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Textinzest: Was passiert, wenn es immer mehr KI-Texte im Internet gibt?

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Adobe Stock/robsonphoto
geschrieben von Carsten Lexa

Große Sprachmodelle wie ChatGPT sind aktuell die maßgeblichen Hilfsmittel für die Generierung von KI-Texten. Ein aufkommendes Problem in diesem Bereich ist jedoch das Phänomen des „Textinzests“ – ein Begriff, der die zyklische Verwendung von KI-generiertem Text als Trainingsmaterial für diese Modelle beschreibt. Im Folgenden will ich mich mit diesem Problem auseinandersetzen.

Sprachmodelle werden mit großen Datensätzen von Menschen geschriebener Texte trainiert, die aus einer Vielzahl von Quellen wie Büchern, Artikeln und Webseiten stammen. Durch dieses Training sind sie in der Lage, Texte zu erzeugen, die in Syntax, Kontext und Kreativität menschlichen Texten sehr ähnlich sind.

Textinzest bei KI-Sprachmodellen: Hintergrund des Problems

Mit der zunehmenden Verbreitung dieser Modelle wird das Internet jedoch immer mehr mit KI-generierten Inhalten durchsetzt. Werden diese Inhalte nun als Trainingsdaten wiederverwendet, entsteht eine Art „Rückkopplungsschleife“, die als „Textinzest“ bezeichnet wird.


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Dieser Begriff bezieht sich metaphorisch auf den biologischen Inzest, bei dem genetische Informationen in einem geschlossenen Kreislauf recycelt werden, was zu geringerer Vielfalt und größerer Anfälligkeit führt.

Input ist gleich Output: Der selbstreferenzielle Kreislauf bei KI-Texten

Der Kern des Textinzests liegt in dem selbstreferenziellen Kreislauf, in dem ein Sprachmodell mit seinem eigenen Output trainiert wird. Dieser Kreislauf kann zu verschiedenen Problemen führen:

  1. Erzeugung von Echokammern: Wenn ein Sprachmodell ständig mit den von ihm selbst erzeugten Inhalten trainiert wird, kann es zu einer Echokammer werden, in der seine bestehenden Vorurteile und Muster verstärkt werden. Das könnte die Vielfalt der Sprache und des „Denkens“ in den Ergebnissen einschränken.
  2. Schwächung von Kreativität und Neuartigkeit: Eines der herausragenden Merkmale der menschlichen Sprache ist ihr evolutionärer Charakter, der durch Kreativität und Neuartigkeit gekennzeichnet ist. Sprachmodelle, die im Textinzest „gefangen“ sind, laufen Gefahr, eingefahrene und vorhersehbare Ergebnisse zu produzieren, denen gerade die dynamische Entwicklung fehlt, die in der menschlichen Sprache zu beobachten ist.
  3. Verstärkung von Fehlern: Wenn ein Sprachmodell versehentlich sachlich falsche oder voreingenommene Inhalte erzeugt und diese Inhalte für das weitere Training verwendet werden, können sich diese Ungenauigkeiten mit der Zeit verstärken, was zu einer Abnahme der Zuverlässigkeit des Modells führt.

KI-Textinzest: Auswirkungen des Problems

Die Folgen von Textinzest zeigen sich zunächst bei der Frage nach der Verlässlichkeit von Informationen. Die zunehmende Verbreitung von KI-generierten Inhalten, die möglicherweise ungenau sind, birgt die Gefahr der Verbreitung von Fehlinformationen.

Dieses Risiko ist besonders besorgniserregend, da es direkte Auswirkungen auf Bereiche wie Bildung, Journalismus und den öffentlichen Diskurs haben kann. Falsche oder irreführende Informationen, die durch solche KI-Systeme verbreitet werden, könnten weitreichende Folgen für die Informationsqualität und das Vertrauen in digitale Medien haben.

Ein weiteres Thema ist die Stagnation der Sprachentwicklung. Gerade Sprache, die sich durch Dynamik auszeichnet und stark von kulturellen, sozialen und historischen Faktoren beeinflusst wird, könnte durch „Sprachmodelle im Textinzest“ beeinträchtigt werden.

