In der Serie „Start-up-Check!“ nehmen wir regelmäßig die Geschäftsmodelle von Start-ups unter die Lupe. Wer steckt hinter dem Unternehmen? Was macht das Start-up so besonders und was gibt es zu kritisieren? Heute: Planetary Intelligence (PI) aus Seattle.
Start-ups: Das klingt nach Erfindergeist, Zukunftstechnologien, neuen Märkten. Doch in der Realität erweisen sich viele der Neugründungen leider oft als eine Mischung aus einer E-Commerce-Idee, planlosen Gründern und wackeligen Zukunftsaussichten.
Dabei gibt es sie durchaus: Die Vordenker, die an den großen Problemen tüfteln und Geschäftsmodelle revolutionieren. Diese zu finden und vorzustellen, ist das Ziel unseres Formats Start-up-Check. Heute: Planetary Intelligence, mit Büros in Frankreich, England und Deutschland.
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Was steckt hinter Planetary Intelligence?
Selten blicken wir in dieser Rubrik auf ein so junges Start-up wie PI. Sogar deren Kernprodukt, das im Bereich Climat-Tech angesiedelt ist, befindet sich noch in der Beta-Phase. Während andere Start-ups zu diesem Zeitpunkt oftmals aufgeregt das Produkt weiterentwickeln, dominiert bei Planetary Intelligence dagegen Ruhe, Gelassenheit und Abgeklärtheit.
Das liegt an den führenden Köpfen hinter dem Unternehmen. Denn die beiden Gründerinnen Jennie-Marie Larsen (CEO) und Sarah-Louise Penhall (COO) bringen jede Menge Start-up-Erfahrung mit in ihr neuestes Projekt.
Während Larsen einen sehr beeindruckenden Record von insgesamt vier erfolgreich gegründeten Start-ups vorweisen kann, zeichnet sich Penhall durch ihre operative Kompetenz aus, die auf zahlreiche Führungspositionen in technologielastigen Branchen zurückgeht.
Verbindungen zum Meeresforscher Jaques-Yves Cousteau
Beide verstehen ihr Handwerk und, so viel ist klar, wissen, wie sich Know-how in ein kommerzielles Produkt gießen lässt. Einen zusätzlichen Boost erfuhr das Unternehmen übrigens auch durch eine Begegnung auf einer Konferenz, bei der Larsen auf die Enkeltochter des berühmten Meeresforschers Jaques-Yves Cousteau traf.
Celine Cousteau, die die Arbeit ihres Großvaters fortsetzt, unterstützt seither das Vorhaben der beiden Gründerinnen als Beraterin in Fragen zur Biodiversität. Von ihr erhielten Larsen und Penhall entscheidende Impulse, wie nachhaltig etwa indigene Bevölkerungen mit einfachen Mitteln das Land, auf dem sie leben, managen.
Die Frage, die Cousteau in den Raum warf: Warum sind vermeintlich „zivilisiertere“ Regionen auf der Welt dazu nicht in der Lage? Denn es gilt als unbestritten, dass es die dazu erforderlichen Lösungen längst gibt, um Umwelt-Problemen wie dem Mangel an Biodiversität oder dem Klimawandel entgegenzutreten.
Die stecken aber oftmals in Silos fest, das heißt.: Fortschritt wird nicht geteilt, Kooperation nicht praktiziert. Was also fehlt, ist offensichtlich ein Gesamtlösung für den konzertierten Einsatz sowie für die Skalierung dieser Lösungen.
Was macht Planetary Intelligence?
Und genau an diesem Punkt setzt Planetary Intelligence mit seinem Produkt an: Dem sogenannten „Sustainable Dashboard“. Die Software hilft Bevölkerungen, aber auch Unternehmen, Städten, Ländern und Staaten zu verstehen, welche Maßnahmen, wo und in welcher Kombination eingesetzt werden müssen, um die Lebenssituation der Menschen auf nachhaltige und umweltfreundliche Art und Weise zu verbessern.
Es ist also eine Art Empfehlungsmaschine für Klimalösungen, die mittels Geotargeting funktioniert. Diese beherbergt Hunderte von Lösungen (Natur, Technik, Soziales und Politik) mitsamt Daten zu den prognostizierten Auswirkungen, so dass man auch die erwarteten CO2-Reduktionsergebnisse von Investitionen in Lösungen nachvollziehen kann.
Hier wird überwiegend maschinelles Lernen eingesetzt, um zu ermitteln, welche Kombination von Lösungen an jedem Ort der Erde erforderlich ist. Bei dieser Aufgabe leisten die Erkenntnisse aus gut 50 Jahren Forschung zum Klimawandel eine wertvolle Hilfestellung. Zum Beispiel in Form konstruktiver Modelle, die mit Hilfe von Machine Learning und künstlicher Intelligenz angereichert werden.
Daraus entstehen Strategien, die eine nachhaltige Wirkung erzielen. Was dabei spannend ist, ist die Mischung aus NGO und gewinnorientiertem Ansatz, so dass sichergestellt wird, dass sie gesammelten Erkenntnisse darüber, was im Zusammenhang mit Klimalösungen funktioniert und was nicht, immer auch der Öffentlichkeit zugänglich bleiben.
Platform-as-a- Service
Die Auswirkungen der eingesetzten Lösungen erfasst die Software, die als Platform-as-a- Service-Lösung (PaaS) betrieben wird, unter anderem mittels des Donut-Modells. Damit lassen sich nicht nur die besten Maßnahmen für einen Ort identifizieren, das Modell gewährleistet sogar deren unbegrenzte Wiederholbarkeit.
