Mit Intel und Tesla haben sich zwei namhafte Unternehmen für den Standort Ostdeutschland entschieden. Im Interview erklärt Carsten Lexa, Wirtschaftsanwalt und Start-up-Experte, was die neuen Bundesländer für die Großkonzerne so attraktiv macht.
BASIC thinking: Hallo Carsten, immer mehr namhafte Unternehmen lassen sich in Ostdeutschland nieder – beispielsweise Tesla in Brandenburg und Intel, die in Magdeburg ein neues Werk bauen wollen. Woher rührt dieser Wandel?
Ich glaube, das basiert auf unterschiedlichen Gegebenheiten, die jetzt zusammenkommen. Zwei zentrale Punkte stechen dabei heraus. Einerseits benötigen Tesla und Intel für ihre Großfabriken vor allem Fläche. Und Fläche gibt es in Ostdeutschland sehr viel – vor allem Fläche, die teilweise schon zur Nutzung zur Verfügung gestellt wurde.
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Die Fläche, die Intel beispielsweise in Magdeburg zur Verfügung gestellt wurde, die stand schon vorher für den Automobilsektor zur Verfügung. Dort sollte nämlich zunächst ein BMW-Werk entstehen. Deshalb wurde die Fläche bereits zuvor, ich nenne es mal: „freigemacht“. BMW ist dann dort aber nicht hingegangen.
Andererseits spielt die Geopolitik eine wichtige Rolle. Denn Europa rückt ins Zentrum von Interessen, weil in andere Ländern immer mehr politische Spannungen entstehen. Europa ist dagegen verhältnismäßig stabil. Darüber hinaus will Deutschland ein globaler Standort für die Halbleiterindustrie werden. Das steht auch im Koalitionsvertrag. Viele haben das aber nicht auf dem Schirm.
Flächenvorteile und geopolitische Lage
Das heißt, es kommen zwei wichtige konkrete Faktoren zusammen: die Flächenvorteile und die geopolitische Lage von Europa mit der allgemeinen Stabilität und dem großen Markt. Außerdem gibt es viele Unternehmen, an die man sich angliedern kann. Vor allem für Intel ist das ein großer Vorteil, denn die produzieren Chips für die Automobilindustrie, die in Deutschland stark ist und immer mehr Chips für die Elektrifizierung ihrer Flotten benötigt.
Und dann gibt es in Ostdeutschland noch starke Universitäten und viele Studenten – und die sind gut ausgebildet. Schließlich kommen dann noch die Bemühungen der Politik um attraktive Ansiedlungen hinzu. Sowohl Intel als auch Tesla haben gesagt, dass sie das Gefühl hatten, dass man sie unbedingt haben wollte.
Ostdeutschland als Unternehmensstandort: Über Arbeitsplätze, Steuern und Universitäten
Warum haben Brandenburg und Sachsen-Anhalt so intensiv um diese Unternehmen gebuhlt? Was sind die konkreten Vorteile für die Bundesländer?
Da gibt es tatsächlich einige. Was am offensichtlichsten ist, sind natürlich die Arbeitsplätze. Tesla spricht da von 5.000 bis 10.000 Stellen. Intel spricht sogar von 10.000 bis 12.000 Arbeitsplätzen. Und das sind nur deren Fabriken allein. Dazu kommen dann noch einige Tausend neue Stellen durch die Zulieferer.
Das haben viele gar nicht auf dem Schirm. Das sind meistens kleine und mittelständische Unternehmen, die sich dort ansiedeln, wo ihre Großabnehmer sind. Das heißt, wir haben hier Skaleneffekte, die solche Großprojekte mit sich ziehen. Steuern spielen natürlich auch eine Rolle. Allerdings muss man dabei aufpassen, denn viele Unternehmen werden subventioniert.
Wann dann tatsächlich Steuern fließen, ist fraglich – vor allem auch mit Blick auf das internationale Steuerrecht. Ich glaube, darum geht es aber nicht hauptsächlich. Es geht vielmehr darum, diese Cluster zu etablieren. Außerdem spielen die Universitäten eine große Rolle. Die bilden Top-Leute aus, die aber nicht immer genau wissen, wo sie mit ihrem Wissen hin sollen.
Wenn dann da plötzlich Unternehmen wie Intel kommen, ergeben sich natürlich ganz andere Möglichkeiten. Das zieht dann auch weitere Studenten an. An einem solchen Großprojekt lassen sich in einem Bundesland also ganze Cluster aufziehen.
Ein verlässliches Justiz- und Regelungssystem
Welche Vorteile hat Ostdeutschland für Unternemen in Sachen Produktion und Vertrieb?
Auch hier spielt die geopolitische Lage eine Rolle. Deutschland hat da den Vorteil, in der Mitte von Europa zu liegen. Ein weiterer Vorteil ist ein verlässliches Justiz- und Regelungssystem. In Deutschland gibt es da einfach sicherer Rahmenbedingungen – selbst wenn die Regierung wechselt.
Andere große Unternehmen stellen wiederum einen weiteren Vorteil dar. Denn Intel produziert beispielsweise Chips und mit Tesla und VW gibt es hierzulande zwei große Abnehmer. Das heißt, da gibt es eine Vernetzung von Großfirmen. Aber auch der Mittelstand ist wichtig, um gewisse Nischen abzudecken.
