Wirtschaft

Warum die neuen Anforderungen an Arbeitsverträge digitalisierungsfeindlich sind

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unsplash.com/ Scott Graham
geschrieben von Carsten Lexa

Im Februar dieses Jahres habe ich ein paar der wichtigsten Regelungen beschrieben, die in Arbeitsverträgen enthalten sein sollten. Seit dem 1. August gibt es jedoch neue Anforderungen an Arbeitsverträge. Diese haben es insbesondere für Arbeitgeber in sich. Außerdem zeigt sich die Digitalisierungsfeindlichkeit des deutschen Gesetzgebers.

Vielleicht muss man vorab sagen, dass Arbeitsverträge leider in der Praxis nicht immer gut gestaltet waren. Die Regelungen waren oftmals nicht präzise, teilweise veraltet und dadurch vom Regelungsgehalt nicht optimal und teilweise schlichtweg unwirksam.

In einigen Fällen habe ich es sogar erlebt, dass in Unternehmen für Mitarbeiter, die schon lange für das Unternehmen tätig waren, gar keine Arbeitsverträge mehr auffindbar waren.

Immer höhere Anforderungen an Arbeitsverträge

Die Arbeitsgerichte haben jedoch an die Vereinbarungen zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer immer höhere Anforderungen gestellt. Insbesondere im Hinblick auf die zu leistenden Tätigkeiten und die damit unter Umständen verbundenen Vergütungsbestandteile gaben immer wieder Anlass zu Streit.

Das war besonders dann der Fall, wenn Arbeitnehmer anderweitig eingesetzt werden sollten, als dies ursprünglich vorgesehen war, und diese damit nicht einverstanden waren.

Aber auch das Arbeitsentgelt, insbesondere mit Blick auf die Überstundenvergütung, die Arbeitszeit oder die Informationspflichten des Arbeitgebers gegenüber dem Arbeitnehmer hinsichtlich der Möglichkeit einer Klage gegen eine Kündigung waren immer wieder Gegenstand von Kontroversen und Gerichtsverfahren.

Wichtige Inhalte in Arbeitsverträgen

Deshalb waren Arbeitgeber aufgrund des Nachweisgesetzes schon immer verpflichtet, bestimmte Informationen in den Arbeitsvertrag aufzunehmen. Diese Informationen waren:

  • Name und Anschrift der Vertragsparteien
  • Zeitpunkt des Beginns des Arbeitsverhältnisses, die Arbeitszeit und bei Befristungen die Dauer des Arbeitsverhältnisses
  • Bezeichnung oder Beschreibung der Tätigkeit sowie der Arbeitsort
  • Zusammensetzung und Höhe des Arbeitsentgelts
  • Dauer des jährlichen Erholungsurlaubs
  • Kündigungsfristen
  • Allgemeine Hinweise auf Tarifverträge, Betriebs- und Dienstvereinbarungen, die auf das Arbeitsverhältnis Anwendung finden.

Überarbeitung des Nachweisgesetzes

Der Gesetzgeber hat das Nachweisgesetz nun jedoch überarbeitet. Dies ist zurückzuführen auf die EU-Richtlinie 2019/1152 über transparente und vorhersehbare Arbeitsbedingungen in der Europäischen Union („Arbeitsbedingungenrichtlinie“).

In der Begründung zu der Richtlinie heißt es, dass „aufgrund einiger neue Arbeitsformen eine größere Notwendigkeit für Mitarbeitende besteht, umfassend, zeitnah und schriftlich in einer leicht zugänglichen Form über ihre wesentlichen Arbeitsbedingungen unterrichtet zu werden.

Da eine europäische Richtlinie nicht automatisch in den Mitgliedsstaaten der Europäischen Union Anwendung findet, muss sie umgesetzt werden, was mit dem Nachweisgesetz geschehen ist. Diese Umsetzung nun wird Arbeitgeber vor einige Herausforderungen stellen.

