Wirtschaft

Preisgestaltung mit Erfolg: Es geht nicht um Zahlen – sondern um Strategie

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unsplash.com/ Brett Jordan
geschrieben von Carsten Lexa

Für Unternehmen sind Produktpreise nicht nur eine Zahl, sondern ein zentrales Strategieelement. Für Start-ups kann eine strategische Preisgestaltung wiederum den Unterschied zwischen Erfolg und bloßem Überleben ausmachen. Über die Feinheiten der strategischen Preisgestaltung, ihrer Bedeutung und Strategien. 

Die Bedeutung strategischer Preisgestaltung

Für Start-ups geht die Preisgestaltung über die Deckung der Kosten und die Erzielung von Gewinnen hinaus. Sie ist ein wesentliches Instrument, um sich auf dem Markt zu positionieren, Qualität zu signalisieren und im Wettbewerb zu bestehen. Eine gut durchdachte Preisstrategie kann das gewünschte Wertversprechen eines Produkts oder einer Dienstleistung vermitteln, die richtigen Kundensegmente ansprechen und sogar die Marktwahrnehmung beeinflussen.

Theoretisches Grundverständnis nutzen

Das Verständnis verschiedener theoretischer Preisgestaltungskonzepte kann Start-ups helfen, einen strukturierten Ansatz für die Preisgestaltung zu finden. Die „Theorie der Preiselastizität“ hilft beispielsweise zu verstehen, wie sich Preisänderungen auf die Nachfrage nach Produkten oder Dienstleistungen auswirken können.


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Ähnlich hilft das Verständnis des „Economic Value to Customer“-Modells bei der Bestimmung des maximalen Preises, den ein Kunde aufgrund des wahrgenommenen Wertes zu zahlen bereit ist.

Preisgestaltung: Typische Strategien

Aus diesen Überlegungen wird klar, dass es nicht die eine Strategie zur Preisgestaltung gibt, sondern vielmehr verschiedene Strategien basierend auf unterschiedlichen Ausgangssituationen angewendet werden können.

Da jede dieser Strategien ihre eigenen Vor- und Nachteile hat, hängt die Anwendung von den Umständen und Rahmenbedingungen ab. Werfen wir also einen Blick auf gängige Strategien, die im Rahmen von Preisgestaltungen Anwendung finden:

  1. Penetrationsstrategie: Die Penetrationsstrategie zielt darauf ab, durch niedrige Einführungspreise schnell einen großen Kundenstamm aufzubauen und so Marktanteile zu gewinnen. Ein Beispiel hierfür ist Amazon. Bei der Einführung neuer Produkte oder Dienstleistungen, wie z.B. Amazon Echo, setzte Amazon zunächst niedrige Preise an, um schnell eine breite Nutzerbasis zu erreichen und den Markt, hier für intelligente Lautsprecher, zu dominieren. Langfristiges Ziel ist es, Kunden an das Ökosystem zu binden und später über den Verkauf von Dienstleistungen (z.B. Amazon Prime oder Amazon Music) zu monetarisieren. Das Risiko dieser Strategie liegt aber darin, dass sich die Kunden an die niedrigen Preise gewöhnen und eine Preiserhöhung negativ aufnehmen.
  2. Abschöpfungsstrategie: Die Abschöpfungsstrategie wird häufig bei innovativen Produkten angewandt, bei denen Unternehmen zunächst hohe Preise verlangen. Ein Beispiel ist hierfür Apple. Bei der Markteinführung neuer iPhone-Modelle setzt Apple regelmäßig hohe Preise an, um von der Zahlungsbereitschaft der technikbegeisterten und markentreuen Kunden zu profitieren. Diese Strategie nutzt den Vorteil der Produktneuheit und der damit verbundenen geringen Preiselastizität. Mit der Zeit und der Einführung neuer Modelle senkt Apple die Preise der älteren Modelle, um weitere Kundenschichten zu erreichen.
  3. Wertorientierte Preisgestaltung: Bei der wertorientierten Preisgestaltung werden die Preise auf Basis des wahrgenommenen Kundennutzens festgelegt. Ein gutes Beispiel dafür ist Tesla. Tesla hat sich nicht nur als Hersteller von Elektrofahrzeugen, sondern auch als Pionier für nachhaltige Mobilitätstechnologien positioniert. Kunden sind bereit, für Tesla-Fahrzeuge einen höheren Preis zu zahlen, nicht nur für die Fahrzeuge selbst, sondern auch für den damit verbundenen Status, die innovative Technologie und den Beitrag zum Umweltschutz. Dies ermöglicht Tesla eine Premium-Preisstrategie, die den hohen wahrgenommenen Wert widerspiegelt.
  4. Psychologische Preisgestaltung: Diese Art der Preisgestaltung nutzt die Tendenz der Kunden, Preise eher emotional als rational zu bewerten. Typisch ist dies im Einzelhandel, wo Preise oft knapp unter einer „runden“ Zahl festgelegt werden, z. B. 9,99 Euro statt zehn Euro. Diese Praxis, auch als „Charm Pricing“ bekannt, nutzt den psychologischen Effekt, dass Preise, die knapp unter einer runden Zahl liegen, als günstiger empfunden werden. IKEA beispielsweise setzt diese Art der Preisgestaltung regelmäßig ein, um den Wert seiner Produkte zu unterstreichen und den Eindruck von Kosteneffizienz zu vermitteln.

