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KI-Washing: Nicht überall wo KI draufsteht, steckt auch KI drin

Was ist KI-Washing AI-Washing Künstliche Intelligenz
Oral B
geschrieben von Carsten Lexa

Immer mehr Produkte sollen Künstliche Intelligenz oder KI-Funktionen enthalten. In vielen Fällen handelt es sich jedoch um reines Marketing. Doch was genau ist eigentlich dieses sogenannte KI-Washing und woraus sollten Verbraucher achten?


„KI-Washing“, auch bekannt als „AI-Washing“, beschreibt den zunehmenden Trend, Künstliche Intelligenz als Verkaufsargument für Produkte oder Dienstleistungen zu nutzen, ohne dass tatsächlich echte KI zum Einsatz kommt.

Es ist zu erkennen, dass in den letzten Jahren die Nutzung von KI als Schlagwort in Verbindung mit der Beschreibung von Produkten oder Dienstleistungen zugenommen hat.

Unternehmen, die entweder Software, Hardware oder alltägliche Konsumgüter herstellen, nutzen zunehmend den Begriff „Künstliche Intelligenz“ als Marketing-Tool oder Werbemittel, um die Aufmerksamkeit auf ihre Angebote zu lenken.

Echt oder unecht: Was ist KI-Washing?

Das Problem ist, dass in vielen Fällen gar keine echte KI in den beworbenen Produkten integriert ist oder bei den Dienstleistungen zur Anwendung kommt, sondern lediglich standardisierte Algorithmen oder einfache Automatisierungen als „Künstliche Intelligenz“ dargestellt werden.

Die Grenze zwischen einem einfachen algorithmischen Prozess und echter KI verschwimmt in der Wahrnehmung der Verbraucher jedoch zunehmend, was oft zu Verwirrung oder gar Täuschung führt. Das jedoch ist dann gerade ein Fall von KI-Washing.

Eine echte KI zeichnet sich vielmehr dadurch aus, dass sie lernfähig ist und auf Basis großer Datenmengen eigenständig Muster erkennt und Entscheidungen treffen kann. Beispiele sind Algorithmen im Bereich des maschinellen Lernens, die durch Training besser werden, oder neuronale Netze, die wie das menschliche Gehirn Informationen verarbeiten und Zusammenhänge erkennen.

Echte KI kann sich an veränderte Bedingungen anpassen und neue Lösungen finden, während einfache Algorithmen nur vorprogrammierte Aufgaben ausführen und nicht über diese hinaus lernen bzw. sich selbst erweitern.

Beispiel für KI-Washing

Ein Beispiel für KI-Washing findet man bei der Vermarktung von elektrischen Zahnbürsten. So hat Procter & Gamble unter der Marke Oral-B die elektronische Zahnbürste „Genius X“ auf den Markt gebracht, bei der damit geworben wird, dass sie durch KI die Zahnreinigung optimiert.

In der Werbung heißt es, die Zahnbürste könne dank Künstlicher Intelligenz erkennen, wie der Benutzer seine Zähne putzt, und das Putzverhalten entsprechend anpassen. Doch bei näherer Betrachtung stellt sich heraus, dass es sich hierbei lediglich um ein vorprogrammiertes Feedback-System handelt – das immerhin auf Basis von vielen Nutzern und deren Putzverhalten erstellt wurde -, das auf festgelegten Algorithmen basiert, welche Sensoren in der Zahnbürste auswerten.

Die „KI“ analysiert keine Daten, um individuell neue Erkenntnisse zu gewinnen oder sich an das Verhalten des Nutzers anzupassen. Stattdessen gibt sie lediglich auf Basis der vorab eingespeicherten Muster Rückmeldungen. Tatsächlich handelt es sich also eher um eine smarte Zahnbürste, die vordefinierte Reaktionen auf Nutzerverhalten gibt – von echter Künstlicher Intelligenz, die sich weiterentwickelt und verbessert, kann aber wohl keine Rede sein.

