Eigentlich wollte ich heute über den neuen Start-up Monitor schreiben. Doch dann habe ich gelesen, was Dunja Hayali in den sozialen Medien nach Interviews mit Karl Lauterbach und Ricarda Lang erlebt hat. Und ich bin fassungslos über unserer Diskussionskultur. Deshalb heute: ein Aufschrei!
(Un)soziale Medien: Was ist eigentlich los mit unserer Diskussionskultur?
Was ist eigentlich los mit unserer Diskussionskultur? Das habe ich mich völlig fassungslos gefragt, als ich in den sozialen Medien erleben musste, was nach den Interviews von Dunja Hayali mit Karl Lauterbach und Ricarda Lang passierte.
Kurze Zusammenfassung: Dunja Hayali ist eine der bekanntesten Moderatorinnen in Deutschland und hat vor ein paar Tagen im ZDF-Morgenmagazn den Bundesgesundheitsminister Karl Lauterbach und die Vorsitzende der Grünen Ricarda Lang interviewt.
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Lauterbach äußerte sich zu seiner geplanten Reform des Gesundheitswesens, insbesondere zu dem Thema Pflegenotstand und den Situationen in Krankenhäusern. Ricarda Lang gab ihre Ansicht wieder zur Energiekrise in Deutschland und zur Versorgungssicherheit sowie zum Atomausstieg.
Unterschiedliche Meinungen sind wünschenswert
Um es gleich vorweg zu nehmen: Man muss sowohl mit den Meinungen des Bundesgesundheitsminsters als auch mit denen der Grünenvorsitzenden nicht übereinstimmen. Warum auch? Jeder kann seine Meinung haben diese kann sich von anderen Meinungen unterscheiden.
Was mich aber so fassungslos gemacht hat waren die Kommentare zu den Interviews in den sozialen Medien. Ich erspare mir an dieser Stelle Beispiele wiederzugeben. Wer diese lesen mag, der findet sie nach einer kurzen Recherche selbst.
Die Kommentare waren nämlich so schlimm, dass sogar Frau Hayali ein Posting machte, indem sie schrieb, dass sie sich merken muss, nach einem Interview nicht die Kommentare in sozialen Medien zu lesen. Denn der Hass, die Anfeindungen und die persönlichen Angriffe wären nur schwer auszuhalten.
Soziale Medien: Es fehlt an der Auseinandersetzung mit anderen Meinungen
Und genau das ist es, was mich so fassungslos macht. Wenn sich die „Kommentatoren“ wenigstens mit dem, was in dem Interview gesagt wurde, auseinandersetzen würden. Aber genau das tun sie nicht. Vielmehr wird alles an Äußerungen „erbrochen“, was ihnen gerade in den Sinn kommt.
Hier ist keine Diskussion zu sehen, sondern ein reines Auskotzen der eigenen Meinung, egal ob diese aus Fakten basiert oder nicht. Nun ist natürlich eine Meinung genau das – eine Meinung, also nicht unbedingt etwas, das auf das Ratio fusst, so schön und wünschenswert das auch wäre.
Was man aber hier erlebt, und diese Situation mit den beiden Interviews ist ja nur eine von unheimlich vielen, hat mit Meinungsäußerung nichts mehr zu tun. Es ist vielmehr eine Kakophonie an Äußerungen, die sich nicht einmal ein Drehbuchschreiber eines bestialischen Thrillers ausdenken könnte.
Uns ist eine anständige Diskussionskultur abhanden gekommen
Doch woran liegt das? Ich denke, dass zum einen die Diskussionskultur abhanden gekommen ist. Diskutieren bedeutet ja, dass Meinungen ausgetauscht werden. Das erleben wir hier auch. Aber das Ziel einer Diskussion ist doch, dass eventuell das Meinungsbild sowohl der Teilnehmer:innen als auch der Zuschauer:innen und Zuhörer:innen sich verändert.
Gerade das scheint aber heutzutage nicht mehr der Fall zu sein. Vielmehr wird sich geäußert, um eine unverrückbare vermeintliche Wahrheit kundzutun.
Darüber hinaus besteht auch kein Interesse mehr daran, vielleicht etwas Neues zu erfahren und so vielleicht die eigene Meinung zu ändern. Die eigene Meinung ist unverrückbar und jede/r, die/der das nicht erkennt, ist einfach dumm.
Soziale Medien: Es wird geschriehen, um des Schreiens willen
Darüber hinaus wird die eigene Meinung mit einer Vehemenz kundgetan, dass es einem schier den Atem raubt – bei mir war es auf jeden Fall so.
Da werden Wünsche an die Interviewten ausgesprochen, die so von Bosheit triefen, dass man sich wundert, was eigentlich von den Interviewten schlimmes gesagt wurde. Doch es wurde von diesen einfach nur eine andere Meinung vertreten als diejenige der Kommentatoren.
Soziale Medien: Wir brauchen Demut in den Diskussionen
Das muss enden! Zum einen brauchen wir endlich wirksame Systeme gegen diese Art von Hate Speech. Zum anderen müssen wir aber selbst lernen, nicht immer sensationslüstern auf jede noch so effektheischende Nachricht aufzuspringen und uns dazu zu äußern.
Das setzt Demut bei uns voraus, denn zu den meisten Themen können wir gar nichts substantielles sagen – uns fehlen schlicht die Kenntnisse. Eine Meinung zu haben, ist einfach. Eine fundierte Meinung zu haben, setzt das Auseinandersetzen mit einem Thema voraus. Und das passiert vielfach einfach nicht mehr.
Wir alle können etwas machen
Dabei ist mir natürlich bewusst, dass so eine Änderung schwer zu erreichen ist. Denn allzu süß sind die Verlockungen, auf jede „Meinungs-Karotte“ anzuspringen und meinen, sich äußern zu müssen. Aber dennoch können wir etwas tun. Zum einen uns eingestehen, dass wir nicht zu jedem Thema etwas beisteuern können.
Zum anderen wieder anderen zugestehen, dass diese in bestimmten Bereichen eine Autorität haben, die sich aus Erfahrung und Kenntnissen speist. Und schließlich nach dem Sinn in der Meinungsäußerung einer anderen Person suchen und nicht gleich davon ausgehen, dass diese Äußerung per se sinnlos oder sogar blödsinnig ist.
Diskussionskultur: Die Hoffnung stirbt zuletzt
Ich hoffe inständig, dass dieser Artikel zum Nachdenken anregt. Und dass wir wieder lernen zu diskutieren. Denn nach dem, was ich im Rahmen der Reaktionen auf die beiden Interviews gelesen habe, weiß ich, dass dies notwendig ist.
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Ich glaube eher, dass sich z.B. mit den Diskussionen rund um Corona zeigt, dass auf allen Seiten eben oft nicht eine abweichende Meinung akzeptiert wird. Wir sollten also erstmal lernen, dass man nicht überall einer Meinung sein kann und das auch gut so ist!
Weiterhin wird in Twitter ganz bewusst zu solchen Beschimpfungen aufgerufen (hier z.B. von Herrn Lauterbach https://twitter.com/Karl_Lauterbach/status/1552575987518513152)
Sehr geehrter Herr Stegmann, vollkommen richtig. Und am besten sollte man auch aufhören, auf andere zu zeigen. Denn gerade das zeigt von Demut.
Beste Grüße, Carsten Lexa