Denn: Funktioniert ein Maßnahmen-Mix an einem Ort, existieren mit großer Wahrscheinlichkeit viele weitere Orte mit ähnlichen Bedingungen und Voraussetzungen, für die sich diese spezifische Kombination ebenfalls gut eignen könnte. Auf diese Weise lassen sich Lösungen in großem Maßstab erfassen, deren globale Auswirkungen vorhersagen und skalieren.
Das Hauptziel des Modells besteht darin, wirtschaftliche und soziale Schieflagen in einem nachhaltigen, ökologischen Kontext neu zu formulieren und neue Ziele zu setzen.
Danach gilt eine Volkswirtschaft als prosperierend, wenn sie alle zwölf sozialen Grundlagen (unter anderem Bildung, Jobs, Gesundheit und Einkommen) erfüllt, ohne dabei eines der festgeschriebenen neun ökologischen Limits (beispielsweise die Übersäuerung der Ozeane, chemische Umweltverschmutzung, Frischwassernutzung, Verlust der Biodiversität, Klimawandel) zu überschreiten. Diese Situation gilt als der sichere und gerechte Raum für die gesamte Menschheit.
Was macht Planetary Intelligence so besonders?
Vor diesem Hintergrund sind insbesondere Städte und Metropolen gefordert. Denn auf deren Gebiet gehen gut 73 Prozent der weltweit ausgestoßenen Emissionen zurück. Sie müssen aber noch vor 2050 das vom UN-Klimagipfel vorgegebene Net-Zero-Ziel erreichen. Hauptverantwortlich für die Emissionen: Unternehmen.
Die bis dato gängige Praxis des Emissionshandels, wonach Unternehmen, die besonders umweltfreundlich und nachhaltig agieren und gesetzlich vorgegebene Schadstoffgrenzen unterschreiten, entweder vom Gesetzgeber in Form von Steuerentlastungen belohnt werden oder diese „nicht verursachten“ Emissionen an andere Unternehmen verkaufen können, ist in der PI-Engine obsolet.
Stattdessen favorisiert die Software jene sauberen Maßnahmen, die von Unternehmen selbst lanciert werden und einen unmittelbaren Effekt erzielen, ohne sie zum Bestandteil eines Kompensationshandels zu machen. Aufgabe des Dashboard ist es dabei, unwirksame von wirksamen Maßnahmen ortspezifisch zu trennen und einen Mix zu finden, der einen maximalen nachhaltigen wie ökologischen Effekt erzielt.
Was ist der Vorteil für Unternehmen?
Aber warum sollten Unternehmen sich darauf einlassen? Die naheliegendste Antwort: Net-Zero noch vor 2050 – aber auch, weil Verbraucher und Kunden nunmehr bevorzugt jene Produkte kaufen, die mit Werten wie Nachhaltigkeit oder Ökologie verknüpft sind.
Unternehmen, deren Produkte und Dienstleistungen nicht im Stande sind, Kunden diese Werteerfahrung zu bieten, werden langfristig das Nachsehen haben, weil Verbraucher sich verstärkt jenen Marken zuwenden, die sich unter anderem auch durch Nachhaltigkeit auszeichnen.
Nach diesem Verständnis nehmen Unternehmen nicht mehr nur die Rolle des Technologietreibers ein, sie können damit auch zu einem „Dekarbonisationsmotor“ werden. Damit erzielen sie nicht nur einen Effekt bei den Mitarbeitern, sondern auch in den relevanten Zielgruppen, bei Kunden beziehungsweise bei der Stadtbevölkerung.
So ist es vorstellbar, dass etwa BMW selbst mit der Stadt München zusammenarbeitet und als Nachhaltigkeitssponsor auftritt. Mitarbeiter, Bewohner der Stadt aber auch das Unternehmen, sie alle würden gleichermaßen von diesem Engagement profitieren.
Fazit: Gute Aussichten für Planetary Intelligence
Den Ansatz des Klimaschutz-Dashboards bewerte ich als sehr sinnvoll und positiv. Zu den ersten Kunden zählt der Pariser Vorort Saint Ouen. Die Stadt setzt das Dashboard ein, um damit den Effekt der implementierten Maßnahmen zu tracken. Dazu zählen unter anderem Urban-Farming- oder grüne Bildungsprogramme.
Dabei sammelt PI gleichzeitig Daten, die für vergleichbare Städte, die sich zum Beispiel in der gleichen oder einer benachbarten Region befinden, angewendet werden können. Viele weitere Städte in Europa, Nordamerika und Brasilien bekunden bereits ihr Interesse am Dashboard. Und auch die GUD (Global Urban Development) will es ihren Mitgliedsstädten zur Verfügung zu stellen.
Die internationale Organisation will damit den Netto-Null-Prozess in den Städten weltweit vorantreiben. Das PI-Dashboard liefert dabei Erkenntnisse, die auch einen Lernprozess initiieren. Dieser ist gerade für städtische Entscheidungsträger notwendig, um effiziente Investitionen in Klimalösungen zu tätigen.
Das ist die größte Herausforderung für Planetary Intelligence
Die größte Herausforderung für PI selbst dürfte aber sein, an valide Daten zu gelangen. Denn das System benötigt Futter, um daraus verlässliche Prognosen zu geeigneten Maßnahmen zu erhalten. Zweifellos verfügen Städte über diese Daten. Die Frage ist aber vielmehr: Sind sie in der Lage, diese in entsprechender Qualität bereitzustellen?
Was etwa für Unternehmen deutlich einfacher zu bewerkstelligen ist, kann für einen öffentlichen Verwaltungsapparat eine unüberwindbare Hürde darstellen. Da heißt es: Klinken putzen und Überzeugungsarbeit leisten. Dabei hilft ein gutes Netzwerk. Und darüber dürften die beiden Start-up-Profis Larsen und Penhall in jedem Fall verfügen.
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