Vordergrund. Vor allem aufgrund der Kostenvorteile ist die KI jedoch ein ernstzunehmendes Konkurrenzangebot. Allerdings verbirgt sich dahinter teilweise auch ein Missverständnis.
Kosten und Missverständnisse
Besonders erstaunt zeigten sich einige Investoren darüber, dass das Training der KI von DeepSeek gerade einmal rund 5,5 Millionen US-Dollar gekostet haben soll. Zum Vergleich: OpenAI hat in das Training von ChatGPT-4 fast 100 Millionen US-Dollar investiert. Dieser Vergleich hinkt allerdings.
Denn DeepSeek selbst schränkte ein, dass die Summe nur für das offizielle Training von DeepSeek-V3 gelte. Zusätzliche Kosten wie vorherige Forschungen, Experimente oder die Entwicklung von Algorithmen sind also nicht enthalten. Ein weiterer Grund für die relativ günstigen Preise ist der Open Source-Ansatz des Unternehmens.
Kunde können beispielsweise eigene Server betreiben, was ihnen Datenhoheit verschafft und die Kosten für DeepSeek deutlich reduziert. Die geringeren Preise kommen außerdem zustande, da das Unternehmen stets kleinere KI-Modelle aus größeren extrahiert. Hinzu kommt, dass DeepSeek bislang kein funktionierendes Geschäftsmodell hat. Heißt konkret: Das Unternehmen macht derzeit keinen Gewinn, sondern verliert sogar Geld.
DeepSeek beweist dennoch, dass sich KI-Systeme deutlich kostengünstiger und energieeffizienter betreiben lassen, was zu einem Umdenken bei der Konkurrenz führen dürfte. Gleiches gilt für den Open Source-Ansatz des Unternehmens. OpenAI verfolgt im Vergleich dazu einen äußerst restriktiven Ansatz. DeepSeek hat für sein Sprachmodell jedoch keine revolutionären Technologien verwendet oder entwickelt, sondern lediglich die Ansätze seiner Konkurrenten optimiert.
Das Unternehmen dürfte die KI-Branche und Big-Tech gehörig durcheinander wirbeln und zurück auf den Boden der Tatsachen holen – das betrifft vor allem die USA. Die aktuelle Hysterie an der Börse erscheint dennoch übertreiben.
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