Wirtschaft

Übergewinnsteuer: Notwendiges Mittel oder üble Fehlentwicklung?

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unsplash.com/ Mathieu Stern
geschrieben von Carsten Lexa

Deutschland diskutiert derzeit über die Einführung einer Übergewinnsteuer. Grund dafür sind die hohen Gewinne, die insbesondere Unternehmen aus der Energie- und Logistikbranche erzielen. Die Steuer soll wiederum ungerechtfertigte Gewinne abschöpfen. Doch: Ist die Übergewinnsteuer sinnvoll oder gar Teil einer Fehlentwicklung?

Übergewinnsteuer: Die Sachlage

Die Lage in Deutschland in Sachen Übergewinnsteuer scheint derzeit klar zu sein. Energie-, Rohstoff und Logistikunternehmen erwirtschaften enorme Gewinne, während die Bevölkerung unter hohen Energie- und Lebensmittelpreisen leidet.

Eine naheliegende Überlegung ist es deshalb, wenn der Staat den Profiteuren der hohen Preise, also den entsprechenden Unternehmen, einen Teil ihrer Gewinne nehmen, um mit diesen Einnahmen die Bürger:innen in Deutschland entlasten kann. Soweit, so einfach.

Eine bedenkliche Argumentation

Schaut man aber genauer hin, dann erkennt man eine Argumentation, die so einfach und sinnvoll klingt, als dass man schon alleine deshalb misstrauisch werden muss. So gibt es auf der einen Seite klare „Bösewichte“, nämlich die Unternehmen, die aktuell in der Lage sind, hohe Preise für bestimmte Güter zu fordern und dadurch ihre Gewinne sprunghaft steigern können.

Auf der anderen Seite gibt es leicht auszumachende „Verlierer“ in einer hohen Anzahl, nämlich die Bürgerinnen und Bürger unseres Landes, besonders die Verbraucher, die aufgrund dieser hohen Preise, insbesondere für Energie, für Gas und Öl und für Lebensmittel, immer weniger Geld zum Leben zur Verfügung haben.

Der Ruf nach dem Staat wird deshalb immer lauter, diese „Ungerechtigkeit“ zu beseitigen, denn es kann ja nicht sein, dass die „bösen Unternehmen“ von den hohen Preisen auf dem Rücken der „schwachen“ Verbraucher profitieren, was ja letztendlich nur den Gesellschaftern dieser Unternehmen zu Gute kommt.

Der Staat als Kümmerer

Es ist zum Haare raufen. Die vergangenen Jahre und die aus der Pandemie resultierenden Verwerfungen der Wirtschaftsbereiche verbunden mit den Auswirkungen auf die Menschen, scheinen nur einen Wunsch in unserem Land geweckt zu haben. Denn: Der Staat soll sich um alles kümmern, weil er als einziger weiß, wem er Geld nehmen und wem er es geben soll.

Übergewinnsteuer: Wer ist betroffen?

Dabei ist schon gar nicht klar, wem etwas zu nehmen ist. Denn schaut man sich genau an, woran sich die Diskussion der Übergewinnsteuer entzündet, dann sind das ein paar wenige Unternehmen, die aufgrund von Sondersituationen sprunghafte Gewinne ausweisen bzw. unnatürlich wenige Steuern auf ihre Gewinne zahlen.

Hapaq-Lloyd ist so ein Unternehmen, das seinen Gewinn im Jahr 2021 im Vergleich zu 2020 versiebenfacht hat. In 2022 wird ein Gewinn erwartet, der den von 2021 übrigens noch einmal verdoppelt. Wir reden hier von rund 16 bis 18 Milliarden Euro. 2021 betrug der Gewinn runde neun Milliarden Euro, wobei Steuern von circa 61 Millionen gezahlt wurden.

Das ergibt eine Steuerquote von rund 0,65 Prozent. Ein Skandal, so heißt es. Andere Unternehmen, die zu nennen sind, sind solche aus dem Energie- und Mineralölsektor. So hat beispielsweise BP seinen Gewinn im zweiten Quartal 2022 im Vergleich zum Vorjahr verdreifacht. Und Shell, Repsol oder Total erging es ähnlich.

Welche Gewinne sind betroffen?

Doch was heißt das denn nun genau, woher kommen diese Gewinne? Zum einen kommen die Gewinne daher, dass sich die Marktpreise, zu denen Öl und Gas verkauft werden können, massiv erhöht haben. Die Kosten für die Förderung sind jedoch relativ gleich geblieben.

Hapaq-Lloyd oder der Wettbewerber Maersk profitieren vom einem ähnlichen Effekt, weil die Frachtraten sprunghaft angestiegen sind. Nun gut, dann nimmt man ihnen halt das weg, was diese Unternehmen bekommen haben. Denn diese Gewinnsprünge sind ja eine himmelschreiende Ungerechtigkeit.

