Das Landesgericht in Koblenz hat ein neues Urteil zugunsten der Schufa gefällt. Demnach ist die Auskunftei berechtigt, erledigte Forderungen – sogenannte negative Einträge – für die Dauer von drei Jahren zu speichern. Doch was beutetet das für Verbraucher? Eine Kolumne von Tibor Bauer – alias „Mr. Schufa“.
Am 22. Oktober 2024 hat das Landgereicht Koblenz ein Urteil zugunsten der Schufa gefällt. Der Hintergrund: Ein Verfahren, in dem es um den Antrag einer Person auf die Löschung eines bereits erledigten, negativen Eintrages ging. Die klagende Partei hatte aufgrund von verspäteten Zahlungen an eine Bank im Rahmen eines Mahnverfahrens einen Vollstreckungsbescheid erhalten.
Erst nach dessen Zustellung und der damit verbundenen Eintragung in die Schufa, bezahlte die klagende Person die Schuld. Nach normalem Hergang speichert die Schufa nun drei Jahre lang diese Zahlungsstörung – auf den Tag genau zum eingetragenen Erledigungsvermerk des Gläubigers. Nun wurde gegen diese Handhabung geklagt.
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Schufa-Urteil: Ein Ohnmachtsgefühl für Millionen?
Das Urteil dürfte in den Augen von Millionen Menschen in Deutschland parteiergreifend erscheinen – für wenige und zulasten von vielen. Denn es stärkt die Position der Schufa und deren Partner im ewigen, nichtendenden Kampf um das Scoring, der Erfassung, Verarbeitung und vor allem der Speicherung von Daten.
Kein Wunder, dass sich nun viele (die Schufa besitzt über 70 Millionen Datensätze zu Personen und Firmen) unter Druck gesetzt fühlen. Eine private Institution, ohne echte rechtliche Grundlage bestimmt über Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte hinweg über das (finanzielle) Leben von den meisten Bürgern in Deutschland.
Man hat das Ohnmachtsgefühl, ähnlich wie bei der GEZ, dass man zwar in einer Demokratie mit Selbstbestimmung leben kann, aber schlussendlich doch einer finanzwirtschaftlichen Diktatur unterjocht ist.
Rechtsprechung ohne Rechtsgrundlage?
Man könnte sagen, es gab ein zustimmendes Urteil, weil es kein Gesetz für eine Ablehnung gibt. Einer der beiden Gründe des Gerichtes war, dass die DSGVO keinerlei interpretierbaren Inhalte zu gesetzlichen Speicherfristen beinhaltet.
Das Gericht gibt sogar selbst zu, dass es stets eine einzelfallabhängige Abwägung erforderlich ist. Und obwohl die Richter selbst sagen, dass es aufgrund der notwendigen Individualität keine verallgemeinernde Entscheidung getroffen werden kann, haben sie genau das getan.
Der zweite Grund erscheint sogar noch kurioser. Denn es beruht auf der selbstregulierende Regelung des „Wirtschaftsauskunfteien e.V.“. Eine Vereinigung, der die sechs größten Auskunfteien Deutschlands angehören. Sie hat dieses Jahr eine „neue“ Regelung veröffentlicht, in der die Auskunfteien gemeinsam beschlossen haben – ohne rechtliche Grund- oder Vorlage – die Speicherdauer von bezahlten Forderungen bei drei Jahren zu belassen.
Das Gericht – als Lobbyist der Schufa
Bis heute wurde jedoch keinerlei Veröffentlichung herausgebracht, wie genau diese drei Jahre berechnet werden, also mit welcher Begründung die Auskunfteien diese lange Speicherzeit beschlossen haben. Um es unkompliziert auszudrücken: Weil ein Verein, dem die Schufa angehört, für sich beschlossen hat, privat erhobene Daten volle drei Jahre zu speichern, sieht das Gericht dies als gegebene Grundlage an, dass die Schufa das Recht hat, die Daten drei Jahre zu speichern.
Ungefragt davon, dass so eine Entscheidung Millionen von Menschen in vermeidbare Stresssituationen, wenn nicht gar Nöte bringt. Dafür reicht dem Gericht die Tatsache, dass diese „Selbstverpflichtung“ – früher hat man dazu Ablassbrief gesagt – von der Datenschutzbehörde des Landes Nordrhein-Westfalen genehmigt wurde.
Ich frage mich ernsthaft, wie viel das mit echter Rechtsprechung zu tun hat, denn auch für das Genehmigungsverfahren durch die Datenschutzbehörde und was dies tatsächlich bedeutet, gibt es meines Wissens nach keinerlei Rechtsgrundlage. Denn eigentlich wäre ja, da die Schufa in Wiesbaden sitzt, der Hessische Datenschutzbeauftragte zuständig.
Neues Schufa-Urteil: Fazit und Folgen
Um das Ganze etwas verständlicher zu formulieren, hier eine kleine Agenda:
- Es gibt keine rechtliche Grundlage für die Speicherdauer der Schufa in der DSGVO. Deshalb sieht das Gericht die Schufa im Recht. Getreu dem Motto: Wenn man nicht dagegen sein kann, muss man dafür sein.
- Obwohl das Gericht in seiner Argumentation davon spricht, dass ob der fehlenden Richtlinien in der DSGVO jeder Fall einzeln geprüft werden muss, spricht es trotzdem ein allgemeines Urteil.
- Obwohl die veröffentlichte Selbstbestimmung des „Wirtschaftsaufkunfteien e.V.“ keine, für andere außer dessen teilnehmende Auskunfteien rechtlich bindend ist, nimmt das Gericht dies als Rechtsgrundlage für den Richterspruch.
- Obwohl aufgrund des Hauptsitzes der Schufa eigentlich eine andere Datenschutzbehörde zuständig ist, nimmt das Gericht die Akzeptanz der Datenschutzbehörde Nordrhein-Westfalen als rechtlich relevante Variable um sein Urteil zu unterstützen.
- Obwohl die Schufa bis heute keine Aussage darüber getätigt hat, warum gerade drei Jahre Speicherung von erledigten Schulden einen besonderen Schutz darstellt, sodass etwa ein Jahr nicht ausreichen würde, folgt das Gericht der Argumentation der Schufa, dass eine längere Speicherung der erledigten Einträge im Interesse aller Partner und Gläubiger wäre. Ja das stimmt, genauso wie dass eine kürzere Speicherfrist im wirtschaftlichen Sinn von den Menschen im Land von Interesse wäre.
Als Mr. Schufa habe ich über meinen TikTok-Kanal tagtäglich mit den Problemen, Sorgen und Nöten der Menschen zu tun. Ich versuche stets als neutrale Stelle Wissen zu vermitteln, um Sorgen zu lindern und Lösungen zu finden. Obwohl ich selbst überzeugt bin, dass die Schufa ein extrem wichtiger Faktor in unserem Wirtschaftssystem ist, kann ich dem Gericht in Koblenz nicht folgen.
Wie ich bereits an anderer Stelle geschrieben habe, ist aus dem ehemaligen Wächter mittlerweile ein Henker geworden, der als KI-getriebene Maschinerie brutal und emotionslos über Schicksale von Millionen Menschen in Deutschland entscheidet, ohne ihnen ein messbar aktives Mitbestimmungsrecht zu geben.
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