Wirtschaft

Brandbrief: Ein Aufschrei aus der Start-up-Szene

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Unsplash.com/ Oleg Laptev
geschrieben von Carsten Lexa

Deutschland ist nicht so innovativ, wie es sein könnte oder sogar müsste. Eine Stärkung von Start-ups würde einen entscheidenden Schub bringen. Das finden zumindest ein paar der wichtigsten Köpfe der deutschen Start-up-Szene und haben ihren Forderungen in einem Brandbrief an die Regierung Ausdruck verliehen.

Die Wirtschaft hat allgemein einen schweren Stand in Deutschland. Das Ansehen von Unternehmer:innen ist nicht besonders hoch. Scheitern gilt als persönlicher Todesstoß und Gründer:innen werden bestenfalls interessiert aus der Ferne begutachtet, ansonsten aber eher belächelt. Nun haben sich 15 gewichtige Stimmen aus der deutschen Start-up-Szene zu Wort gemeldet.

Deutschland ist kein Gründerland

Deutschland ist kein Land der Gründer, eher ein Land der Angestellten mit Vollkaskomentalität und Rundumversorgung durch den Staat. Dabei ist klar, dass nur Innovationen dafür sorgen werden, dass Deutschland nicht den Anschluss an Länder wie China und die USA, aber auch an Südkorea oder Japan verliert, zumindest wenn es um Wirtschaft und Technologie geht.


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Schlechte Rahmenbedingungen für Innovationen

Jedoch sind die Rahmenbedingungen in unserem Land nicht optimal. Und das sage nicht nur ich, sondern das belegt auch eine Vielzahl von Statistiken, sei es im Hinblick auf Innovationen, Digitalisierungsgrad oder singuläre Dinge wie die Internetgeschwindigkeit.

All diese Faktoren spielen aber im Hinblick auf die digitale Transformation der Wirtschaft eine gravierende Rolle. Und was Innovationen angeht, so kommen diese zwar auch von großen mittelständischen Unternehmen und Konzernen.

Was jedoch Geschwindigkeit angeht, sowohl bei der Ideenfindung als auch bei der Umsetzung, da sind es Gründer:innen und ihre jungen Unternehmen, die den Takt vorgeben. Damit das jedoch funktioniert, kommt es auf die Rahmenbedingungen an. Und hier liegt vieles im Argen.

Start-ups: Die Probleme sind seit langem bekannt

Das hat erst wieder der 10. Deutsche Start-up Monitor bestätigt, über den ich in der vergangenen Woche geschrieben habe. In diesem werden, wie schon in den Jahren davor, die drängendsten Probleme aufgezeigt, die nicht angegangen werden: zu viel Bürokratie, zu wenig Unterstützung bei der Anwerbung von ausländischen Fachkräften und zu wenig Anreize für Investments.

Hinzu kommt noch die aktuell schwache Ausgestaltung von Möglichkeiten bei der Mitarbeiterbeteiligung mit insbesondere negativen steuerlichen Folgen, die teilweise zu Steuerpflichten führen, obwohl Mitarbeitern gar keine Einnahmen erzielen.

Es nervt, wenn Jahr für Jahr die Missstände aufgezeigt werden, sich aber nichts tut. Und es nervt noch mehr, wenn eine neue Bundesregierung als „Fortschrittskoalition“ antritt, dann aber nicht wirklich was kommt und die angestoßenen Initiativen zwar mit Fanfaren verkündet werden, aber inhaltlich wenig Substanz aufweisen und das klar wird, ohne dass man dazu genau hinschauen muss.

Brandbrief aus der Star-up-Szene an die Bundesregierung

Deshalb haben nun ein paar der herausragendsten Köpfe der deutschen Start-up-Szene einen Brief an die Bundesregierung, unter anderem an die Bundesminister Habeck und Lindner geschrieben.

Darunter: Personio-Gründer Hanno Renner, Delivery-Hero-Gründer Niklas Östberg, Flixbus-Gründer Jochen Engert und Julia Bösch, Outfittery-Mitgründerin. In dem Brief benennen sie die Probleme, die die Start-up-Szene beschäftigen und beispielsweise zu einem Rückgang der Gründungsaktivitäten um 30 Prozent geführt haben.

Start-up-Szene: Ein Brief mit wichtigem Inhalt

Und dieser Brief hat es in sich. Nicht, weil die Unterzeichner:innen so viele Punkte ansprechen oder weil diese Punkte so neu sind, sondern weil sie mit ihren Forderungen den Finger in die Wunde legen und persönlich zeigen, was schief läuft und wie einfach die Lösungen aussehen könnten.

Schwache Möglichkeiten der Mitarbeiterbeteiligung

So müssen die Möglichkeiten der Mitarbeiterbeteiligung gestärkt und insbesondere einfach umsetzbar sein. Die bisherigen Bedenken, dass durch diese Löhne gedrückt werden könnten, zeigt ein typisches arbeitnehmerfreundliches Denken. Mitarbeiter:innen bei Start-ups werden dort nämlich regelmäßig deshalb tätig, weil sie es wollen.

Insbesondere in der aktuellen Lage, in der überall Mitatbeiter:innen fehlen, können die sich auch andere Jobs suchen. Wenn sie zu einem Start-up gehen, dann unter Kenntnis des Risikos, dass am Anfang der Verdienst vielleicht niedrig ist, aber die berechtigte Hoffnung auf mehr zu einem späteren Zeitpunkt besteht.

Warum unser Land nicht Mitarbeitern zutraut, diese Entscheidung eigenverantwortlich zu treffen, ist mehr als unverständlich.

