Wirtschaft

Report „Unternehmensgründung 2024“: Langsam wird es lächerlich!

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geschrieben von Carsten Lexa

Die Deutsche Industrie- und Handelskammer (DIHK) hat ihren Report „Unternehmensgründung 2024“ veröffentlicht. Dieser verdeutlicht einmal mehr die Herausforderungen für Gründer in Deutschland. Aber der Tonfall wird mittlerweile deutlich rauer. Eine Kolumne. 

Um es gleich vorweg zu sagen: Nicht alles, was der Report „Unternehmensgründung 2024“ an Erkenntnissen präsentiert, ist absolut schlecht. So verzeichnet die DIHK einen Anstieg der individuellen Gründungsberatungen um 17 Prozent. Das zeigt, dass es zumindest konkrete Geschäftsideen und ein grundsätzliches Interesse an deren Umsetzung gibt. Ebenso positiv werden die staatlichen Innovationsanreize bewertet, die 72 Prozent der Gründer als wirksam einschätzen.

Doch diese positiven Punkte sind geradezu lächerlich im Vergleich zu den überwältigenden Herausforderungen, mit denen sich Gründungswillige in Deutschland seit Jahren konfrontiert sehen und die in der Studie deutlich herauskommen.

Denn die Rahmenbedingungen haben sich seit Jahren – wenn überhaupt – nur wenig verbessert. Meist sind jedoch vielmehr Verschlechterungen zu verzeichnen. Die Folge ist ein alarmierender Rückgang der Gründungsaktivitäten, der sich zunehmend negativ auf die deutsche Volkswirtschaft auswirkt.

Unternehmensgründung 2024: Gründungsinteresse erreicht Tiefstand

Die DIHK verzeichnete im vergangenen Jahr einen Rückgang der Gründungsberatungen um 6 Prozent. Das markiert einen neuen Tiefpunkt und steht symbolisch für den allgemeinen Zustand des Gründungsumfeldes.

Die steigenden Nachfragen nach Einzelberatungen bleiben in diesem Zusammenhang nur Tropfen auf dem heißen Stein, denn der eigentliche Grund für den Anstieg sind lediglich Nachholeffekte aus der Corona-Zeit und keine strukturelle Verbesserung der Gründungsbedingungen. Die DIHK-Studie belegt vielmehr eindeutig: das Gründungsinteresse befindet sich auf einem historischen Tiefstand.

Immer wieder: Bürokratie, Kosten, Kultur, Finanzierungen

Vor allem der hohe bürokratische Aufwand und die hohen Kosten schrecken potenzielle Gründer von einer Unternehmensgründung in Deutschland ab. Während international die Gründungskosten in den letzten Jahren gesunken sind, sind sie in Deutschland nahezu unverändert hoch.

Und mit durchschnittlich rund neun notwendigen Behördengängen liegt Deutschland weit über dem Durchschnitt der Industrieländer. Im internationalen Vergleich rangiert Deutschland bei der Gründungsfreundlichkeit mittlerweile im unteren Drittel – ein Armutszeugnis für eine Nation, die sich als „Wirtschaftslokomotive Europas“ versteht.

Bürokratische Hürden sind aber nur ein Teil des Problems. Die DIHK-Studie macht deutlich, dass auch die Kultur in Deutschland ein massives Hindernis für Gründer darstellt. In vielen anderen Ländern wird das Scheitern eines Unternehmens als Lernprozess verstanden.

Nicht so in Deutschland: hier gilt das Scheitern einer Geschäftsidee als persönliches und gesellschaftliches Stigma, das oft das Ende der unternehmerischen Karriere bedeutet. Nur 26 Prozent der deutschen Gründer sehen ein gescheitertes Projekt als Chance, es erneut zu versuchen – ein erschreckend niedriger Wert im Vergleich zu vielen G20-Ländern, in denen eine Kultur des zweiten Anlaufs gepflegt wird. Diese Haltung schreckt viele potenzielle Gründer ab und schwächt langfristig die Innovationskraft unseres Landes.

Verbesserung der staatlichen Förderprogramme könnte viel bewirken

Und dann sind da noch die Schwierigkeiten bei der Finanzierung. 62 Prozent der Gründer berichten von großen Schwierigkeiten bei der Finanzierung ihrer Geschäftsidee. Und dabei geht es nicht einmal um Geld von Investoren. Schon staatliche Förderprogramme, so gut sie gemeint sind, entpuppen sich oft als undurchdringlicher Dschungel aus Anträgen und Vorschriften.

Selbst wer diese bürokratischen Hürden überwinden kann, kämpft häufig mit der Unsicherheit und Unvorhersehbarkeit der Fördermittelvergabe. Dabei sind sich 80 Prozent der Gründer sicher: eine Verbesserung der staatlichen Förderprogramme könnte viel bewirken – doch auch hier fehlt es an konsequenten und durchgreifenden Reformen.