Aber wann genau liegt denn ein ungerechtfertigter Gewinnsprung vor? Und wann genau ist denn der Sprung auf ein externes, außerhalb jeder Kontrolle liegendes Ereignis zurückzuführen und nicht auf sehr gutes Management?

Denn auch andere Unternehmen machen immer wieder mit Gewinnsprüngen von sich reden. So hat beispielsweise Amazon im 1. Quartal 2020 einen Gewinn von rund 2,5 Milliarden US-Dollar gemacht. Im zweiten Quartal waren es rund 5,2 Milliarden, also eine Verdoppelung.

Gibts es unfaire Gewinne?

Das wurde von Analysten gefeiert. Im dritten Quartal 2021 betrug der Gewinn übrigens rund 3,1 Milliarden, während er im 4. Quartal 14,3 Milliarden betrug. Was für ein geniales Unternehmen, oder nicht? Oder ist es einfach nur gut geführt – oder greift es unfair Gewinne ab aufgrund seiner Marktmacht?

Natürlich kann man jetzt schnell einwenden, dass es hier einen Unterschied gibt. Denn Amazon profitiert nicht von Umständen, die spiegelbildlich bei Verbrauchern zu erhöhten Ausgaben führen, und zwar zu solchen, die von den Verbrauchern nicht gesteuert werden können. Und das ist sicherlich richtig.

Aber eines wird doch hier klar: Amazon kann auch Gewinnsprünge vorweisen. Diese haben aber nicht zu lauten Forderungen nach einer Übergewinnsteuer geführt, genauso wie es viele andere Unternehmen gibt, denen es genauso geht und bei denen auch keine Forderungen nach höheren Steuern aufkamen.

Übergewinnsteuer: Eine Vielzahl unsicherer Variablen

Fängt man also an darüber nachzudenken, wer nun die Übergewinnsteuer zahlen soll, und versucht man die entsprechenden Unternehmen oder „Krisengewinner“ objektiv zu erfassen, dann merkt man schnell, dass man sich mit ziemlich vielen unsicheren Variablen befassen muss. Wann ist nämlich ein Gewinnsprung als ein solcher zu qualifizieren, der unfair ist im Hinblick auf seine Entstehung.

„Unfair“ ist in diesem Zusammenhang nämlich extrem subjektiv. Wie schon oben gesagt ist das Bild einfach zu schön: böse Unternehmen auf der einen und im wahrsten Sinne des Wortes arme Verbraucher auf der anderen Seite. Subjektiv können die Unternehmen hier nicht gewinnen.

Objektiv aber stellt sich die Frage, welche Unternehmen aber betroffen sein sollen. Wirklich nur die beispielsweise im Energiesektor? Alle anderen kommen dann aus dem Lachen nicht mehr heraus, wenn sie ebenfalls Gewinnsprünge erwirtschaften, aber eben nicht als „böse“ angesehen werden?

Wann ist ein Gewinn ein Übergewinn?

Und wenn man an diesem Punkt angekommen ist, und hier berechtigt ins argumentative Schlingern gerät, dann kommt der nächste Punkt. Denn wann ist ein Gewinn denn ein Übergewinn? Italien hat es sich hier beispielsweise einfach gemacht.

Die Regierung hat geschätzt, dass die Energiekonzerne rund 42 Milliarden mehr an Gewinnen gemacht haben im Zeitraum 1. Oktober 2021 und 30. April 2022 als im Vergleich zum entsprechenden vorherigen Zeitraum.

Davon sollten die Unternehmen 25 Prozent über eine Steuer abgeben. Betroffen waren alle Unternehmen, deren Gewinne sich im fraglichen Zeitraum um fünf Millionen Euro oder mehr erhöht haben – dies betraf insgesamt rund 11.000 Unternehmen.

Übergewinnsteuer: Der Willkür Tür und Tor öffnen

Wen man das liest, dann muss einen Angst und Bange werden. Einfach nur weil der Gewinn höher lag als in einem Vergleichszeitraum führte dies zu einer Steuer von 25 Prozent? Ohne zu klären, warum der Gewinn höher war? Viel beliebiger geht es nicht – insbesondere weil es diese Abschöpfung auch noch so einfach klingt. Oder mal überspitzt ausgedrückt: wer gut wirtschaftet, wird mit einer höheren Steuerzahlung bestraft. Was ist nur aus dem Prinzip geworden, dass sich Leistung lohnen muss?

Die Unternehmen haben natürlich das gemacht, was wohl das einzig richtige in dieser Situation ist. Sie haben geklagt, und zwar in Massen. Das Argument? Die willkürliche Erhebung der Übergewinnsteuer. Der Ausgang des Streits ist derzeit noch offen.