Anziehung von Arbeitskräften aus dem Ausland

Sodann wird angemahnt, dass es viel einfacher werden muss, Arbeitskräfte aus dem Ausland beschäftigen zu können. Diese Forderung wird vor dem Hintergrund der digitalen Transformation, die derzeit alle wirtschaftlichen Bereiche erfasst, um so drängender.

Denn Start-ups suchen nicht nur in dem Ort, in den sie ihren Sitz haben, nach Mitarbeitern, sondern landes- und weltweit. Sie haben insbesondere verstanden, dass Diversifikation über verschiedene Kulturen, Sprachen und Ländern ihnen Vorteile bringt – und das vergrößert mögliche Talentpools.

Deutschland kann selbst den Bedarf an Fachkräften nicht decken. Moderne Visabedingungen sind deshalb ein muss, nicht nur um zukünftig Talente anzuziehen, sondern auch um nur den aktuellen Bedarf zu decken.

Start-up-Szene: Investoren stärken

Und auch das Anziehen von externem Kapitel ist eine nicht neue, aber wichtige Forderung. Deutsche Start-ups sind schlecht ausgestattet, was Wachstumskapital angeht. Insbesondere muss deshalb die Finanzierung leichter und für Investoren attraktiver werden. Denn wer Investitionen will, der muss größer denken als mit Investments von 50.000 oder 100.000 Euro.

Deutsche Start-ups stehen nicht im Wettbewerb mit anderen deutschen Unternehmen, sondern mit Unternehmen weltweit. Und diese sind finanziell einfach besser ausgestattet und können so schneller wachsen. Damit deutsche Start-ups mithalten können, müssen Investments einfacher werden und lohnender, auch in steuerlicher Hinsicht.

Bei einer Forderung in diesem Zusammenhang bin ich jedoch vorsichtig: die Unterzeichner:innen fordern, dass Versicherer und Rentenkassen einfacher in Risikokapitalfonds investieren können sollen. Jedoch sollte man beachten, dass dieser Vorschlag zu pauschal ist.

Denn diese Arten von Investoren sind auf sichere und berechenbare Renditen angewiesen, was bei Start-ups nicht gegeben ist. Um „sichere“ Investments tätigen zu können, würde es spezielle Expertise benötigen, die woanders besser aufgehoben wäre: in starken privaten Investment-Fonds, die beispielsweise als Partner von öffentlichen Einrichtungen verstärkt in Start-ups investieren, vielleicht sogar an der Seite von privaten Investoren.

Dies zu stärken würde wohl mehr Sinn machen aus meiner Sicht, als Rentenkassen die Möglichkeit zu gewähren, in risikobehaftete Unternehmen zu investieren.

Brandbrief: Berechtigte Forderungen, die Innovationen im Blick haben

Nun könnte man diese Forderungen abtun als Positionen, die nicht nur altbekannt, sondern auch durch deren jahrelange Wiederholung langweilig sind. Doch das wäre ein großer Fehler. Denn inzwischen wird immer klarer, dass Deutschland den Anschluss an die Welt insbesondere insbesondere mit Blick auf die digitale Entwicklung verliert. In Europa liegt Deutschland aktuell beispielsweise nur auf Platz 13, nach Platz 11 im Jahr 2021.

Und auch wenn Deutschland noch als innovativ gilt, so verschlechtern sich sogar die politischen und wirtschaftlichen Rahmenbedingungen. Das sehen natürlich auch die Bürgerinnen und Bürger, wenn sie im Ausland Dienste wie Uber nutzen, Zahlungen unproblematisch überall mit dem Handy durchführen oder Behörden selbstverständlich online ansprechen können und all das in Deutschland nicht möglich ist, weil das Denken in Besitzständen jede Neuerung schon im Keim erstickt.

Fazit: So steht es um die deutsche Start-up-Szene

Darüber hinaus beziehen sich die Forderungen zwar explizit auf Start-ups, sollten aber in einem größeren Kontext gesehen werden. Die Wirtschaft allgemein in Deutschland klagt über zu starke Bürokratie, zu großen Fachkräftemangel und zu wenig Investitionsmöglichkeiten.

Hier Änderungen herbeizuführen, die vielleicht auf Start-ups zielen, aber allgemein die Wirtschaft stärken, wird dafür sorgen, dass der Wachstumsmotor Deutschland nicht noch mehr stottert. Das ist dann nicht nur gut für Europa, sondern auch für die hiesigen Arbeitnehmer:innen. Bundesfinanzminister Lindner hat schon als Reaktion auf den Brief angekündigt, für Erleichterungen zu sorgen, insbesondere war die Mitarbeiterbeteiligung angeht.

Es bleibt zu hoffen, dass hier nicht wieder ein Minischritt geschieht, sondern ein regulatorischer „Sprung“. Dann spricht man vielleicht bald nicht bewundern vom „asiatischen Tiger“, der einen wirtschaftlichen Sprung macht, sondern mit gleicher Bewunderung von der „deutschen Wildkatze“.

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Über den Autor

Carsten Lexa

Rechtsanwalt Carsten Lexa berät seit 20 Jahren Unternehmen im Wirtschafts-, Gesellschafts- und Vertragsrecht. Er ist Lehrbeauftragter für Wirtschaftsrecht, BWL und Digitale Transformation sowie Buchautor. Lexa ist Gründer von vier Unternehmen, war Mitinitiator der Würzburger Start-up-Initiative „Gründen@Würzburg”, Mitglied der B20 Taskforces Digitalisierung/ SMEs und engagiert sich als Botschafter des „Großer Preis des Mittelstands” sowie als Mitglied im Expertengremium des Internationalen Wirtschaftsrats. Er leitete als Weltpräsident die G20 Young Entrepreneurs´Alliance (G20 YEA). Bei BASIC thinking schreibt Lexa über Themen an der Schnittstelle von Recht, Wirtschaft und Digitalisierung.