Unternehmensgründung 2024: Ein ungenügendes „Ausreichend“

Kein Wunder, dass die Bewertung des Gründungsstandortes Deutschland schlecht ausfällt. In der DIHK-Studie wird er mit der Schulnote 3,6 bewertet – und damit schlechter als je zuvor. Aus einem „noch befriedigend“ ist nur noch ein „ausreichend“ geworden.

Nach den Gründen muss man nicht lange suchen. Da sind zum einen die ständigen Versprechungen der Politik, die Bedingungen für Gründer zu verbessern, die nicht eingehalten werden. Das Gegenteil ist vielmehr der Fall: die Bedingungen werden immer schlechter. Zum anderen ersticken steigende Betriebskosten und eben der Wust an Bürokratie die Lust am Unternehmertum.

Immer mehr potenzielle Gründer entscheiden sich deshalb angesichts dieser Hürden, ihre unternehmerischen Pläne in Deutschland entweder ganz aufzugeben oder ins Ausland abzuwandern, wo die Bedingungen oft deutlich günstiger sind.

Langfristig negative Folgen

Der DIHK warnt jetzt eindringlich vor den langfristigen Folgen dieser Entwicklung. Wenn nicht rasch gegengesteuert werde, drohe Deutschland wichtige Wachstums- und Innovationspotenziale zu verlieren.

Schon jetzt ist eine „Abwanderungstendenz“ der Industrie zu beobachten, die durch zunehmende Produktionseinschränkungen und den Rückgang von Neugründungen befeuert wird. Die Folge ist ein schleichender Verlust der Wettbewerbsfähigkeit auf dem internationalen Markt.

Es mangelt nicht an Verbesserungsvorschlägen

Der DIHK drängt deshalb – einmal mehr – auf rasche Reformen. Denn seit Jahren liegen unzählige Vorschläge zur Verbesserung der Gründungsbedingungen vor, die schnell umgesetzt werden könnten: Vereinfachung oder Abschaffung der Besteuerung sehr junger Unternehmen, Abbau bürokratischer Hürden wie Gewerbeanmeldung oder Notarpflicht (bei der Gründung von Kapitalgesellschaften), bessere Finanzierungsmöglichkeiten durch steuerliche Anreize – die Liste ist lang.

Doch die Politik reagiert bestenfalls zögerlich. Statt einer mutigen Standortpolitik, die Unternehmertum fördert, erstickt ein Dickicht aus Regulierung und Unsicherheit die Gründerkultur.

Die DIHK nennt in der Studie neun konkrete Maßnahmen, die das Gründungsumfeld in Deutschland verbessern, darunter die Entschlackung von Formularen und die Einführung einer zentralen Anlaufstelle für Unternehmensgründungen („One Stop Shop“), um den Aufwand für Gründer zu reduzieren. Fraglich bleibt allerdings, ob diese Vorschläge letztlich umgesetzt werden – oder wie so oft in der politischen Bürokratie versanden.

Fazit: Unternehmensgründung 2024

Deutschland steht an einem kritischen Wendepunkt. Die vorliegenden Zahlen und Entwicklungen in der Studie zeichnen ein düsteres Bild für den Wirtschaftsstandort: immer weniger Menschen wagen sich in unternehmerische Abenteuer, und diejenigen, die es wagen, sehen sich mit einem Dickicht aus Bürokratie, hohen Kosten und kulturellen Barrieren konfrontiert.

All dies führt zu einem besorgniserregenden Rückgang der Gründungsaktivitäten – und damit zu einer schleichenden Erosion der Innovationskraft, die Deutschland einst auszeichnete. Die Politik scheint die Dringlichkeit der Situation nicht zu erkennen oder zumindest nicht angemessen zu handeln. Wenn nicht schnell und konsequent gegengesteuert wird, droht der Verlust der internationalen Wettbewerbsfähigkeit.

Es braucht mutige Reformen, die nicht nur versprochen, sondern endlich umgesetzt werden. Denn eines ist klar: ohne eine grundlegende Modernisierung der Rahmenbedingungen wird Deutschland als Innovations- und Gründungsstandort weiter zurückfallen – mit gravierenden Folgen für die gesamte Volkswirtschaft.

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Über den Autor

Carsten Lexa

Rechtsanwalt Carsten Lexa berät seit 20 Jahren Unternehmen im Wirtschafts-, Gesellschafts- und Vertragsrecht. Er ist Lehrbeauftragter für Wirtschaftsrecht, BWL und Digitale Transformation sowie Buchautor. Lexa ist Gründer von vier Unternehmen, war Mitinitiator der Würzburger Start-up-Initiative „Gründen@Würzburg”, Mitglied der B20 Taskforces Digitalisierung/ SMEs und engagiert sich als Botschafter des „Großer Preis des Mittelstands” sowie als Mitglied im Expertengremium des Internationalen Wirtschaftsrats. Er leitete als Weltpräsident die G20 Young Entrepreneurs´Alliance (G20 YEA). Bei BASIC thinking schreibt Lexa über Themen an der Schnittstelle von Recht, Wirtschaft und Digitalisierung.

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