Klemens Skibicki, auch als “PROFSKI” bekannt, gilt als Dinosaurier, wenn es um Digitale Transformation geht. Seit über 15 Jahren berät und unterstützt er Unternehmen dabei, das Thema Digitalisierung anzugehen. Im Interview gibt er Einblicke in das Thema Change Management, erklärt, was das mit dem Kölner Karneval zu tun hat und verrät, was er mit dem DJ Prinzip meint.
Klemens Skibicki war jahrelang im Beirat Junge Digitale Wirtschaft des Bundeswirtschaftsministeriums und bis 2019 Professor für Marketing und Marktforschung an der Cologne Business School.
Change Management: Was haben Turntables mit Geschäftsführung zu tun?
Meike Neitz: Klemens, lass uns mit deinem Buch beginnen, das du im September 2020 veröffentlicht hast. Es heißt “Das DJ-Prinzip des Managements -Handlungsorientiertes Wissen für Führen und Entscheiden im digital vernetzten Zeitalter.” Was haben Turntables mit Geschäftsführung zu tun?
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Ich glaube, dass im digital vernetzten Zeitalter das DJ-Prinzip das grundsätzliche Prinzip von gutem Management sein wird. Jeder war schon einmal auf einer Party, auf der ein DJ nur seine oder ihre Lieblingsmusik gespielt hat, was nicht besonders erfolgreich war. Er oder sie hat zu wenig darauf geachtet, was eigentlich auf der Tanzfläche vor ihm oder ihr passiert.
Auf der anderen Seite sieht man aber, dass weltweite Charts angeführt werden von DJs oder ehemaligen DJs. Warum ist das so? Die guten DJs wissen ganz genau, wie wir ticken, weil sie die Reaktionen der Partygäste in Echtzeit verfolgen und mit ihnen interagieren. DJs wissen, was ankommt und was nicht!
Die Daten der digitalen Welt da draußen sind genau wie diese Tanzfläche: Die Milliarden von Menschen, die über ihre Smartphones Daten senden und empfangen, zeigen, was geklickt, geliked oder kommentiert wird und wonach Menschen suchen.
Für die Geschäftswelt bedeutet dies eine Revolution in der Echtzeit-Marktforschung, soweit die Daten einsehbar und interpretierbar sind – man muss eben aus Big Data Smart Data machen und damit wie ein DJ das Publikum lesen.
Das heißt, wir haben eine Interaktionsmöglichkeit mit der anderen Marktseite und wenn wir diese nutzen, sind wir in der Lage sie in den eigenen Lernprozess der Firma oder den eigenen Dienstleistungen hineinzuholen: Wer das nicht macht, der wird vielleicht mal einen Glückstreffer landen, aber er wird eben nicht die Musik verbessern und als Folge das Publikum begeistern.
Die drei Aspekte der Digitalisierung: Technologie, Ökonomie und Soziales
Der von dir beschriebene Datenaspekt ist Teil eines durch die Digitalisierung herbei geführten Strukturwandels. Kannst du die wichtigsten Aspekte dieses Wandels für uns erläutern?
Bei Digitalisierung denken die meisten natürlich an Technologie. Das kommt aber zu kurz, denn es ist nur ein Aspekt davon. Tech ist eigentlich ein Befähiger; viel wichtiger sind die ökonomischen Implikationen, also die Veränderungen für neue Prozesse, neue Rollen zu verstehen und dabei die Menschen mitzunehmen.
In meinen Augen hat der Strukturwandel drei Dimensionen, die man gleichzeitig denken muss: Die Technologische, die Ökonomische und die Menschliche also die Soziale Komponente. Ich komme aus der Strukturwandelforschung, in meiner Doktorarbeit ging es um die Übergang vom Agrar- ins das Industriezeitalter und das war damals auch viel mehr als die Dampfmaschine- alle Aspekte des gesellschaftlichen Lebens wurden neu sortiert.
Genau so haben wir es jetzt beim Übergang vom Industrie- in das digital vernetzte Zeitalter. Das heißt wir haben hier durch Technologie bedingte neue Rollen. Die Netzwerkökonomie bietet auch neuere Prozesse als die Prozesse die im Industriezeitalter etabliert waren.
Starre Wertschöpfungsketten, hierarische interne Kommunikation und einseitige Massenkommunikation mit Sendefunktion nach Außen. Der digitale Wandel erfordert also die Anpassung von Unternehmen an neue Möglichkeiten, letztlich ist es also immer der Mensch der sich im Rahmen der neuen Technologie am meisten wandeln muss.
Change Management: “Lösen Sie Ihr Karnevalsproblem!”
Du bist Berater für Change Management: Für viele ist das nach wie vor ein abstrakter Begriff. Angenommen ich bin ein mittelständischer Automobillieferant und komme zu dir. Kannst du für uns kurz beschreiben, was die ersten Schritte bei deinem Beratungsprozess sind?
Ja sehr gern. Das Allererste ist: Lösen Sie Ihr Karnevalsproblem. Karneval gibt es hier in Köln, aber auch in Düsseldorf, Mainz, Venedig und Rio. Und da steht immer das gleiche Wort, es sind aber komplett unterschiedliche Konzepte. Und genauso ist das in der Digitalisierung auch.
