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Start-up-Check! Das sind die Mini-Wasserkraftwerke von Turbulent

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Turbulent
geschrieben von Christoph Hausel

In der Serie „Start-up-Check!“ nehmen wir regelmäßig die Geschäftsmodelle von Start-ups unter die Lupe. Wer steckt hinter dem Unternehmen? Was macht das Start-up so besonders und was gibt es zu kritisieren? Heute: das belgische Start-up Turbulent.

Start-ups: Das klingt nach Erfindergeist, Zukunftstechnologien, neuen Märkten. Doch in der Realität erweisen sich viele der Neugründungen leider oft als eine Mischung aus einer E-Commerce-Idee, planlosen Gründern und wackeligen Zukunftsaussichten.

Dabei gibt es sie durchaus: Die Vordenker, die an den großen Problemen tüfteln und Geschäftsmodelle revolutionieren. Diese zu finden und vorzustellen, ist die Aufgabe des Formats Start-up-Check. Heute: Turbulent aus Wilselem, Belgien.

Was steckt hinter Turbulent?

Hinter Turbulent verbergen sich beileibe keine Turbulenzen mehr, die oftmals ein typisches Start-up durchlaufen muss. Turbulent ist aus dem Gröbsten raus und längst erwachsen geworden. Insofern handelt es sich also auch nicht mehr um ein Start-up.

Denn: Das Unternehmen wurde bereits im Jahr 2014 von Jasper Verreydt und Geert Slachmuylders gegründet. Und trotzdem lässt das disruptive Produkt, das das Unternehmen herstellt, diese Einordnung – quasi per Definitionem – immer noch zu.

Herzlich willkommen also bei diesem sehr reifen Start-up, bei dem Jasper Verreydt als CTO die Finanzen im Auge behält und sich Geert Slachmuylders mit seinem technischen Background als CTO und dessen Team um die Weiterentwicklung des, wie wir sehen werden, ohnehin schon mehr als nur überzeugenden Produktes kümmert.

Dahinter verbirgt sich die sogenannte Vortex Unterwasser-Turbine. Damit entwickelt Turbulent kosteneffiziente Mini-Wasserkraftwerke, die sich in so gut wie allen fließenden Gewässern installieren lassen.

Die Turbine lässt sich einzeln oder in einem Netz aus mehreren Turbinen betreiben, um einen höheren Energiebedarf zu decken. Dabei zeichnen sich die Turbinen durch eine extreme Langlebigkeit und einen geringen Wartungsaufwand aus.

Was macht Turbulent?

Die „Turbulenzwirbelturbine“ erzeugt 15 bis 70 KW Energie. Verbaut in eine Betonkonstruktion erzeugt sie die durch die Strömung und Fließkraft des Wassers einen Wirbelsog, aus dem schließlich die Energie für die Stromerzeugung gewonnen wird. Für die Installation sieht das Unternehmen grundsätzlich drei ideale Szenarien vor.

Es bietet sich in Flüssen mit Wasserfällen an, die einen Höhenunterschied von mindestens 1,5 Meter bis fünf Meter aufweisen. Dabei lassen sich die Turbinen sowohl direkt im Wasser als auch an Land – in diesem Fall ist die Konstruktion eines kurzen Wasser-Bypasses erforderlich – installieren.

Eine dritte Möglichkeit bieten Flüsse, die über eine Distanz von 100 Metern eine Höhendifferenz von mindestens acht Metern graduell überwinden. Die Turbine befindet sich dabei an Land, wobei das Wasser über einen längeren Bypass durch die Turbine geleitet wird.

Mini-Wasserkraftwerke mit nahezu unbegrenzten Einsatzmöglichkeiten

In dieser Form lassen sich die Turbulent-Wasserkraftwerke überall auf der Welt in Zusammenarbeit mit lokalen Stromanbietern oder Gebietskörperschaften installieren. Die Kooperation unterstützt Endverbraucher dabei, die Energie-Kosten niedrig zu halten. 

Dazu bietet Turbulent seinen Auftraggebern ein spezifisches Projektmanagement an.

Es besteht aus insgesamt vier Stufen und beinhaltet als ersten Schritt eine Machbarkeitsstudie. Dort erfolgt eine erste Beurteilung und eine Standortbewertung, gefolgt von einer Aufwandsschätzung sowie einer abschließenden Einschätzung, inwieweit sich das Projekt aus technischer und finanzieller Sicht trägt.

Auf dieser Basis treffen die Beteiligten schließlich die finale Entscheidung, ob ein Projekt realisiert wird oder nicht. Erst danach geht es in die Umsetzung. Sie setzt aus dem technischen Design und der Projektplanung, der eigentlichen Turbinen-Herstellung und der Vor-Ort-Installation – inklusive der Anbindung an das Stromnetz – sowie der Wartung zusammen.

Turbulent: Wasserkraftwerke mit einer Lebensdauern von 30 Jahren

Die Konstrukteure gehen dabei von einer Systemlebensdauer von 30 Jahren aus – vorausgesetzt, der Wartungsplan wird eingehalten. Der zeichnet sich durch einen minimalen Arbeits- und Wartungsaufwand aus. Für den Durchlauf eines vollständigen Serviceintervalls benötigt das System ganze drei Jahre (!).

Darin enthalten ist ein intelligentes Predictive-Maintenance-fähiges 24/7-Monitoring auf Basis eines IEC-61131-3 Controllers, der die Systemperformance per Fernwartung dauerhaft überwacht, auf konstant hohem Niveau hält und eine fortwährende Energieeinspeisung in das Stromnetz gewährleistet.

Was macht das Start-up Turbulent so besonders?