Wenn ein Sprachmodell ständig auf seine eigenen früheren Ergebnisse zurückgreift, besteht die Gefahr, dass es sich von der natürlichen Entwicklung und Vielfalt der menschlichen Sprache entfernt. Das könnte nicht nur zu einer Verarmung der sprachlichen Vielfalt führen, sondern auch dazu, dass die von dem Modell erzeugten sprachlichen Ergebnisse zunehmend veraltet und irrelevant erscheinen.

KI: Ethische und soziale Folgen von Textinzest

Schließlich werfen ethische und soziale Überlegungen im Zusammenhang mit „Textinzest“ Fragen auf. Die zunehmende Homogenisierung von Sprache und Denken durch Sprachmodelle stellt uns vor die Herausforderung, die Rolle der Künstlichen Intelligenz bei der Prägung öffentlicher Meinungen und kultureller Normen neu zu bewerten.

Diese Entwicklung könnte tiefgreifende Auswirkungen auf unsere Gesellschaft haben, da sie nicht nur die Art und Weise beeinflusst, wie wir kommunizieren, sondern auch, wie wir denken und unsere Welt verstehen. Vor diesem Hintergrund wird die Notwendigkeit einer ethischen Reflexion und Regulierung von KI-Technologien deutlich, um sicherzustellen, dass sie im Einklang mit den Werten und Normen einer Gesellschaft stehen.

Hypothetische Szenarien zur Verdeutlichung

Da diese Ausführungen sehr abstrakt klingen, will ich sie anhand einiger hypothetischer Szenarien veranschaulichen. Zudem soll ein Kontext zwischen den Ausführungen und möglichen Fragen entstehen. Diese Szenarien sollen aufzeigen, wie Sprachmodelle die Entwicklung in verschiedenen Bereichen, in denen Sprache und Texte eine wichtige Rolle spielen, negativ beeinflussen könnten, wenn sie sich im Textinzest befinden.

Betrachten wir zunächst die Nachrichtengenerierung. Stellen wir uns ein Sprachmodell vor, das seine eigenen, von der KI generierten Nachrichtenartikel zum Training nutzt. Ein solches Modell könnte in einen Zustand geraten, in dem es beginnt, sich wiederholende Inhalte zu produzieren.

Denkt man dieses Szenario weiter, so besteht die Möglichkeit, dass sich diese Inhalte zunehmend von den aktuellen Ereignissen abkoppeln. Das könnte letztlich zu einem verzerrten und möglicherweise irreführenden Bild der Realität führen.

Auswirkungen in Forschung und kreativem Schreiben

Ein weiteres hypothetisches Beispiel betrifft die akademische Forschung. In einem Szenario, in dem Sprachmodelle KI-generierte wissenschaftliche Arbeiten zum Training nutzen, könnten neue Forschungsergebnisse auf der Grundlage ungeprüfter und möglicherweise falscher Interpretationen durch KI entstehen. Das könnte einen Teufelskreis in Gang setzen, in dem die akademische Integrität und die Qualität wissenschaftlicher Erkenntnisse aufgrund fehlerhafter oder verzerrter Daten leidet.

Schließlich möchte ich das kreative Schreiben ansprechen, das natürlich auch in meinen Artikeln und Kolumnen eine wichtige Rolle spielt. Hier könnte eine übermäßige Nutzung von KI-Texten zu einer Homogenisierung von literarischen Stilen und Themen führen.

Eine solche Entwicklung würde nicht nur die Vielfalt und Breite literarischer Ausdrucksformen einschränken, sondern könnte auch dazu beitragen, Innovation und Kreativität im Bereich des kreativen Schreibens zu unterdrücken.

So lässt sich das Risiko von Textinzest in großen KI-Sprachmodellen minimieren

Wie kann man nun mit dem Risiko von Textinzest in Sprachmodellen umgehen? Aufgrund der Komplexität und Vielschichtigkeit von Sprache und der Vielzahl von Faktoren, die auf Sprache einwirken, gibt es meiner Meinung nach nicht nur eine Strategie zur Vermeidung von Textinzest. Vielmehr wird es notwendig sein, mehrere proaktive Strategien anzuwenden.

Ein zentraler Ansatz zur Vermeidung von Textinzest ist die Diversifizierung der Trainingsdatenquellen. Die Einbeziehung von Texten verschiedener Kulturen, Sprachen und Fachgebieten aus menschlicher Feder führt zu einer größeren Vielfalt des sprachlichen Inputs. Diese Vielfalt verhindert, dass das Sprachmodell zu einer Echokammer seiner eigenen Ergebnisse wird.

