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Theorie bricht zusammen: Funktionieren Windräder bald ganz anders?

Windräder Theorie neuer Ansatz Ausrichtung
Courtesy of the researchers
geschrieben von Fabian Peters

Ein neuer Ansatz von Ingenieure des Massachusetts Institute of Technology (MIT) könnte den Entwurf und Betrieb von Windparks von Grund auf verändern. Sie widerlegten eine uralte mathematische Theorie, die bis heute die Grundlage für die Entwicklung von Windrädern und Windparks dargestellt hat.

Die Flügel von Windturbinen und Propellern basieren auf aerodynamischen Prinzipien. Diese wurden bereits vor über Einhundert Jahren mathematisch beschrieben. Viele Ingenieure haben jedoch erkannt, dass diese uralten Formeln nicht immer funktionieren und sie entsprechend angepasst.

Ingenieure des Massachusetts Institute of Technology (MIT) haben nun ein physikalisches Modell entwickelt, das die Luftströmung der Rotoren von Windrädern exakt wiedergibt – selbst unter extremen Bedingungen. Diese Theorie könnte die Art und Weise, wie Rotoren und Windparks entworfen werden, nicht nur grundlegend verändern, sondern auch deutlich verbessern.


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Windräder: Neue Theorie könnte Energiebranche umkrempeln

„Wir haben eine neue Theorie für die Aerodynamik von Rotoren entwickelt“, so Michael Howland vom MIT. Mit diesem Ansatz ließen sich Kräfte, Strömungsgeschwindigkeiten und Leistung eines Rotors bestimmen – sogar unabhängig davon, ob er Energie gewinnt oder wie bei einem Propellor zuführt.

Bei der neue Theorie handle es sich um ein grundlegendes mathematisches Modell, das teilweise direkt angewendet werden könnte. Denn der Ansatz könne einzelne Parametern wie die Ausrichtung von Turbinen sowie ihre Drehgeschwindigkeit und den Winkel optimieren, um Leistung und Sicherheit zu erhöhen.

„Das ist es, was uns so begeistert, denn es hat ein unmittelbares und direktes Potenzial für Auswirkungen auf die gesamte Wertschöpfungskette der Windenergie“, so Howland.

Forscher widerlegen Impulstheorie

Die sogenannte Impulstheorie beschrieb zuvor die Wechselwirkung zwischen Rotoren und ihrer Umgebung. Sie wurde Ende des 19. Jahrhunderts entwickelt. Ausgehend von diesem Ansatz bestimmen Ingenieure jahrzehntelang die maximale Leistung von Propellern, Rotoren und Windräder.

Ingenieur Michael Howland dazu: Die Gleichungen der Impulstheorie „sind das erste, was man in einem Windenergie-Lehrbuch liest, und das erste, worüber ich in meinen Kursen spreche, wenn ich über Windenergie unterrichte“. Der Hintergrund: Physiker Albert Betz berechnete im Jahr 1920 auf dieser Grundlage die maximale Energiemenge, die theoretisch aus Wind gewonnen werden kann. Das Ergebnis: Die sogenannte Betz-Grenze, die bei 59,3 Prozent liegt.

Laut Howard hätte diese Theorie jedoch in der Praxis versagt. Denn während die Betz-Grenze besagt, dass die Kraft ab einem bestimmten Winkel oder einer bestimmten Rotationsgeschwindigkeit abnimmt, hätten Experimente das Gegenteil gezeigt.

Howland und sein Team fanden laut eigen Angaben sogar heraus, dass eine absichtliche und geringfügige Fehlausrichtung einiger Turbinen die Gesamtleistung von Windrädern in einem Windpark steigern kann. Der Grund: Zuvor hätten sich Ingenieure auf die altertümliche Impulstheorie verlassen.

Neues Modell soll Windräder effizienter machen

Die MIT-Forscher analysierten stattdessen die Wechselwirkung von Luftströmung und Turbinen mittels detaillierter Aerodynamik-Modellen. Das Ergebnis: Die ursprüngliche Annahme, dass ein Luftdruckabfall hinter dem Rotor schnell zu dem normalen Umgebungsdruck zurückkehren würde, erwies sich als falsch.

Denn laut den MIT-Ingenieuren ist nahe des Betz-Grenzwertes eine Ungenauigkeit aufgetreten. Heißt konkret: Die maximale Leistung von Windrädern, Windparks und Rotoren kann höher sein als zuvor gedacht. Howland dazu:

Wir haben also die Vorhersage von Betz, wo wir die Turbinen betreiben sollten, und innerhalb von 10 Prozent dieses Betriebspunkts, von dem wir glauben, dass er die maximale Leistung bringt, wird die Theorie völlig unbrauchbar und funktioniert nicht.

Die Forscher kamen dabei zu dem Schluss, dass Rotoren nicht immer genau auf die Luftströmung ausgerichtet sein müssen. Das neue Modell zeige dabei, wie die Leistung von Turbinen maximiert werden kann, wenn sie „falsch“ zum Luftstrom ausgerichtet sind. Dies habe die Betz-Grenze nicht berücksichtigt.

Windräder: Darum war die Impulstheorie unvollständig

Einzelne Turbinen ziehen in Windparks aufgrund von Nachlaufeffekten einen Teil der Energie ab, die eigentlich benachbarten Turbinen zur Verfügung steht. Laut MIT konnten bislang jedoch weder die Betreiber noch Hersteller von Windparks ermitteln, wie sich die Leistung von Turbinen unter bestimmten Umständen ändert. Howland:

Dafür gab es nämlich keine Theorie. Daran haben wir hier also gearbeitet. Mit unserer Theorie kann man zum ersten Mal direkt und ohne empirische Korrekturen sagen, wie man eine Windturbine betreiben sollte, um ihre Leistung zu maximieren.

Das Modell ließe sich auch auf Propeller und hydrokinetische Turbinen wie Gezeiten- oder Flussturbinen anwenden, da die Strömungsverhältnisse ähnlich seien. Die neue Theorie basiert auf mathematischen Formeln, die jeder Anbieter in seine Software einbauen kann, da sie kostenlos bei GitHub heruntergeladen werden kann. Howland dazu:

Das Ziel unserer Modellierung ist es, die Windenergieforschung in die Lage zu versetzen, die Entwicklung der Windenergiekapazität und -zuverlässigkeit voranzutreiben, die notwendig ist, um auf den Klimawandel zu reagieren.

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Über den Autor

Fabian Peters

Fabian Peters ist seit Januar 2022 Chefredakteur von BASIC thinking. Zuvor war er als Redakteur und freier Autor tätig. Er studierte Germanistik & Politikwissenschaft an der Universität Kassel (Bachelor) und Medienwissenschaften an der Humboldt-Universität zu Berlin (Master).

3 Kommentare

  • Die konkreten Antworten vermisse ich: Wieviel Prozent Leistunssteigerung sind denn möglich? Was ändert sich an den Flügelprofilen, oder wir die Leistungssteigerung allein duch Schiefstellung der Windräder erreicht? Es ist zu vermuten, dass es sich um Leistungssteigerungen im Promillebereich handelt, wisenschaftlich interessant, aber ohne praktische Bedeutung.

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