Die Besonderheit der Lösung steckt dabei im Detail ihrer Konstruktion. Neben den Standardfeatures wie einem vollautomatischen Schleusentor, das die Fließgeschwindigkeit kontrolliert, stellen außerdem diverse Netz- und Gitterstufen den reibungslosen Betrieb der Turbine sicher, weil sie etwa das Hineinfallen oder Hindurchfließen von Gegenständen verhindern. Ausgenommen davon sind Wasserlebewesen wie zum Beispiel Fische.

Das bauliche Design erzeugt nämlich eine zirkulierenden Wasserdurchfluss, der sich wiederum durch einen so niedrigen Wasserdruck auszeichnet, dass Fische und andere Wasserlebewesen problemlos hindurchschwimmen können. Um dieses technische Leistungsmerkmal herum gruppiert sich ein ökologisches Gesamtkonzept, bei welchem Nachhaltigkeit eindeutig im Vordergrund steht.

Im Gegensatz zu den umweltkritischen Ausmaßen konventioneller Wasserkraftwerke, die nicht selten mit riesigen Stauseen und gigantischen Staumauern verbunden sind, treten die ökologischen und ökonomischen Vorteile dieser Miniaturkraftwerke in vielerlei Hinsicht zu Tage.

Keine baulichen Eingriffe in Umwelt und Natur

So erfordern sie keinen baulichen Eingriff in Natur und Umwelt, sondern arbeiten vielmehr mit ihnen zusammen, indem sie ohnehin bereits vorhandene, aber als Energiequelle bisher unerschlossene Flüsse und Kanäle nutzen. Und dazu benötigen sie nicht einmal besondere Genehmigungen, heißt es auf der Website.

Dass könnte daran liegen, dass sie weder den natürlichen Flusslauf behindern noch künstliche Stauungen verursachen, gleichzeitig den Energiebedarf von Gemeinden und Dörfern mit maximal 500 Haushalten decken. Jede Turbine liefert dabei maximal 560.000 kWh Strom.

Dies gewaltige Energiemenge kommt dadurch zu Stande, weil es sich bei fließenden Gewässern um eine konstant verfügbare Energiequelle handelt. Gewässer fließen grundsätzlich ganzjährig. Dabei sind sie weniger stark von Wetterbedingungen abhängig, wie etwa die Sonne oder der Wind.

Gibt es Kritikpunkte? Nur Gutes und ein kleiner Haken

In dieser Form zielt Turbulent nicht nur auf die Installation von Turbinen ab. Das Produkt überzeugt vielmehr durch den Nebeneffekt, ein Ökosystem zu entwickeln, dass Biodiversität bewahrt und gleichzeitig den positiven wie nachhaltigen Impact auf seine Umgebung maximiert.

Auf dieser Grundlage kann Turbulent weltweit zahlreiche erfolgreich realisierte Projekte auf vorweisen. Von diesem Erfolg zeugt auch die „Trophycase“ des Unternehmens, die mit zahlreichen Awards und Preisen bestens gefüllt ist. Und auch die Zukunftsaussichten scheinen, Krise hin, Krise her, glänzend.

Die Auftragsbücher von Turbulent sind voll

Die Auftragsbücher sind voll. Ein Ende der rosigen Zeiten? Nicht absehbar. Zu groß ist die Nachfrage nach alternativen, erneuerbaren Energiequellen beziehungsweise  Technologien. Geld, das ist bei Startups natürlich immer ein Thema. Aber auch in diesem Punkt ist das Unternehmen gut aufgestellt.

Denn im Hintergrund zieht Mastermind und CEO Walter J.R. Buydens die Fäden. Der promovierte Umweltwissenschaftler verfügt über schier endlose Erfahrung im Hydro-Management und arbeitete in diesem Bereich jahrelang als Berater.

Kurzum: Er weiß, auf was es ankommt. Auf diese Expertise dürften auch die beiden Gründer, Jasper Verreydt und Geert Slachmuylders, nur allzu gerne und oft zurückgreifen. Und dass die Investoren bei dem Unternehmen Schlange stehen, ist wahrlich auch keine Überraschung. Beste Voraussetzungen also, um Turbulent sicher durch turbulente Zeiten zu führen.

Fazit: Turbulent

Einziger Haken aus meiner Sicht: Auf Grund der spezifischen Energiequelle bleibt das Unternehmen meiner Ansicht nach auf öffentliche Gebietskörperschaften limitiert. Denn: Durch welchen Privatbesitz fließt schon ein Fluss oder gar ein Kanal. Die Mehrheit der Endverbraucher dürfte nicht einmal über einen privaten Zugang zu einem Bach verfügen.

Das schließt eine vollständige Kommerzialisierung und Skalierung im Grunde aus, obwohl die Website mit einer kleinen Turbine, die maximal fünf KW liefert, ausdrücklich auch private Haushalte anspricht.

Und trotzdem: Dass Turbulent mit seiner sparsamen Lösung überall dort auf der Welt, wo sich fließende Gewässer befinden, Strom erzeugen kann – ohne dabei auf fossile Energien zurückzugreifen – öffnet dem Unternehmen und seinem Produkt im Grunde den gesamten Weltmarkt.

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Über den Autor

Christoph Hausel

Christoph Hausel, studierter Jurist und erfahrener Kommunikationsprofi, ist Co-Owner & Managing Director von ELEMENT C. Zudem steht er zahlreichen Acceleratoren als Mentor und Experte zur Seite: next media accelerator, MediaLab Bayern und Wayra. 2002 gründete er die Kommunikationsagentur ELEMENT C. Damals als reine PR-Agentur konzipiert, fokussiert sich ELEMENT C seit 2005 auf die interdisziplinäre Verknüpfung von PR und Design, um ein langfristiges Markenbewusstsein zu schaffen.