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Go with the FlowGPT, oder: Wie weit darf KI in der Kunst gehen?

Ki in der Kunst Künstliche Intelligenz FlowGPT Musik
Adobe Stock/ blackday
geschrieben von Carsten Lexa

Wie weit darf der Einsatz von KI in der Kunst gehen? Der chilenische Künstler Mauricio Bustos alias FlowGPT hat dazu eine ganz eigene Meinung, die spannende, aber auch kontroverse Fragen aufwirft. Eine kritische Analyse.

Der Einsatz von Künstlicher Intelligenz (KI) in der Musikproduktion wirft zunehmend rechtliche und ethische Fragen auf. Der chilenische Künstler Mauricio Bustos alias FlowGPT nutzt KI, um die Stimmen bekannter Künstler zu imitieren, was ihn mittlerweile zu einem ebenso umstrittenen wie gefeierten KI-Musikpionier gemacht hat.

Nehmen wir diesen „künstlerischen Akt“ zum Anlass, uns mit einigen interessanten Fragen zu beschäftigen, nämlich zum einen, wie weit der Einsatz von KI in der Kunst gehen darf, konkret, ob Mauricio Bustos das, was er tut, überhaupt darf und welche rechtlichen Konsequenzen sich daraus aus Sicht des deutschen Rechts ergeben können.


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KI in der Kunst: Hintergrund der Kontroverse

Worum geht es eigentlich? Nun, Mauricio Bustos produziert Musik mithilfe künstlicher Intelligenz (KI), indem er die Stimmen bekannter Künstler imitiert. Im Oktober 2023 veröffentlichte er den Song „NostalgIA“, der schnell viral ging und Millionen von Aufrufen auf TikTok und Spotify erzielte.

Der Track enthält KI-generierte Stimmen von Justin Bieber, Bad Bunny und Daddy Yankee, ohne dass diese Künstler tatsächlich an der Produktion des Songs beteiligt waren. Dies führte zu Kontroversen, insbesondere als Bad Bunny verärgert auf den Song und seine Veröffentlichung reagierte und Spotify den Song von seiner Plattform entfernte.

Bustos dagegen sieht KI als Chance für eine „Demokratisierung der Musikindustrie“. Seiner Meinung nach ermöglicht KI unabhängigen Produzenten, ihre kreativen Visionen ohne technische oder stimmliche Einschränkungen umzusetzen. Er arbeitet dazu mit menschlichen Produzenten zusammen, kreiert Beats und Texte und manipuliert dann seine eigene Stimme mithilfe von KI, um wie berühmte Sänger zu klingen.

Bustos plant jedoch, für sein Alias FlowGPT eine eigene künstlerische Identität zu entwickeln und sich von der bisherigen Imitation bekannter Künstler zu lösen. Bustos hofft, dass KI die Musikindustrie revolutionieren und neue Möglichkeiten für unabhängige Künstler schaffen wird.

Die Konsequenzen für Mauricio Bustos

Einleitend möchte ich darauf hinweisen, dass es nicht mein Ziel ist, in dieser Kolumne eine abschließende rechtliche Bewertung dieses Falles vorzunehmen. Dazu ist er insbesondere aufgrund seiner internationalen Komponente – es handelt sich um einen chilenischen Künstler, der unter anderem US-amerikanische und puerto-ricanische Sänger auf US-amerikanischen, schwedischen und chinesischen Plattformen gegen sich aufgebracht hat – zu komplex.

Außerdem betrachte ich den Fall natürlich mit der „Brille“ eines deutschen Wirtschaftsanwalts. Aber ich denke, er eignet sich sehr gut, um einige wichtige Fragen anzusprechen, die sich im Zusammenhang mit KI für die Kunst in der nächsten Zeit stellen werden und auf die Antworten gefunden werden müssen. Denn die Möglichkeiten mit und durch KI sind immens und wir stehen erst am Anfang der Entwicklung.

Im Fall von Mauricio Bustos ist es entscheidend, dass er KI einsetzt, um die Stimmen berühmter Künstler zu imitieren.
Daraus ergibt sich zunächst die Frage, wie weit der Einsatz von KI in der Kunst gehen darf. Betrachtet man das deutsche Urheberrecht, so ist der Schutz von Werken, die als persönliche geistige Schöpfungen gelten, von zentraler Bedeutung. KI-generierte Inhalte werfen hier ein Problem auf, da eine KI selbst kein Schöpfer ist.

Solange das Urheberrechtsgesetz nicht angepasst wird, bleibt Schöpfer immer ein Mensch. Die Schutzfähigkeit von Werken wie der Musik von Mauricio Bustos hängt daher davon ab, inwieweit der menschliche Schöpfer schöpferisch tätig wird und ob der Output der KI den persönlichen Stempel des Schöpfers trägt.