Es stirbt die Verlässlichkeit

Und dann gibt es noch ein Argument: wir alle, Unternehmen wie Verbraucher, schätzen an Deutschland den verlässlichen Regelungsrahmen. Wir haben zwar eine wohl inzwischen überzogen hohe Gesamtsteuerlast zu tragen, aber dafür bekommen wir als Bürgerinnen und Bürger auch in der Gesamtschau ziemlich viel von staatlicher Seite geboten.

Was an Steuern zu zahlen ist und was der Staat dafür an Leistungen erbringt, ist aber klar geregelt und wird ziemlich verlässlich erbracht. Eine Übergewinnsteuer würde in dieses verlässliche System eingreifen. Denn die Gewinne, die die Unternehmen erwirtschaften, wurden aufgrund bestimmter Rahmenbedingungen erwirtschaftet.

In diesen Rahmenbedingungen spielte die Übergewinnsteuer keine Rolle. Wird diese nun plötzlich eingeführt, mit einer Berechnung die nicht gut nachvollziehbar ist und die nur eine bestimmte Art und Anzahl an Unternehmen trifft, so ist die Verlässlichkeit dahin.

Und abgesehen davon wird auch der Gleichheitsgrundsatz massiv angegriffen, was die Rechtmäßigkeit einer Übergewinnsteuer extrem in Frage stellt.

Übergewinnsteuer: Ein persönliches Fazit

Zusammenfassend muss man deshalb wohl sagen, dass die Forderung nach einer Übergewinnsteuer auf den ersten Blick ein vermeintlich klares Problem löst und „genau die Richtigen trifft“. Auf den zweiten Blick wird jedoch schnell erkennbar, dass sie gar kein Problem löst, sondern nur dem Wunsch nachkommt, dort mal schnell Geld abzugreifen, wo gerade viel Geld gemacht wird – ohne aber zu fragen nach dem warum und dem weshalb.

Sinnvoller wäre es vielmehr, wenn unser Staat endlich beginnen würde, Verantwortung für das eigene Leben an seine Bürgerinnen und Bürger zurück zu geben und ihnen dazu die entsprechenden Mittel zur Verfügung stellt – ohne in immer mehr Bereichen zu entscheiden, wer welches Geld weshalb und für welchen Zeitraum bekommt.

Denn dadurch nehmen nur die Ungerechtigkeiten weiter zu, indem die Frage nach der grundsätzlichen Bedürftigkeit und die Höhe der Zuwendung sich immer weiter von objektiven Kriterien entfernt. Besser wäre es, die Bürger:innen zu befähigen, an den Gewinnen der Wirtschaft teilzunehmen, anstatt diese durch unfaire Mittel wie einer Übergewinnsteuer umzuverteilen.

Erwerb von Unternehmensbeteiligungen fördern

So würde es vielmehr Sinn ergeben, den Erwerb von Unternehmensbeteiligungen zu fördern, damit die Bürger:innen so vom guten Wortschaften der Unternehmen profitieren. Dies ist nämlich genau das, was den Aktionären von Hapaq-Lloyd nun passiert. Und damit es dazu kommt, brauchen wir mehr wirtschaftliches Verständnis in der Bevölkerung. Dies könnte mit viel mehr Unterricht in wirtschaftsnahen Schulfächern erreicht werden.

Solche Ideen bringen natürlich nichts in den kommenden Wochen und Monaten. Es macht einem aber Angst, wenn seit Jahren kurzfristige Lösungen den langfristigen vorgezogen werden und nun auch noch die letzte Bastion, nämlich die Verlässlichkeit in den bestehenden Regelungsrahmen geopfert wird.

Unternehmen sind nicht dumm. Sie werden solche Ungewissheiten in ihre weiteren Planungen einkalkulieren. Kurzfristig mag sich eine Erleichterung für die Bürger:innen ergeben. Langfristig befürchte ich gewaltige Nachteile, die nicht einfach so aus der Welt geschafft werden können.

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Über den Autor

Carsten Lexa

Rechtsanwalt Carsten Lexa berät seit 20 Jahren Unternehmen im Wirtschafts-, Gesellschafts- und Vertragsrecht. Er ist Lehrbeauftragter für Wirtschaftsrecht, BWL und Digitale Transformation sowie Buchautor. Lexa ist Gründer von vier Unternehmen, war Mitinitiator der Würzburger Start-up-Initiative „Gründen@Würzburg”, Mitglied der B20 Taskforces Digitalisierung/ SMEs und engagiert sich als Botschafter des „Großer Preis des Mittelstands” sowie als Mitglied im Expertengremium des Internationalen Wirtschaftsrats. Er leitete als Weltpräsident die G20 Young Entrepreneurs´Alliance (G20 YEA). Bei BASIC thinking schreibt Lexa über Themen an der Schnittstelle von Recht, Wirtschaft und Digitalisierung.