Sei es Spezialmaschinen, oder Kabelleitsysteme: Auch da sind wir in Deutschland unglaublich gut aufgestellt. Für schnelle und kurze Lieferwege ergibt es dabei sogar oftmals Sinn, neue Niederlassungen in Nähe der Großabnehmer zu errichten.
Unternehmen in Ostdeutschland: Lohnunterschiede und Fachkräftemangel
Die Lohnunterschiede zwischen Ost und West sind nach wie vor da. Tesla hat aktuell außerdem Probleme genügend Fachkräfte für Grünheide zu finden. Wie schätzt du die Risiken ein?
Ein tatsächliches Problem sind die Genehmigungsverfahren. Intel will beispielsweise im kommenden Jahr anfangen zu produzieren. Tesla hatte da bereits Probleme. Auch wenn die Politik Besserung gelobt, sind lange Genehmigungsverfahren für viele Unternehmen nach wie vor ein Risiko.
Arbeitsplätze zu schaffen und Fachkräfte zu finden, ist außerdem ein großer Unterschied. Um Arbeitskräfte zu finden, spielen dabei viele Faktoren eine Rolle. Denn Arbeitnehmer haben auch gewisse Ansprüche. Sie wollen beispielsweise in einer lebenswerten Stadt, vielleicht auch mit einem gewissen Kulturangebot leben.
Brandenburg ist deshalb ein guter Gründer- und Unternehmensstandort. Aber nicht unbedingt, weil Brandenburg selbst so interessant ist, sondern weil Berlin so nah ist. Das ist grundsätzlich aber auch ein Risiko.
Denn wenn ich Arbeitnehmer irgendwo hinziehen will, dann haben die auch gewisse Ansprüche an eine lebenswerte Stadt. Und die müssen Unternehmen auf dem Schirm haben.
Die Rolle der Universitäten
Der Standort Grünheide dürfte in diesem Sinne doch ideal sein. Ist der Fachkräftemangel dort nur ein temporäre Problem?
Ja, ich glaube, das ist ein temporäres Problem. Denn man darf nicht vergessen, dass im Moment fast überall ein Fachkräftemangel herrscht. Das wird sich aber in absehbarer Zeit wieder ändern.
Intel ist da ein schönes Beispiel, auch um wieder auf die Rolle der Universitäten zurückzukommen. Einige Unis richten sich nämlich an solchen Großprojekten aus und bieten Studiengänge an, die sich an den Bedürfnissen der in der Nähe der Unis ansässigen Unternehmen ausrichten.
Viele potenzielle Studenten werden sich dann für diese Studiengänge entscheiden, um bei Tesla oder Intel arbeiten zu können. Dadurch werden die entsprechenden Fakultäten wiederum stärker, was in der Folge immer mehr gut ausgebildete Leute hervorbringt.
Wie lässt sich Ostdeutschland als Unternehmensstandort fördern?
Die meisten DAX-Konzerne befinden sich im Westen. Die Spanne ist dabei groß. Was kann die Politik grundsätzlich tun, um den Standort Ostdeutschland zu fördern?
Fakt ist erst einmal, dass viele große Unternehmen in Westdeutschland gewachsen sind. Die sind an ihren Standorten etabliert, die bleiben dort auch. Die ostdeutschen Bundesländer können jedoch einige Dinge tun, um sich als Standort für Neuansiedlungen attraktiver zu machen. Und sie machen auch bereits viel.
Viele Fachhochschulen und Universitäten haben verstanden, dass die Zusammenarbeit mit Unternehmen eine große Rolle spielt. Da passiert immer mehr, es kann aber noch mehr getan werden.
Auf kommunaler und auf Länderebenen muss man sich aber noch mehr überlegen, was die Unternehmen neben Fläche brauchen. Da geht es insbesondere um die Frage, was die Arbeitnehmer brauchen. Dazu gehört: lebenswerte Städte, Kunst, Kultur und junge Menschen, die Leben in die Städte bringen.
Das ist ein ganz wichtiger Punkt und da müssen die Städte und Bundesländer mehr ran. Das Thema Stadtmarketing spielt deshalb eine große Rolle. Das wird aber oftmals viel zu wenig gemacht.
Denn dabei geht es um Ziele der Stadt, um eigene Standpunkte und um Kultur, also insgesamt darum, wofür eine Stadt steht. Nicht nur um Städtepartnerschaften und ein alles-für-alle-Sein.
Start-ups in Ostdeutschland
Wie ist die Situation für Start-ups in den neuen Bundesländern?
Definitiv ausbaufähig. Man sieht da immer noch, dass sich die Start-up-Cluster in Berlin, Hamburg, München und allgemein in Westdeutschland befinden. Und das ist eigentlich schade, denn in Ostdeutschland wird schon viel gemacht. Die Förderprogramme für Start-ups in Thüringen und Sachsen sind beispielsweise wirklich gut.
Dort wird richtig Geld in die Hand genommen. Aber das ist andererseits auch ein bisschen verfehltes Denken. So nach dem Motto: Jetzt haben wir einen großen Fördertopf, jetzt müssen sie doch alle kommen. Ich kann da nur noch einmal wiederholen: Gründer gehen dort hin, wo es – salopp gesagt – cool ist zu leben.
Leipzig und Dresden haben das schon ein Stück weit geschafft. Andere Städte müssen aber noch nachziehen und ein positives Städtebild zeichnen. Auch was Gründerzentren angeht: Da kann man noch eine Schippe draufpacken.
Vielen Dank für das Gespräch!
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