Im Fall von Bustos könnte man argumentieren, dass seine Rolle bei der Erstellung der Beats und Texte sowie die Manipulation seiner eigenen Stimme durch die KI eine ausreichende menschliche Prägung darstellen. Es bleibt jedoch offen, ob dies ausreicht, um den Werkcharakter im Sinne des Urheberrechts zu erfüllen, da die eigentliche Stimme des Künstlers, die imitiert wird, eine zentrale Rolle spielt.

KI und Kunst: Eigenschöpferische Komponente vs. Leistungsschutzrecht

Ich würde daher eher dazu tendieren, dass hier keine ausreichende eigenschöpferische Komponente vorliegt. Anders könnte man aber argumentieren, wenn der Text und die Beats die zentrale Rolle des Songs spielen.

Die zweite Frage betrifft die rechtliche Zulässigkeit der Handlungen von Mauricio Bustos. Denn die Imitation der Stimmen bekannter Künstler könnte gegen verschiedene gesetzliche Bestimmungen verstoßen, insbesondere gegen die Leistungsschutzrechte der ausübenden Künstler.

Diese Rechte schützen die Leistungen der Künstler, einschließlich ihrer Stimmen, und die unerlaubte Nutzung könnte als Verletzung dieser Rechte angesehen werden. Darüber hinaus könnten Persönlichkeitsrechte betroffen sein, da die Stimmen der Künstler als unverwechselbare Merkmale ihrer Persönlichkeit angesehen werden. Im deutschen Recht ist das allgemeine Persönlichkeitsrecht – wie das Recht am eigenen Bild – geschützt und die Verwendung der Stimmen ohne Zustimmung der Betroffenen könnte als Verletzung dieses Rechts ausgelegt werden.

Das Vorgehen von Bustos, die Stimmen ohne Einwilligung zu verwenden, ist daher meiner Ansicht nach vor diesem Hintergrund rechtlich problematisch. Schließlich stellt sich die Frage nach den rechtlichen Konsequenzen für Mauricio Bustos, wiederum aus der Perspektive des deutschen Rechts. Sollten seine Handlungen in Deutschland stattfinden, könnte er mit Unterlassungs- und Schadensersatzansprüchen konfrontiert werden.

Die betroffenen Künstler bzw. deren Rechteinhaber könnten verlangen, dass Bustos die Nutzung ihrer Stimmen unterlässt und für den entstandenen Schaden aufkommt. Zudem könnten Plattformen wie Spotify gezwungen sein, entsprechende Inhalte zu entfernen, um rechtlichen Konsequenzen zu entgehen.

Fazit: KI in der Kunst

Der Fall von Mauricio Bustos zeigt, dass der Einsatz von KI wichtige Fragen aufwirft, die beantwortet werden müssen. Ich glaube, dass klare Regeln entwickelt werden müssen, um sowohl die Rechte der Künstler zu schützen als auch die kreativen Möglichkeiten von KI zu nutzen.

Diese Regelungen müssen sorgfältig zwischen den Interessen der Künstler, die ihre einzigartigen Stimmen und Werke schützen wollen, und den innovativen Ansätzen von Künstlern wie Mauricio Bustos, die die Grenzen der Technologie ausloten, abwägen. Nur durch eine solche ausgewogene, von Einzelfällen losgelöste, Gesetzgebung kann sich die Musikindustrie fair und zukunftsorientiert weiterentwickeln.

Die Entwicklung solcher Regelungen wird jedoch Zeit in Anspruch. Wird uns eine solche Gesetzgebung in Deutschland und Europa gelingen, oder werden wir mit voreiligen, unausgegorenen Regelungen den Status Quo zementieren und damit Innovationen behindern? Es bleibt spannend.

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Über den Autor

Carsten Lexa

Rechtsanwalt Carsten Lexa berät seit 20 Jahren Unternehmen im Wirtschafts-, Gesellschafts- und Vertragsrecht. Er ist Lehrbeauftragter für Wirtschaftsrecht, BWL und Digitale Transformation sowie Buchautor. Lexa ist Gründer von vier Unternehmen, war Mitinitiator der Würzburger Start-up-Initiative „Gründen@Würzburg”, Mitglied der B20 Taskforces Digitalisierung/ SMEs und engagiert sich als Botschafter des „Großer Preis des Mittelstands” sowie als Mitglied im Expertengremium des Internationalen Wirtschaftsrats. Er leitete als Weltpräsident die G20 Young Entrepreneurs´Alliance (G20 YEA). Bei BASIC thinking schreibt Lexa über Themen an der Schnittstelle von Recht, Wirtschaft und Digitalisierung.

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