Kürzlich erschien der neue Schufa Risiko- und Kreditkompass. Doch was bedeutet dieser für Ottonormalverbraucher? Wie gut oder schlecht stehen Bürger finanziell dar? Und: Gibt es erkennbare Tendenzen, die uns Sorgen bereiten müssen? Eine Kolumne von Tibor Bauer – alias „Mr. Schufa“.
Im November 2024 präsentierte die Schufa ihren Risiko- und Kreditkompass. Die Auskunftei hat dazu eine interessante Zusammenfassung veröffentlicht. Sechs wesentliche Punkte werden darin hervorgehoben.
Schufa-Kreditkompass
1. „Der Boom der Kleinkredite setzt sich fort“
Mittlerweile teilt man Ratenkredite (Konsumkredite) in zwei Kategorien: In Kleinkredite bis 1.000 Euro und in Kredit, die darüber liegen. Im Jahr 2021 lag der Anteil der aufgenommenen Kleinkredite im Verhältnis zur Gesamtanzahl der Kredite bei etwa 28,9 Prozent. Im Jahr 2023 lag er bereits bei 47,3 Prozent. Das bedeutet, dass fast jeder zweite Kreditantrag bei maximal 1.000 Euro liegt. Auch die Gesamtanzahl stieg innerhalb dieser zwei Jahre um rund 30 Prozent.
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Der Hauptanteil dieser Kleinkredite wird Unternehmen wie Klarna und PayPal mit der immer beliebter werdenden „Buy Now Pay Later“-Methode zugeschrieben. Ein sehr umstrittenes Zahlungsmodell, da der ersten Schritt zu einerÜberschuldung relativ einfach und schnell vonstatten geht. Dabei wurden im Jahr 2023 über 4,3 Millionen Kleinkredite aufgenommen.
2. „Buy Now Pay Later kommt auch bei den mittleren Altersgruppen an“
Bisher bediente sich eher die jüngere Generation der BNPL-Angebote. Der Grund ist relativ simple, denn meist fehlt der finanzielle Background, um bestimmte Sachen direkt bezahlen zu können. Auf meinem TikTok-Kanal zum Thema Schufa, Schulden und Kredite erzählen die Menschen, wie sie mit diesen Angeboten konfrontiert und zum Kauf „verleitet“ wurden.
Die Auswertung der Schufa ergab, dass mittlerweile auch Menschen zwischen 35 und 49 Jahren bis zu 30 Prozent häufiger ein Kleinkredit unter 1.000 Euro in Anspruch nehmen. Auch das kann ich bestätigen. Entgegen der gängigen Meinung, TikTok wäre nur was für junge Leute, verzeichne ich als „Mr. Schufa“ einen Anteil von 60 Prozent bei den über 35-jährigen aktiven User auf meinem Kanal.
Ein Kleinkredit entspricht nun mal das aktuelle Konsumbedürfnis an. Die Menschen brauchen kaum große Kredite aber immer wieder kleine kurzfristige Darlehen. Diesen Trend erkennen auch die Banken. Die EU hat bereits das Problem der erleichterten Überschuldung erkannt und zum Schutz der Verbraucher eine neue EU-Verbraucherkreditrichtlinie beschlossen.
3. „Die Nachfrage nach größeren Ratenkrediten sinkt“
Woran liegt es, dass die Menschen weniger große Kredite aufnehmen? Die Schufa stützt ihre Aussage auf den Wirtschaftsbericht der EZB, wonach der Rückgang mit der allgemein sinkenden Konsumlaune und dem Rückgang des Verbrauchervertrauens begründet werden kann. Die extreme Verteuerung von Ratenkrediten ist ein weiterer möglicher Grund.
Laut dem Vergleichsportal Verivox verteuerte sich unter anderem aufgrund des erhöhten Leitzinses ein Verbraucherkredit zwischen dem ersten und dritten Quartal 2023 um stolze 54 Prozent. Ich sehe allerdings noch drei weitere Punkte:
- Die extrem lange Speicherzeit von Einträgen in der Schufa sorgt für eine langanhaltende (und zum Teil nicht gerechtfertigte) schlechte Bonität bei Verbrauchern. Das führt aus Bankensicht zu häufigeren Ablehnungen bei Kreditanträgen.
- Obwohl viele Verbraucher sich problemlos größere Kredite leisten könnten, weil ehemalige Schulden schon längst bezahlt und das Gehalt wieder komplett zur Verfügung steht, trauen sich viele keinen Kreditantrag zu stellen – aus Angst abgelehnt zu werden und erneut wieder Schufaeinträge zu kassieren.
- Gerade die aktuell verkürzte Insolvenzzeit führt bei Banken zu Sorge. Die Anzahl der angemeldeten Insolvenzen hat sich vervielfacht, die Zahlungsmoral ist deshalb geschwächt. Das führt dazu, dass Banken ihre Angebote zu immer schwereren Zugangsvoraussetzungen gestalten. Dazu gehört es auch die Zinssätze nach oben zu treiben – als Risikominimierung.