Dynamische Preisstrategien

In den letzten Jahren haben neuartige Entwicklungen, insbesondere der digitale Wandel und die vielfältigen Möglichkeiten der Datenanalyse, tiefgreifende Auswirkungen auf die Preisstrategien gehabt. Start-ups haben heute Zugang zu Daten, die dynamische Preismodelle ermöglichen, bei denen also Preise in Echtzeit auf der Grundlage von Nachfrage, Wettbewerb und Kundenverhalten angepasst werden können.

So ändern beispielsweise E-Commerce-Plattformen wie Amazon ihre Preise teilweise hundertfach am Tag auf der Grundlage von Algorithmen, die verschiedene Variablen bei der Preisgestaltung berücksichtigen.

Preisgestaltung von Start-ups; Strategische Überlegungen

Für Start-ups ist die Gestaltung einer Preisstrategie komplex. Es geht nämlich nicht nur darum, die Preise der Konkurrenten zu beobachten und zu unterbieten. Der Kern der strategischen Preisgestaltung liegt vielmehr in der Analyse des Wettbewerbsumfelds, dem Verständnis der eigenen Wertangebote und der Wertangebote der Wettbewerber und der Schaffung eines einzigartigen Marktsegmentes durch ein individuelles Preismodell. Wie sieht das aber in der Praxis aus?

Wettbewerbsanalyse

Eine Wettbewerbsanalyse ist mehr als nur die oberflächliche Betrachtung der Preise der Wettbewerber. Start-ups sollten vielmehr die folgenden beispielhaften Ebenen unter den Zahlen betrachten:

  • Welche Preismodelle verwenden die Wettbewerber?
  • Neigen die Wettbewerber zu Abonnementmodellen, zu einmaligen Zahlungen oder zu einem Freemium-Ansatz?

Die Antworten auf diese simplen Fragen sagen schon viel über die Geschäftsstrategie und den Zielmarkt der Wettbewerber aus. Ein Abonnementmodell kann beispielsweise darauf hindeuten, dass der Schwerpunkt auf langfristigen Kundenbeziehungen und einem stetigen Einkommensfluss liegt, während eine einmalige Zahlung Kunden ansprechen könnte, die einen Erwerb ohne laufende Verpflichtungen suchen.

Differenzierung durch Wertversprechen

Sobald die Preisgestaltungsstrategie der Wettbewerber bekannt ist, besteht der nächste Schritt darin, die eigene Preisstrategie zu differenzieren, um das einzigartige Wertversprechen des eigenen Start-ups hervorzuheben.

Diese Differenzierung könnte beispielsweise in Form von gebündelten Angeboten erfolgen, bei denen der kombinierte Wert Ihrer Produkte oder Dienstleistungen eine Alternative zu den Einzelprodukten der Wettbewerber darstellt.

Alternativ dazu kann die Einführung einer Preisstaffelung auf der Grundlage von Nutzung oder Funktionen ein breiteres Spektrum von Kunden ansprechen, die jeweils ein Paket finden, das ihren Bedürfnissen und ihrem Budget entspricht.

