Seit Ende Mai 2024 dürfen Tankstellen in Deutschland den vermeintlichen Öko-Diesel HVO100 verkaufen. Das Problem: Der Kraftstoff, der aus Fettresten und Pflanzenöl besteht, ist mitunter sogar schädlicher als normaler Diesel. Die Hintergründe.
Neuer Diesel-Kraftstoff: Was ist HVO100?
HVO steht für „Hydrotreated Vegetable Oils“. Dabei handelt es sich um erneuerbare Kraftstoffe, die unter die paraffinischen Dieselkraftstoffe fallen. Bei der Produktion sollen überwiegend Abfallstoffe wie alte Speisefette zum Einsatz kommen.
Diese Pflanzenöle werden durch eine katalytische Reaktion mit Wasserstoff in Kohlenwasserstoffe umgewandelt. Der Prozess sorgt dafür, dass beispielsweise alte Speisefette in ihren Eigenschaften an fossile Dieselkraftstoffe angepasst werden.
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Wenn HVO an Tankstellen zusätzlich die Nummer 100 trägt, bedeutet das, dass es sich um HVO in Reinform handelt. Er kann Dieselkraftstoffen aber auch beigemischt werden.
Zapfsäulen, an denen paraffinische Dieselarten wie HVO100 in Reinform angeboten werden, müssen zusätzlich die Bezeichnung XTL tragen. Die Abkürzung steht für „X To Liquid“. Heißt konkret: Ein beliebiges Ausgangsmaterial (X) wird in einen flüssigen Energieträger umgewandelt. Dabei kann es sich um verschiedene Rohstoffe handeln.
Wer darf HVO100 tanken?
Ein einheitliche XTL-Kennzeichnung an Tankstellen und im Tankdeckel soll sicherstellen, dass Autofahrer nicht den falschen Kraftstoff wählen. Um HVO100 tanken zu können, bedarf es eine Freigabe für die jeweiligen Modelle.
In Abstimmung mit den Fahrzeugherstellern hat die Deutsche Automobil Treuhand (DAT) eine offizielle Freigabeliste veröffentlicht. Autobesitzer sollten aber auch die Angaben im Tankdeckel und in der Bedienungsanleitung prüfen.
Der ADAC begrüßt die Einführung von HVO100 und rechnet damit, dass der neue Kraftstoff schrittweise an den Tankstellen eingeführt wird. Er soll Schätzungen zufolge bis zu 20 Cent teurer sein als herkömmlicher Diesel.
Aufgrund seiner vermeintlich besseren Klimabilanz fällt auf HVO-Diesel keine CO2-Steuer an. Der ADAC schreibt dazu: „In seiner Reinform (HVO100) senkt der Treibstoff die bilanziellen CO2-Emissionen von Dieselfahrzeugen um bis zu 90 Prozent gegenüber fossilem Diesel.“ Doch ist das wirklich so?
Ist der Öko-Diesel nur eine Scheinlösung?
Kritiker bezweifeln, dass die Klimabilanz von HVO100 tatsächlich so positiv ausfällt wie angegeben. Im Gegenteil: Laut Deutsche Umwelthilfe (DUH) handelt es sich bei dem Kraftstoff sogar um eine Scheinlösung, die kein Erfolg für den Klimaschutz sei.
Die DUH, der Deutsche Natruschutzring, Greenpeace, Robin Wood, Transport & Environment und der Deutsche Naturschutzbund (NABU) haben anlässlich der Einführung von HVO100 deshalb einen umfangreichen Faktencheck veröffentlicht. Das Ergebnis: vernichtend.
Der Deutschen Umwelthilfe zufolge berge der massenhafte Einsatz von altem Frittierfett, Palmöl-Nebenprodukten oder Tierfetten sogar ein hohes Betrugsrisiko. DUH-Bundesgeschäftsführer Jürgen Resch dazu: „Ein Kraftstoff, für den altes Frittierfett aus Asien um den halben Globus transportiert wird, um dann hier in Pkw-Verbrennungsmotoren verheizt zu werden, ist nicht nachhaltig“.
Die Herstellung von HVO erfordert außerdem Wasserstoff. In Deutschland wird dieser jedoch überwiegend aus fossilen Energieträgern gewonnen, was den angeblichen Öko-Diesel relativiert. Schlimmer noch: Der neue Kraftstoff kann Umwelt und Klima sogar erheblich schaden.
So funktioniert der Betrug mit HVO100
NABU-Bundesgeschäftsführer Leif Miller erklärte dazu: „Der Kraftstoff HVO100 wird von der Industrie gerne als rein abfall- und reststoffbasierter Sprit beworben. Ein Großteil der Ausgangsstoffe vom sogenannten „Bio“-Sprit stammt jedoch aus Monokulturen direkt vom Acker und verbraucht damit Flächen, die für die Nahrungsmittelproduktion genutzt werden könnten“.
Das sei „ein schwerwiegender Fehler, der Biodiversität, Klimaschutz und Industrie schadet und den Blick auf die eigentlichen Lösungen trübt“. Das Betrugsrisiko ist außerdem enorm. Asiatische Unternehmen jubeln Deutschland und Europa etwa Palmöl als Rohstoff für Biodiesel unter, da dieser nicht mehr auf die THG-Quote angerechnet wird.
Die Spur führt dabei häufig nach China. Dort wird klimaschädliches Palmöl oder HVO aus klimaschädlichem Palmöl schlichtweg umdeklariert und als HVO aus alten Speisefetten nach Deutschland verkauft. Der Masche stehen dabei Tür und Tor offen. Denn offenbar sind weder die Bundesregierung noch die EU-Kommission daran interessiert, etwas dagegen zu tun.
Der Grund: Alle EU-Länder haben sich darauf geeinigt, den Anteil von Biokraftstoffen zu erhöhen und den Ausstoß von Treibhausgasen (THG) im Verkehr zu reduzieren. Mangelnde Regulation hat sogar bereits dafür gesorgt, dass der EU frisches Sojaöl als altes Speiseöl verkauft wurde.
Obwohl Deutschland die Anrechenbarkeit von klimaschädlichem Palmöldiesel hierzulande beendet hat, stiegen Palmölmühlenrückstände in angeblichen Öko-Krafstoffen massiv an. Solche vermeintlichen Alternativen, die aus Rest- und Abfallstoffen bestehen sollen, sind deshalb eine ressourcenverschwendende Sackgasse.
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