4. „Die Anzahl der laufenden Ratenkredite nimmt zu“
Nanu, widerspricht diese Aussage nicht den vorherigen? Nein keinesfalls! Denn obwohl die Anzahl der aufgenommenen größeren Kreditsummen gesunken ist, ist aufgrund der stark gestiegenen Konsumlust (durch Kleinkredite finanziert) die Gesamtzahl der Kredite ebenfalls gestiegen. Im Jahr 2023 waren es rund 19 Millionen Kredite. Damit hat jeder vierte in Deutschland im vergangenen Jahr ein Konsumkredit aufgenommen.
5. „Die Deutschen sind gute Schuldner – noch“
Bei diesem Punkt muss man im Schufa-Kreditkompass tatsächlich zwischen den Zeilen lesen. Die Aussage klingt zunächst positiv, denn die Anzahl der ausgefallenen Ratenkredite ist 2023 von 2,1 Prozent auf 1,9 Prozent gesunken. Das entspricht etwa 360.000 nicht zurückgezahlten Krediten.
Heißt im Umkehrschluss: 98,1 Prozent der Kredite wurden zurückgezahlt. Leider fehlt ein Vergleich, wie sich das Verhältnis der Rückzahlung von Kleinkredit zu normalen Verbraucherkrediten verhält. Gleichzeitig wird jedoch vorgewarnt. Denn hauseigene Auswertungen der Schufa zeigen, dass im Jahresvergleich von 2023 zu 2024 in den ersten drei Quartalen die Zahl der Personen, die das erste mal eine Zahlungsstörung hatten, um 10 Prozent gestiegen ist.
Eine alarmierend hohe Zahl. Zahlungsstörung bedeutet in dem Fall Schulden, nicht gezahlte Rechnung oder Rate. Nehme ich andere Zahlen hinzu, wie z.B. den Anstieg der angemeldeten Insolvenzen und die täglichen Aussagen meiner 140.000 Follower entsteht ein ganz neues, sehr düsteres Bild über die Zahlungsfähigkeit und Zahlungswilligkeit der Menschen. Alles zeigt aktuell auf eine sehr starke Verschlechterung der aktuellen Situation im ersten und zweiten Quartal 2025.
6. „Bei Zahlungsstörungen gibt es ein Nord-Süd-, aber kein Ost-West-Gefälle“
Diesen Punkt finde ich persönlich sehr interessant, denn es gibt keine einfache oder klare Erklärung dafür. Auf jeden Fall wird die landläufige Meinung über den „schwachen Osten“ widerlegt. Auch ein Vergleich mit einem Gehaltsatlas lässt keine Rückschlüsse darauf zu, warum eine eindeutige Richtung bei Schuldenfällen vorliegt.
Negativer Vorreiter ist Bremen mit 11,6 Prozent der Bremer Bevölkerung, die mindestens einen negativen Eintrag in der Schufa hat, direkt gefolgt von Berlin mit 10,6 Prozent. Am besten schneidet Bayern ab mit 6,3 Prozent. Einen guten ersten Hinweis liefert der aktuelle SchuldnerAtlas von Boniversum.
Ein Vergleich zeigt einen Zusammenhang zwischen Überschuldungsgrad der Bundesländer und Eintragungen in der Schufa. Holt man zusätzlich noch den Atlas über die Arbeitslosenquote von Personen ohne abgeschlossene Berufsausbildung dazu, wird das Bild tatsächlich klarer. Es besteht ein Zusammenhang zwischen geringer Qualifikation, Niedriglohn, Überschuldung durch falsches Konsumverhalten und gemeldeten Zahlungsstörrungen bei der Schufa.
Fazit: Der Schufa-Kreditkompass
Zusammengefasst sehe ich folgende Schwerpunkte: Die Bevölkerung verlagert sein Konsumverhalten auf kleinere Einkäufe mit geringerem Geldwert. Allerdings gehören diese Einkäufe zum Alltag der Menschen. Durch die Masse ergibt sich das Problem einer schleichenden, für den Einzelnen nicht sofort erkennbaren Überschuldung.
Wir hören aufgrund äußerlicher Umstände auf, größere Investitionen zu tätigen, suchen Ersatzlösungen in Form von kurzfristigen, rauschartigen Einkaufserlebnissen und flüchten zum Teil in die Dopaminfalle. Es entsteht ein nach unten gerichteter Finanzstrudel, dessen Auswirkungen wir gerade erst anfangen zu bemerken.
Erste Schritte zur Abwehr einer nationalen Schuldenkatastrophe wurden bereits in die Wege geleitet. Doch die eigentlichen Herausforderungen stehen noch bevor. Eins ist sicher: Die aktuelle Unsicherheit und Unzufriedenheit der Menschen in Deutschland und der damit verbundene langsame Verlust des Vertrauens in die Regierung wirkt sich langfristig negativ auf die finanzielle Entwicklung der kompletten Bevölkerung aus.
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