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Lern lesen und schreiben: Woran unsere Kommunikation krankt

Lesen, schreiben, Erwachsene
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geschrieben von Christian Erxleben

Es ist keine Seltenheit, dass in den Kommentarspalten in sozialen Netzwerken oder unterhalb von Artikeln auf Medien-Seiten kontrovers diskutiert wird. Was dabei häufig auffällt: Richtiges Lesen würde uns viel Hass und Streit im Internet ersparen. Doch selbstverständlich liegt die Schuld nicht nur beim Leser. Ein Kommentar.

Es gibt wohl kaum eine Werbung, die sich mir so sehr ins Gedächtnis gebrannt hat, wie die des ALFA-Telefons. Mit einem bedrückenden 30-Sekünder machte die Hilfsstelle mit dem Claim „Schreib dich nicht ab! Lern lesen und schreiben“ schon vor 20 Jahren darauf aufmerksam, dass viele Menschen in Deutschland nicht richtig lesen und schreiben können.

Über 7,5 Millionen funktionale Analphabeten in Deutschland

Während es zur Ausstrahlung des ersten Spots in Deutschland noch vier Millionen Analphabeten waren, ist die Zahl mittlerweile deutlich gestiegen. Laut der Aktion Mensch ist jeder siebte Erwachsene in Deutschland ein funktionaler Analphabet.

Das heißt: Über 7,5 Millionen Menschen zwischen 18 und 64 Jahren können zwar einzelne Sätze lesen. Allerdings haben sie schon Probleme damit, zusammenhängende kürzere Texte zu verstehen. Und das, obwohl mehr als die Hälfte der Betroffenen Deutsch als Muttersprache und einen Schulabschluss haben und sogar einen Job ausüben.

Keine Lust auf Lesen? Die Ursache für Hass im Netz

Leider scheint es, dass die Lust aufs Lesen in der deutschen Bevölkerung allgemein nicht sehr weit verbreitet ist. Nicht nur funktionale Analphabeten kämpfen mit Texten, sondern auch viele andere Menschen. Der Grund dafür: Faulheit.

Wer sich einmal die Mühe macht und sich durch die Kommentarspalten von Medienhäusern oder auf Facebook, Instagram und YouTube klickt, stellt schnell fest, dass ein Großteil der Kommentatoren ganz offensichtlich nicht einmal den Inhalt in voller Länge gelesen oder angesehen hat.

Hör mich an, ich hör dir ohnehin nicht zu!

Trotzdem fühlen sich diese Menschen dazu aufgerufen, ihre Meinung in Form eines Kommentars zu verbreiten. Sie greifen Journalisten, Influencer oder Privatpersonen zum Teil scharf an und schüren damit viel Streit und Hass und sorgen dafür, dass Menschen Ängste und Depressionen entwickeln.

Das Problem dabei: Wer sich die jeweiligen Kommentare aufmerksam durchliest, stellt schnell fest, dass diese Meinungsmacher leider den Inhalt nicht einmal richtig erfasst haben. Sie lesen die Überschrift und ein paar Zeilen und scrollen dann direkt in den Kommentarbereich.

Dort laden sie dann ihre Meinung ab und stellen Behauptungen auf, die im Text oder Video selbst aufgegriffen werden. Hätten sich die Betroffenen die Mühe gemacht die Texte oder Videos ganz zu lesen oder anzuschauen, wüssten sie, dass sie sich mit ihren Kommentaren nur selbst bloßstellen. Als Autor habe ich die Erfahrung (leider) mehr als oft genug gemacht.

Medien und Influencer müssen weniger polarisieren

Um unsere Kommunikations- und Debattenkultur in Deutschland zu verbessern, ist es nicht nur notwendig, dass die Konsumenten die Inhalte detaillierter aufnehmen. Eine gewisse Schuld oder Verantwortung tragen auch die Journalisten und digitalen Meinungsmacher.

Immer mehr Medien und Influencer kämpfen um Reichweite. Diese Reichweite gibt es nur durch Interaktionen. Und wie ruft man Interaktionen hervor? Richtig: Indem man durch polarisierende Überschriften oder aufsehenerregende Bilder die Nutzer dazu bewegt, sich Inhalte anzuschauen.

Weniger Reichweite, mehr echter Diskurs

Wenn wir also die lesefaulen Nutzer kritisieren, müssen auch die aufmerksamkeitsgeilen Content-Produzenten kritisiert werden. Sowohl Magazine als auch Influencer müssen sich ihrer Macht und Verantwortung bewusst werden. Im Sinn einer guten Kommunikation müssen auch sie auf Polarisierung (und ein bisschen Reichweite) verzichten, um den Hass aus unserer Gesellschaft zu vertreiben.

Wenn wir wirklich verhindern wollen, dass radikale Kräfte in Deutschland noch stärker werden, müssen wir endlich damit beginnen, wieder freundlicher miteinander umzugehen. Das gilt nicht nur im persönlichen Kontakt von Angesicht zu Angesicht, sondern gleichsam für die anonyme, digitale Kommunikation im Internet.

Also: Seid nett zueinander und hört einander zu!

Hinweis: Bei diesem Artikel handelt es sich um einen Kommentar. Das ist eine journalistische Darstellungsform, die explizit die Meinung des Autors und nicht des gesamten Magazins widerspiegelt. Der Kommentar erhebt keinen Anspruch auf Sachlichkeit, sondern soll die Meinungsbildung anregen und ist als Meinungsbeitrag durch Artikel 5 des Grundgesetzes geschützt.

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Über den Autor

Christian Erxleben

Christian Erxleben arbeitet als freier Redakteur für BASIC thinking. Von Ende 2017 bis Ende 2021 war er Chefredakteur von BASIC thinking. Zuvor war er als Ressortleiter Social Media und Head of Social Media bei BASIC thinking tätig.

1 Kommentar

  • Da müsst ihr euch aber selbst an der Nase nehmen. Ihr habt zwar nicht so reisserische Titel wie die Bild, dennoch solche die Teils eine andere Aussage suggestieren als der Inhalt selbst. Die natürlich nur um Klicks zu generieren und das ist eine Sauerei!

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