Ein anderes Beispiel für KI-Washing ist die „AI DD“-Technologie in Waschmaschinen des Herstellers LG, die damit beworben wird, dass sie das Gewicht und den Stofftyp der Kleidung erkennt und basierend darauf die optimalen Waschbewegungen für die Waschmaschine wählt. Tatsächlich handelt es sich jedoch um voreingestellte Programme, die auf Parameter wie Gewicht oder Textilart reagieren, ohne dass die Maschine tatsächlich dazulernt oder Entscheidungen trifft, wie es eine echte KI tun würde.

Das Problem mit KI-Washing

Problematisch ist KI-Washing deshalb, weil der Begriff „Künstliche Intelligenz“ in Verbindung mit Produkten und Dienstleistungen so weit gefasst wird, dass Nutzer unter dem Deckmantel der KI mehr erwarten – nämlich lernende Systeme -, als tatsächlich geboten wird.

Das liegt immer dann vor, wenn es sich bei der verwendeten Software im Kern lediglich um automatisierte Prozesse handelt, die keine echte „Intelligenz“ im Sinne von maschinellem Lernen oder neuronalen Netzen darstellen.

Das Thema gewinnt inzwischen an Bedeutung. Man erkennt das beispielsweise daran, dass sich die US-Börsenaufsicht SEC mit diesem Thema befasst. Aus deren Ermittlungen beispielsweise gegen die Investmentfirmen Delphia und Global Predictions resultierten Strafzahlungen von insgesamt 400.000,00 Dollar.

KI-Washing erkennen

Nutzer sollten sich bei der Bewertung von Produkten, die mit „KI“ werben, bewusst sein, dass es oft nicht einfach ist, echte künstliche Intelligenz von Werbeversprechen zu unterscheiden. Um KI-Washing zu erkennen, sollten deshalb einige grundlegende Fragen gestellt werden:

  1. Handelt es sich bei den Funktionen des Produktes wirklich um lernfähige, sich anpassende Technologien, oder sind es vorprogrammierte Reaktionen auf bestimmte Verwendungen oder Eingaben? Verbessert die KI-Software wirklich kontinuierlich die Ergebnisse, indem es auf veränderte Umstände oder Eingaben reagiert?
  2. Gibt es unabhängige Nachweise oder Testberichte, die bestätigen, dass es sich um echte KI handelt?

Auch die Beschreibung der Technologie selbst kann ein Hinweis sein. Denn oft wird echte KI durch Begriffe wie „maschinelles Lernen“ oder „neuronale Netze“ erklärt, während Beschreibungen im Bereich des KI-Washings eher vage bleiben und mit allgemeinen Schlagworten werben.

Nicht zuletzt lohnt es sich, den Produktanbieter kritisch zu hinterfragen – Unternehmen, die auf echte KI setzen, legen meist auch großen Wert darauf, transparente und nachvollziehbare Erklärungen für die Funktionsweise ihrer Technologien zu liefern.

Fazit: KI ist nicht gleich KI

Es wird immer schwieriger, zwischen echter und vermeintlicher KI zu unterscheiden, da KI inzwischen in aller Munde ist und die Verwendung von KI in Verbindung mit Produktvermarktung fast schon ein Standardmarketinginstrument ist.

Nutzer sollten sich jedoch nicht von schicken Begriffen täuschen lassen, sondern stets kritisch prüfen, ob tatsächlich eine echte KI Verwendung findet oder ob es sich lediglich um eine clevere Anpreisung von Produktfeatures handelt.

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Über den Autor

Carsten Lexa

Rechtsanwalt Carsten Lexa berät seit 20 Jahren Unternehmen im Wirtschafts-, Gesellschafts- und Vertragsrecht. Er ist Lehrbeauftragter für Wirtschaftsrecht, BWL und Digitale Transformation sowie Buchautor. Lexa ist Gründer von vier Unternehmen, war Mitinitiator der Würzburger Start-up-Initiative „Gründen@Würzburg”, Mitglied der B20 Taskforces Digitalisierung/ SMEs und engagiert sich als Botschafter des „Großer Preis des Mittelstands” sowie als Mitglied im Expertengremium des Internationalen Wirtschaftsrats. Er leitete als Weltpräsident die G20 Young Entrepreneurs´Alliance (G20 YEA). Bei BASIC thinking schreibt Lexa über Themen an der Schnittstelle von Recht, Wirtschaft und Digitalisierung.

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