Geltung für alle Arbeitsverträge

Dabei ist vorab wichtig zu verstehen, dass die neuen Regelungen für alle Arbeitsverhältnisse gelten, also nicht nur für neue, die ab dem 1. August abgeschlossen werden, sondern auch für schon bestehende Arbeitsverhältnisse. Darüber hinaus werden nicht nur in zeitlicher Hinsicht alle Arbeitsverhältnisse erfasst, sondern auch in inhaltlicher Hinsicht.

Das bedeutet die neuen Regelungen gelten beispielsweise auch für Minijobber, bezahlte Praktikanten (wenn sie nach § 22 Mindestlohngesetz als Arbeitnehmer gelten) oder Aushilfen.

Neue Anforderungen an Inhalte von Arbeitsverträgen

Was nun die weiteren Informationen angeht, die zukünftig in Arbeitsverträgen enthalten sein müssen, so handelt es sich überwiegend um eine Erweiterung zu den Details, ein Arbeitsverhältnis betreffen. Konkret geht es um folgende Informationen:

  • Das genaue Enddatum des Arbeitsverhältnisses
  • Die Zusammensetzung und die Höhe des Arbeitsentgelts einschließlich der Vergütung von Überstunden, der Zuschläge, der Zulagen, Prämien und Sonderzahlungen sowie anderer Bestandteile des Arbeitsentgelts. Diese sind jeweils getrennt anzugeben, mit jeweiliger Fälligkeit und Art der Auszahlung.
  • Die genauen Angaben zur Arbeitszeit, insbesondere die vereinbarten Ruhepausen und Ruhezeiten sowie, wenn es um Schichtarbeit geht, das Schichtsystem, der Schichtrhythmus und die Voraussetzungen für Schichtänderungen.
  • Die Voraussetzungen hinsichtlich eines Anspruchs auf vom Arbeitgeber bereitgestellte Fortbildung.
  • Sofern vereinbart die konkreten Regelungen zur Wahl des Arbeitsorts durch den Arbeitnehmer.
  • Sofern eine Zusage zur betriebliche Altersversorgung über einen Versorgungsträger besteht, muss der Name und die Anschrift dieses Versorgungsträgers genannt werden, sofern nicht der Versorgungsträger zu dieser Information verpflichtet ist.
  • Die Dauer der Probezeit, wenn eine solche vereinbart wurde.
  • Die Möglichkeit der Anordnung von Überstunden und die Voraussetzungen, unter denen Überstunden angeordnet werden können.
  • Das bei der Kündigung des Arbeitsverhältnisses vom Arbeitgeber und Arbeitnehmer einzuhaltende Verfahren, mindestens das Schriftformerfordernis und die Fristen für die Kündigung des Arbeitsverhältnisses sowie die Frist zur Erhebung einer Kündigungsschutzklage.

Schriftformerfordernis und Bußgeldregelungen

Zwei Dinge fallen im Rahmen der neuen Regelungen auf: zum einen sind die wesentlichen Arbeitsbedingungen schriftlich niederzulegen. Vielleicht denkt der oder die geneigte Leser:in nun, dass schriftlich sicherlich auch die „elektronische“ Form erfasst. Dem ist aber nicht so.

Tatsächlich besagt das Gesetz in § 2 Abs. 1 Satz 3 NachweisG, dass die elektronische Form ausgeschlossen ist. Damit werden sich in den Unternehmen zukünftig Archive finden, in denen Arbeitsverträge in Papierform abgelegt werden. Man könnte lachen, wenn es nicht so traurig wäre.

Im besten Fall wurde bei dem Umsetzungsgesetz schlampig gearbeitet, denn Art. 3 der Arbeitsbedingungenrichtlinie, also der europäischen Richtlinie, die die Änderungen des Nachweisgesetzes nach sich zog, lässt ausdrücklich die elektronische Form zu. Allerdings ist naheliegend, dass der deutsche Gesetzgeber einfach nur keine Lust und kein Verständnis von den Möglichkeiten der Digitalisierung hat und keine Erleichterungen durch Digitalisierung zulassen will.