Preisgestaltung: Praxisbeispiele

Betrachten wir einige Beispiele für strategische Preisgestaltung in der Praxis:

  • Slack, die Messaging-Plattform für Unternehmen, hat erfolgreich ein Freemium-Preismodell als strategisches Instrument eingesetzt, um im Wettbewerb zu bestehen. Durch das Angebot einer kostenlosen, rudimentären, aber gut funktionierenden Version zieht Slack eine breite Nutzerbasis an. Nutzer, die darüber hinausgehende Funktionen wie eine bessere Sichtbarkeit von Nachrichten oder Integrationsoptionen benötigen, können dann auf kostenpflichtige Pakete umsteigen. Diese Strategie ermöglicht es den Nutzern, die Vorteile von Slack zu erleben, bevor sie sich finanziell engagieren.
  • Apple ist ein Paradebeispiel, wenn es um Innovation und hochwertige Produkte als Rechtfertigung für entsprechende Preisstrategien geht. Durch seine Premiumpreise verstärkt Apple die Wahrnehmung seiner Produkte als Luxusartikel, was für die Markenidentität von zentraler Bedeutung ist. Diese Strategie führt zu einem Marktsegment, das weniger preissensibel ist und sich stattdessen über den Wert und Status definiert, den die Produkte vermitteln.
  • Zappos, ein US-amerikanischer Online-Schuhhändler (und inzwischen Teil von Amazon), nutzt außergewöhnlichen Kundenservice als Teil seines Wertversprechens, um die entsprechenden Preise zu rechtfertigen. Durch die Konzentration auf die Kundenzufriedenheit kann Zappos eine Preisgestaltung beibehalten, die das hohe Serviceniveau widerspiegelt, einschließlich kostenloser Lieferung und 365 Tage Rückgaberecht, wodurch sich das Unternehmen von seinen Konkurrenten im E-Commerce abhebt.

Fazit: Erfolgreiche Preisgestaltung für Unternehmen

Strategische Preisgestaltung bedeutet für Unternehmen, insbesondere für Start-ups, weit mehr als nur die Festlegung von „Preiszahlen“. Sie ist ein entscheidender Faktor für den Markteintritt, die Positionierung und letztendlich den Erfolg. Effektive strategische Preisgestaltung erfordert ein tiefes Verständnis des Marktes, des Wettbewerbs und der eigenen Stärken und Werte. Die Wahl der konkreten Strategie muss sorgfältig auf die Unternehmensziele abgestimmt werden.

Der eigentliche Schlüssel zum Erfolg bei der Preisgestaltung liegt jedoch in der Fähigkeit, sich dynamisch anzupassen und Preismodelle zu wählen, die nicht nur den Wert des eigenen Angebots widerspiegeln, sondern auch und insbesondere den Kunden in den Mittelpunkt der Preisgestaltung stellen.

In einem zunehmend digitalisierten Marktumfeld, in dem Preisanpassungen in Echtzeit möglich sind, wird die strategische Preisgestaltung zu einem noch mächtigeren Instrument, um Wettbewerbsvorteile zu sichern und als Unternehmen zu wachsen. Für Start-ups bedeutet dies, dass die Preisgestaltung nicht nur eine Frage der Kostenkalkulation ist, sondern vielmehr eine strategische Entscheidung, die über den Erfolg in einem wettbewerbsintensiven Markt entscheiden kann.

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Über den Autor

Carsten Lexa

Rechtsanwalt Carsten Lexa berät seit 20 Jahren Unternehmen im Wirtschafts-, Gesellschafts- und Vertragsrecht. Er ist Lehrbeauftragter für Wirtschaftsrecht, BWL und Digitale Transformation sowie Buchautor. Lexa ist Gründer von vier Unternehmen, war Mitinitiator der Würzburger Start-up-Initiative „Gründen@Würzburg”, Mitglied der B20 Taskforces Digitalisierung/ SMEs und engagiert sich als Botschafter des „Großer Preis des Mittelstands” sowie als Mitglied im Expertengremium des Internationalen Wirtschaftsrats. Er leitete als Weltpräsident die G20 Young Entrepreneurs´Alliance (G20 YEA). Bei BASIC thinking schreibt Lexa über Themen an der Schnittstelle von Recht, Wirtschaft und Digitalisierung.