Jugendliche entscheiden sich wieder vermehrt für Ausbildungen. Und dabei wird immer öfter mit klassischen Rollenbildern gebrochen, denn technische Berufe werden attraktiver. Wir werfen einen Blick auf Deutschland und Österreich.
Wer es im Leben zu etwas bringen will, der lernt etwas. Und je höher die Ausbildung, desto höher das Ansehen in der Gesellschaft. Lange Zeit schien diese Aussage Allgemeingültigkeit zu haben. Die Folge: Die Anzahl jener jungen Menschen, die sich für eine Ausbildung bzw. Lehre entschieden, sank kontinuierlich.
Während in Deutschland 1980 noch über 1,7 Millionen Personen eine Ausbildung absolvierten, waren es 1990 nur noch 1,4 Millionen. 2020 sank die Zahl weiter – auf unter 1,3 Millionen Auszubildende. In Österreich sieht die Situation ähnlich aus: Gab es 1980 etwa noch knapp 200.000 Lehrlinge, so waren es 1990 nur noch 146.000.
Und 2021 erreichte die Zahl mit 107.593 einen noch nie dagewesenen Tiefstand. Doch seit ein paar Monaten scheint sich eine Trendwende zu entwickeln: Die Lehre bzw. Ausbildung gewinnt wieder an Bedeutung.
Ausbildung und Abitur als unschlagbares Kombipaket
Was dabei auffällt: Immer mehr junge Menschen setzen auf Berufsausbildungen, bei denen sie auch das Abitur machen können: In Deutschland ist seit vielen Jahren ein bestimmter Vorwurf aus Politik und Wirtschaft zu vernehmen: Deutschland brauche dringend mehr Dachdecker und Lokführer, doch die jungen Menschen gehen lieber an die Uni, um BWL oder Germanistik zu studieren. Es war gar von einer „Überakademisierung“ oder einem „Akademisierungswahn“ die Rede und Handwerkspräsident Hans Peter Wollseifer forderte 2022 sogar eine „Bildungswende“, um dem Fachkräftemangel entgegenzuwirken.
Doch der aktuelle „Ausbildungsmonitor“ des Forschungsinstituts für Bildungs- und Sozialökonomie (FiBS), der im Auftrag der Bertelsmann Stiftung erstellt wurde, bringt nun ganz andere Zahlen ans Licht: Demnach entscheidet sich eine wachsende Zahl an Abiturienten für eine Berufsausbildung.
In konkreten Zahlen: Der Anteil all jener, die mit Abitur eine duale oder schulische Ausbildung in Angriff nehmen, ist in den letzten zehn Jahren von 35 auf über 47 Prozent gestiegen. Von einer mangelnden Attraktivität der Berufsausbildung könne laut Dieter Dohmen von FiBS daher keine Rede sein.
In Österreich entscheiden sich bereits 20 Prozent für die Kombination aus Lehre und Matura. Die Prüfung inkludiert dabei die Fächer Deutsch, Englisch, Mathematik und einen weiteren Fachbereich.
Berufsausbildung auf dem zweiten Bildungsweg
Weil sich immer mehr Menschen für eine Lehre bzw. Ausbildung nach dem Abitur bzw. der Matura entscheiden, steigt auch das Durchschnittsalter. Insgesamt bessert sich das Image der Ausbildung langsam.
So habe etwa laut dem Vorstandsvorsitzenden des österreichischen Luftfahrtzulieferers FACC zirka ein Fünftel bis ein Viertel jener zwölf bis 15 Lehrlinge, die jährlich aufgenommen werden, mittlerweile eine AHS-Matura – und ist somit bereits mindestens 18 Jahre alt. Hinzu kommen laut der Buchhandelskette Thalia, die pro Jahr im Schnitt 30 neue Lehrlinge unter Vertrag nimmt, auch immer mehr Studienabbrecher.
Technik begeistert Männer wie Frauen
Und noch eine Entwicklung ist auffallend: Das Interesse an technischen Berufen steigt – nicht zuletzt durch Initiativen wie den österreichischen „Girl’s Day“. Die Folge: Auch immer mehr Frauen wählen einen technischen Lehrberuf. 2002 zählten beispielsweise in Österreich noch folgende Berufe zu den beliebtesten Lehrberufen bei den Frauen: Einzelhandel, Friseurin und Perückenmacherin, Bürokauffrau, Köchin, Restaurantkauffrau, Hotel- und Gastgewerbeassistentin, Pharmazeutisch-kaufmännische Assistenz, Blumenbinderin und -händlerin und Konditorin.
2013 tauchte dann erstmals Metalltechnik in dieser Liste auf und ist mittlerweile bereits auf den sechsten Platz vorgerückt. In Vorarlberg befindet sich der Lehrberuf Metalltechnikerin sogar auf Rang drei und hat damit die Friseurin vom Stockerl verdrängt. Auch in Deutschland gibt es unterschiedliche Initiativen, um mehr Frauen für den MINT-Bereich zu begeistern, wie zum Beispiel die MINT-Schnuppertage in Schweinfurt.
Abschluss unkompliziert nachholen
Althergebrachte Strukturen und Konventionen rücken also immer mehr in den Hintergrund. Und auch das Nachholen eines Lehrabschlusses ist mittlerweile kein Problem mehr. In Deutschland kann der Abschluss per Nachqualifizierung oder Umschulung nachgeholt werden. Die Externenprüfung für Personen mit Berufserfahrung wird von den für die Berufsbildung zuständigen Stellen durchgeführt. Das sind Industrie- und Handelskammern, Handwerkskammern und Landwirtschaftskammern. Je nach Bundesland gibt es hier unterschiedliche Zuständigkeiten. Es ist also ratsam, sich vorab zu informieren.
In Österreich haben sich Berufsförderungsinstitute wie das BFI OÖ auf Weiterbildung spezialisiert und begleiten Erwachsene bis zum Abschluss. Wurde etwa bisher keine oder nur ein Teil der Lehrausbildung absolviert, so kann der formale Bildungsabschluss dort nachgeholt werden. Und das sogar in verkürzter Lehrzeit dank entsprechenden Vorbereitungslehrgängen und modularen Ausbildungsmöglichkeiten.