Das heißt einer der wichtigsten Tipps, die ich Unternehmen geben kann ist: Reden Sie erstmal über das Gleiche. Ich mache das meistens in einem ersten Kick-off Workshop, der normalerweise einen halben Tag dauert: Ich schnappe mir die wichtigsten Leute und frage:
Wer muss das eigentlich alles verstanden haben, dass sie erstmal über das gleiche reden, also nicht dass die einen Karneval in Rio und die anderen Karneval in Venedig feiern, sondern dass sie eben die gleiche Party organisieren. Das klingt total banal, ist aber aus 15 Jahren Erfahrung der wichtigste Punkt.
Wenn ich kein einheitliches Verständnis davon habe, was der digitale Strukturwandel im Kern ausmacht, was die wichtigsten drei Treiber sind, dann kann ich auch kein Ziel und keine Strategie einheitlich entwickeln. Im Rahmen der gemeinsamen Zielbesinnung arbeite ich die drei folgenden Punkte erstmal durch Punkt eins:
Was passiert da draußen, was sind die wichtigsten Aspekte des digitalen Strukturwandels. Punkt zwei: In welche Richtung muss man sich anpassen und Punkt drei: Was sind die Haupthürden dabei. Wenn du ein einheitliches Verständnis über diese drei Punkte hast, dann bist du schon einmal weiter als 99 Prozent der anderen Unternehmen da draußen.
Change Management: Ein Verständnis für Treiber und Prozesse
Gibt es Dinge, die Organisationen auch im Kleinen und selbstständig tun sollten und könnten, um der Netzwerkökonomie gerecht zu werden?
Genau das gleiche: Ein Verständnis dafür, was die wichtigsten Treiber sind und welche Prozesse, die du so gemacht hast, als du „groß“ geworden bist. Sei es als Unternehmen oder als Mensch, die du jetzt effizienter digital ausführen kannst. Für die Kleinen fängt das oft an im Bereich Kommunikation um sich anzuschauen, wie man seine Kunden erreicht.
Wer redet wo und wie über meine Themen und wo und wie kann ich mich dort positionieren? Dafür brauche ich erstmal Zeit und das Verständnis wie Soziale Netzwerke funktionieren.
„Gerade ist das nächste große Ding tatsächlich das Metaverse“
Was sind für dich die großen Trends des Digitalmarketings?
Es gibt viele Trends und Entwicklungen aber gerade ist das nächste große Ding tatsächlich das Metaverse. Das Zusammenwachsen virtueller, physischer und erweiterter Realität. Im Prinzip ist es ein Prozess der schon lange läuft.
Jetzt hat die Verknüpfung der verschiedenen Wahrnehmungswelten von Menschen aber Fahrt aufgenommen und viele neue Möglichkeiteneröffnet von denen Blockchain und NFT’s gerade die bekanntesten sind..
Dier Personenmarke Klemens Skibicki
Du bist inzwischen selbst zu einer Personenmarke geworden. Hast du strategisches Personal Branding betrieben?
Nein, mein Marken-Personencharakter hat sich über Jahre etabliert. Ich habe mir dabei immer genau angeschaut, was bei Leuten ankommt und was nicht, und habe daraus dann ein strategisches Produkt gemacht, das aber zu meinem Charakter passen muss.
Und letztlich habe ich nach meinem eigenen DJ Prinzip meine Themen zunächst ausprobiert, dann geguckt was ankommt und das Signal dann verstärkt. Inzwischen ist es eine Personenmarke geworden, aber es ist eigentlich ein Learning by Doing gewesen.
Das berühmte Wort ‘authentisch sein’ (was wahrscheinlich im Marketing das am meisten missbrauchte Wort ist) hat eine große Rolle gespielt. Ich habe erst einmal intuitiv gemacht, dann geschaut auf welchen Kanälen die Bezüge zu meinen Themen da sind und dann folgende Fragen beantwortet: Warum mache ich das? Wie positioniere ich mich? Und: Wie rede ich?
Feedly, Social media und Podcasts
Wie bildest du dich selbst weiter? Wie sorgst du dafür informiert zu bleiben?
Ich habe mir über RRS-Reader wie „feedly“ meine wichtigsten Themen zusammengestellt. Da bekomme ich jeden Tag einen Überblick mit den wichtigsten Links mit den von mir über die Jahre zusammen gestellten besten Quellen zu meinen Themen, also Marketing, Digitalisierung, Finanzpolitik und Wirtschaft allgemein.
Da sind nicht nur deutsche- sondern auch englischsprachige Formate wie Mashable oder Wired drin.
Zudem höre ich sehr gern Podcasts. Für Wirtschaftspolitik ist das beispielsweise der großartige Podcast von Dr Daniel Stelter – Beyond the Obvious.
Für alles was Marketing und Start-ups angeht: der OMR Podcast sowie OMR Education mit sehr guten Experten die tiefgründiges Wissen vermitteln. Ab und zu höre ich mal Gabor Steingart, der hat immer eine sehr starke persönliche Meinung, aber auch sehr gute Gäste. Ich folge den Leuten, die ich als Vordenker identifiziert habe, das wird immer mehr Linkedin.
In Sachen Digital/Social ist das beispielsweise Brian Solis, der ein absolut Vorausschauender Social Media Experte ist. Zuletzt bin ich ja (zum Glück jetzt wieder!) selbst viel als Speaker auf Konferenzen unterwegs und lerne da von anderen Vorträgen und Panels sehr viel!
Lieber Klemens, vielen Dank für das Gespräch!
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