Ein weiterer wichtiger Ansatz ist die regelmäßige Aktualisierung der Trainingsdatensätze mit aktuellen, realen Texten. Dadurch bleiben die Sprachmodelle an die Entwicklung der menschlichen Sprache und an gesellschaftliche Veränderungen angepasst.

Außerdem ist es erforderlich, menschliche Supervision einzubeziehen. Linguist:innen, Expert:innen und Ethiker:innen im Trainingsprozess helfen, Verzerrungen, Ungenauigkeiten und ethische Bedenken in den Modellergebnissen zu erkennen und zu korrigieren.

Weiter können Feedback-Mechanismen wesentlich zur Verbesserung der Modelle beitragen. Sie ermöglichen es den Nutzer:innen, Fehler oder Verzerrungen in KI-generierten Inhalten zu melden und schaffen so eine Feedbackschleife, die zur kontinuierlichen Verbesserung der Sprachmodells beiträgt.

Modellübergreifendes Training

Modellübergreifendes Training und Benchmarking ist darüber hinaus essentiell. Hierbei werden Sprachmodelle nicht nur anhand ihrer eigenen Ergebnisse, sondern auch anhand der Ergebnisse anderer Modelle trainiert und ihre Leistung mit von Menschen erstellten Benchmarks verglichen, um die Vielfalt und Zuverlässigkeit von KI-Texten zu erhöhen.

Die Entwicklung und Einhaltung von ethischen Richtlinien und Standards für Sprachmodelle spielt außerdem eine besonders entscheidende Rolle. Denn diese gewährleistet einen verantwortungsvollen Einsatz von KI, insbesondere in sensiblen Bereichen wie der Nachrichtenproduktion und der akademischen Forschung.

Schließlich ist die Aufrechterhaltung von Transparenz im Umgang mit KI unerlässlich. Transparenz in Bezug auf die Quellen und Methoden, die im Training von Sprachmodellen zum Einsatz kommen, fördert das Vertrauen und ermöglicht eine externe Überprüfung der Qualität und Unparteilichkeit. Das ist für die Integrität und Zuverlässigkeit von KI von entscheidender Bedeutung ist.

Fazit: Textinzest bei KI-Sprachmodellen

Das Phänomen des sogenannten Textinzestes in großen Sprachmodellen wie ChatGPT, das durch die Verwendung von KI-Texten als Trainingsmaterial für Sprachmodelle gekennzeichnet ist, führt zu einer Rückkopplungsschleife, die die Vielfalt und Genauigkeit der KI-Texte beeinträchtigt.

Das birgt Risiken wie die Entstehung von Echokammern, den Verlust von Kreativität und die Verstärkung von Fehlern, was sich wiederum negativ auf die Zuverlässigkeit von Informationen und die Sprachentwicklung auswirken kann. Hinzu kommen ethische Bedenken hinsichtlich der Rolle von Sprachmodellen in der Gesellschaft.

Um diese Risiken zu minimieren, sind Strategien wie die Diversifizierung der Trainingsdatenquellen, regelmäßige Aktualisierungen mit aktuellen Texten, menschliche Aufsicht, Feedbackmechanismen und ethische Richtlinien erforderlich. Darüber hinaus ist die Transparenz der Trainingsmethoden wesentlich, um Vertrauen und die Sicherung der Qualität zu gewährleisten. Diese Maßnahmen können entscheidend sein, um die Integrität und Vielfalt von KI-Texten zu erhalten.

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Über den Autor

Carsten Lexa

Rechtsanwalt Carsten Lexa berät seit 20 Jahren Unternehmen im Wirtschafts-, Gesellschafts- und Vertragsrecht. Er ist Lehrbeauftragter für Wirtschaftsrecht, BWL und Digitale Transformation sowie Buchautor. Lexa ist Gründer von vier Unternehmen, war Mitinitiator der Würzburger Start-up-Initiative „Gründen@Würzburg”, Mitglied der B20 Taskforces Digitalisierung/ SMEs und engagiert sich als Botschafter des „Großer Preis des Mittelstands” sowie als Mitglied im Expertengremium des Internationalen Wirtschaftsrats. Er leitete als Weltpräsident die G20 Young Entrepreneurs´Alliance (G20 YEA). Bei BASIC thinking schreibt Lexa über Themen an der Schnittstelle von Recht, Wirtschaft und Digitalisierung.