Dafür spricht schon die unsägliche Umsetzung der Online-Gründung von Gesellschaften (xxxxxxx). Zum anderen führen bestimmte Verstöße gegen das Nachweisgesetz zu Bußgeldern bis zu 2.000 Euro und zwar bei jedem Verstoß.

Wenn also beispielsweise ein Unternehmen die wesentlichen Arbeitsbedingungen von Mitarbeitenden mit einer qualifizierten elektronischen Signatur statt in der geforderten Schriftform niederlegt, kann dies zu einer Geldbuße führen. Es ist so unverständlich, wie es sich anhört.

Fazit: Neue Anforderungen an Arbeitsverträge

In Deutschland besteht die Ansicht, dass Arbeitnehmer im Rahmen von Arbeitsverhältnissen besonders zu schützen sind. Darüber kann man trefflich streiten, aber zumindest gibt es Punkte dafür wie auch dagegen. Jedoch zeigt sich in der Realität, dass mehr Flexibilität im Hinblick auf Beschäftigungen erforderlich wäre.

Mit den Änderungen im Nachweisgesetz geht der Gesetzgeber jedoch den gegenteiligen Weg: Es sind immer mehr Details zu regeln, die immer schwerfälliger geändert werden können. Das alleine ist schon eine bedenkliche Entwicklung.

Mit den Änderungen im Nachweisgesetz zeigt der deutsche Gesetzgeber aber noch etwas anderes: Digitalisierung ist kein ernst zu nehmendes Thema. Es ist vielmehr zum aus der Haut fahren: Versteht der Gesetzgeber wirklich so wenig, welche Erleichterungen sich aufgrund der Digitalisierung ergeben könnten?

Keine Lust auf Digitalisierung?

Warum wird nun wieder auf das Schriftformerfordernis zurückgegriffen, anstatt den Unternehmen mittels elektronischer Möglichkeiten Erleichterungen zu verschaffen? Da wird mit Mühe um die Einführung der elektronischen Signatur gekämpft, um dann an dieser Stelle wieder einen gewaltigen Schritt zurück zu gehen.

Es gibt doch auch im Bundestag Mitglieder, die die neuen Möglichkeiten verstehen, die sich aufgrund der Digitalisierung ergeben. Können die sich wirklich so wenig Gehör verschaffen? Vorliegend ist das Entsetzen besonders groß, weil sogar auf europäischer Ebene die elektronische Form für Arbeitsverträge in den Mitgliedsstaaten erlaubt wurde.

Der deutsche Gesetzgeber ignoriert einfach die von Europa erlaubten Möglichkeiten. Es hat immer mehr den Anschein, als habe er keine Lust auf Vereinfachung und insbesondere keine Lust auf Digitalisierung.

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Über den Autor

Carsten Lexa

Rechtsanwalt Carsten Lexa berät seit 20 Jahren Unternehmen im Wirtschafts-, Gesellschafts- und Vertragsrecht. Er ist Lehrbeauftragter für Wirtschaftsrecht, BWL und Digitale Transformation sowie Buchautor. Lexa ist Gründer von vier Unternehmen, war Mitinitiator der Würzburger Start-up-Initiative „Gründen@Würzburg”, Mitglied der B20 Taskforces Digitalisierung/ SMEs und engagiert sich als Botschafter des „Großer Preis des Mittelstands” sowie als Mitglied im Expertengremium des Internationalen Wirtschaftsrats. Er leitete als Weltpräsident die G20 Young Entrepreneurs´Alliance (G20 YEA). Bei BASIC thinking schreibt Lexa über Themen an der Schnittstelle von Recht, Wirtschaft und Digitalisierung.