Gehst du immer in dieselbe Pizzeria oder probierst du auch mal eine neue aus? Arbeitest du jeden Tag nach Schema F oder bist du auch offen für neue Ansätze? Ich befürchte, ein Großteil der Deutschen würde jetzt sagen: Was man kennt, kennt man. Was man hat, hat man. Lieber nichts riskieren, dann kann auch nichts schief gehen. Oder einfach: German Angst.
Deutschland, das Land der Erfinder. Wer kennt diese Bezeichnung nicht und wer ist nicht stolz darauf sagen zu können, ein Produkt sei Made in Germany. Doch das war einmal.
Auch wenn die Geschichte viele deutsche Pioniere kennt – von Daimler über Nixdorf bis Gutenberg und Siemens – wo sind sie heute? Und was bremst unseren Tatendrang und unsere Offenheit für Innovation aus? Immer wieder begegnet mir eine Zurückhaltung gegenüber dem Neuen, eine defensive Art, ja – eine Abwehrhaltung. Ich befürchte es gibt sie wirklich: die German Angst.
German Angst: Wohin ist der Erfindergeist?
Liegt es am Erfindergeist selbst, dass wir in Sachen neue Technologien abgehängt worden sind? Gibt es ihn einfach nicht mehr, den Tüftler? Ich denke das ist nicht der Grund. So viele junge, kreative und einfallsreiche Menschen kommen aus der Schule oder verlassen die Uni voller Tatendrang.
Doch an einem gewissen Punkt ist die vermeintlich sichere und vielleicht entspanntere Festanstellung wohl attraktiver als das Risiko das eigene Ding zu machen. Ich frage mich, wird das „Spießertum“ von der Elterngeneration gefordert?
Wird die Lust auf eine eigene Unternehmung oder Entwicklung im Freundeskreis gebremst? Oder liegt es an fehlender Unterstützung aus der Politik?
Politik: Wahlkampf vs. Realität
Während der Wahlperiode versprechen Politiker grundsätzlich erstmal alles, was die Bevölkerung hören möchte. Natürlich auch die Buzzwords wie „Digitalisierung“ oder „Transformation“. Doch wenn es darum geht, Weichen zu stellen für eine grundlegende Änderung im System, deren Umsetzung vielleicht auch mal mehr als nur vier Jahre benötigt, tritt plötzlich die große Zögerlichkeit ein.
Es gibt keine Ergebnisse in der eigenen Regierungszeit zu sehen, sondern potenziell erst in der Phase einer folgenden Regierung? Dann wird es nicht gemacht. Als Bürger gewinnt man sehr schnell den Eindruck, dass alles worum es hier geht, das Wiedergewählt werden ist.
Also setzen wir halt auf schnell schnell, statt auf langfristige Lösungen für eine innovative Zukunft. Junge Menschen gründen nicht mehr, bestehende Unternehmen wandern ab, aber ein Umfeld schaffen, welches Deutschland als Innovationsstandort attraktiv macht? Leider Fehlanzeige.
Passierschein 38: Der deutsche Verwaltungsapparat
Diese Abteilung bremst aus meiner Sicht dann noch das letzte bisschen Motivation und Freude am Neuen. O-Ton: „Das hat es noch nie gegeben, das gibt es nicht, das genehmigen wir nicht.“ Wie soll hier eine Entwicklung möglich sein?
Wenn Entscheidungen getroffen werden müssen, dann ist keiner mehr da.
Der oder die Zuständige ist im Urlaub, im Homeoffice, auf jeden Fall nicht zu erreichen. Manchmal kommt man sich im Umgang mit unseren Behörden vor, wie auf der Suche nach Passierschein A38. Da vergeht selbst mir die Lust und so ist es kein Wunder, dass unerfahrenere Gründerinnen oder Gründer, gar nicht erst anfangen wollen.
Die Mutigen gehen lieber in die USA, wo Genehmigungsverfahren deutlich kürzer und unkomplizierter sind, wo es Gelder und Kapital gibt und wo, zumindest in einigen Regionen, die Stimmung pro Innovation ist.
German Angst: Wieso diese Gleichgültigkeit?
Woran liegt das? Angst bedeutet ein mit Beklemmung, Bedrückung, Erregung einhergehender Gefühlszustand (angesichts einer Gefahr); ein undeutliches Gefühl des Bedrohtseins.
Fühlen sich die Menschen, die sich heute so gegen Elektromobilität stellen und deren Glaubenssatz lautet „das wird sowieso nichts“, wirklich bedroht? In diesem Falle würde ich eine Konfrontationstherapie empfehlen. Fahrt einmal einen Monat ein E-Auto. Entscheidet euch bei der nächsten Möglichkeit einfach mal für die neue Variante.
Und findet heraus was passiert. Was soll schief gehen? Diese Herangehensweise bringt Erfahrung, öffnet neue Perspektiven und lässt endlich einen Diskurs zu. Denn auch die „Ängstlichen“ wissen dann wovon sie sprechen und müssen sich nicht mehr auf ihre dumpfen Sorgen zurückziehen.
Blicken wir heute auf die Menschen zurück, die glaubten die Erde sei eine Scheibe und man dürfe ja nicht zu nah an den Horizont herankommen, dann lachen wir. Aber seien wir ehrlich, wir sind gerade nicht besser, als die Zweifler von damals. Wir wollen ebenfalls kein Risiko-eingehen – und verbauen uns damit die Chancen auf wunderbare Erlebnisse.
Lasst uns das Kolumbus-Gen wieder in uns erwecken. Und sei es zu Beginn durch die kleinsten Dinge im Alltag. Lasst uns eine neue, bessere Pizza finden. Lasst uns unerwartete schöne Gegend entdecken und verdammt nochmal lasst uns neue Chancen ergreifen!
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