Das ist alt, abgelebt, das brauche ich nicht mehr, das kann weg: Diese Entscheidung treffen wir in unserem Leben unzählige Male. Doch warum tun wir das nicht bei einem Vertrag, der sich anfühlt wie ein Modem in Zeiten von High-Speed-Internet? Ich spreche vom Energiecharta-Vertrag. Denn der sollte nun wirklich mal weg.
Der Energiecharta-Vertrag ist ein internationaler Handelsvertrag aus den 90er Jahren. Er sollte nach dem kalten Krieg privatwirtschaftliche Investitionen im Energiesektor schützen und die Energiesektoren der Staaten der ehemaligen Sowjetunion in den internationales Energiehandel integrieren. Und das hat bis heute enorme Auswirkungen.
Auf den Punkt gebracht
Der ECT schützt alle Investitionen im Energiesektor, einschließlich Kohlebergwerke, Ölfelder und Gaspipelines. Jede Handlung eines Staates, die den Gewinn eines Unternehmens aus diesen Investitionen schmälert, kann vor internationalen Schiedsgerichten angefochten werden.
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Regierungen können also gezwungen werden, enorme Entschädigungen zu zahlen, wenn sie einen ECT-Fall verlieren, weil Sie sich etwa gegen fossile Energieträger und für erneuerbare Energien entscheiden.
Auf Deutsch gesagt: Hätte ich in ein Ölfeld investiert und verschiedene Länder sagen nun „wir steigen um auf grüne Energien“, um zum Beispiel saubere E-Mobilität zu ermöglichen, dann kann ich all diese Länder für meinen entgangenen Gewinn vor einem privaten Schiedsgericht verklagen.
Dabei geht es nicht nur um Kosten, die bereits entstanden sind, sondern auch um mutmaßlich entgangene Gewinne.
Energiecharta-Vertrag: Die Auswirkungen
Und tatsächlich gab es schon etliche Klagen auf Basis dieses Vertrags, wie zum Beispiel in einem Artikel der Süddeutschen Zeitung aufgezeigt wird: So ging der britische Ölkonzern Rockhopper gegen Italien vor, aufgrund verweigerter Bohrungen vor der Küste der Region Abbruzzen.
Gazprom rief das Schiedsgericht an gegen die EU im Zuge der Gasleitung Nord Stream 2. Und der deutsche Energiekonzern RWE klagte gegen die Niederlande, weil diese den Kohleausstieg auf 2030 ansetzten – es soll um 1,4 Milliarden Euro gehen.
Es kann doch nicht sein, dass aufgrund eines Vertrags, der aus einer anderen Zeit stammt, nicht nur unsere Klimaziele verhindert und mit der Zukunft unseres Planeten gespielt wird, sondern zudem die finanziellen Mittel von Staaten in sowieso sehr angespannten Zeiten für potenzielle Strafzahlungen aufgewendet werden müssen.
Zur Kasse gebeten werden dann natürlich die Steuerzahler.
Gescheiterte Reform
Ende Sommer 2022 sollte eine Reform beschlossen werden, um den Vertrag mit den Zielen des Pariser Klimaabkommen vereinbar zu machen. Alle 53 Vertragsstaaten hätten dabei zustimmen müssen. Doch die Reformversuche sind gescheitert. Investitionen in fossile Energieträger wie Kohle, Gas und Öl sind noch über Jahre geschützt.
Es gibt deshalb nur einen folgerichtigen Schritt, der zurecht von vielen Experten gefordert wird: Der gesicherte Ausstieg sämtlicher europäischer Mitgliedsstaaten aus diesem Vertrag. Denn auf solche Altlasten können wir alle sehr gut verzichten.
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