Im Rahmen der Klimakrise nimmt die Diskussion um den ÖPNV Fahrt auf. Allerorts ist man sich einig, dass dieser gestärkt werden muss, um dem Klimawandel etwas entgegenzusetzen. Ich glaube jedoch, dies ist ein völlig falsches Denken.
Der öffentliche Personennahverkehr, kurz ÖPNV, ist derzeit in aller Munde. Nicht nur wegen des 9-Euro-Tickets, das sich als großer Erfolg bei den Nutzer:innen, aber auch als große Herausforderung bei den Betreibenden herausstellt.
Auch im Hinblick auf die sich aktuell immer stärker bemerkbar machende Klimakrise. „Mehr ÖPNV, mehr ÖPNV, mehr ÖPNV“, heißt es deshalb überall. Denn so kann jeder Einzelne seinen CO2-Abdruck, verursacht durch Fahrten mit dem Pkw, verringern.
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Ich frage mich aber schon lange, ob dieses Denken nicht falsch ist. Falsch deshalb, weil wir für die anstehenden Herausforderungen zukunftsorientierte Lösungen brauchen. Und das kann ich beim Ruf nach mehr ÖPNV nicht erkennen. Wie ich zu dieser Meinung komme, möchte ich nun erläutern.
ÖPNV ist kein Modell der Zukunft
Das können wir aus dem 9-Euro-Ticket lernen
Auf den ersten Blick scheint es auf die Forderung „Mehr ÖPNV“ eine einfache Antwort zu geben. Mehr ÖPNV, also mehr Verbindungen im öffentlichen Nahverkehr, höhere Taktungen und größere Vehikel wie Busse und Bahnen, gibt mehr Menschen die Möglichkeit, den eigenen Pkw zu Hause stehen zu lassen und dennoch mobil zu bleiben.
Aber diese vermeintlich schnelle und einfache Lösung ist bei genauer Betrachtung nicht gut. Zum einen zeigt gerade das 9-Euro-Ticket, welche Probleme bestehen. Denn es wurde zwar ein sehr günstiges Angebot geschaffen, welches von vielen Menschen genutzt wird (ich selbst bin ein großer Fan des 9-Euro-Tickets und nutze es sehr stark).
Die Betreibenden aber waren nicht auf den Ansturm der Fahrgäste vorbereitet. Neue Verbindungen fehlen und auch Bus und Bahn werden nicht einfach so schneller und größer. Darüber hinaus können die Taktungen nicht mal einfach so erhöht werden.
Kommunen fehlt das Geld und Personal, um ÖPNV-Netze auszubauen
Nun könnte man sagen, dass sich dies doch alles noch ändern ließe. Aber genau daran habe ich meine Zweifel. Denn für höhere Taktungen braucht man mehr Personal. Und das ist eh schon knapp.
Auch neue Verbindungen für Straßen- oder U-Bahnlinien können nicht einfach so geschaffen werden. Die überbordende Bürokratie in Deutschland sorgt dafür, dass solche Baumaßnahmen Jahre, wenn nicht sogar Jahrzehnte brauchen, um umgesetzt zu werden.
Bei Buslinien mag das einfacher sein. Aber auch hier braucht es zumindest neue Busse, was die notorisch klammen Kommunen in Deutschland vor Investitionsprobleme stellt.
Und schließlich haben wir noch die Kosten. Wollte man den ÖPNV wirklich stärker nutzbar machen, dann muss dieser günstiger werden. Hier muss ein vor allem ein Umdenken erfolgen. Das Bereitstellen von ÖPNV-Leistungen sollte eine Leistung des Staates für seine Bürger sein und keine Gegenleistung für die Zahlung eines Entgelts.
Kosten für den ÖPNV soll von Bürgern getragen werden
Derzeit will sich der Staat allerdings die eine Milliarde, die das 9-Euro-Ticket im Monat kostet, nicht leisten. Sehr verwunderlich, weil doch eigentlich genau dieses Ticket das macht, was der Bund erreichen möchte: mehr Menschen in den ÖPNV bringen.
Wirklich merkwürdig das Ganze, möchte man meinen. Stattdessen soll es wieder eine Kostendeckung durch den Ticketpreis geben, ob 39, 49 oder 69 Euro ist noch nicht klar. Allerdings wird das ein böses Erwachen geben, denn der Erfolg des 9-Euro-Tickets liegt an der Kombination aus Preis und einfacher Handhabung. Fällt eine Komponente weg, dann verliert das Angebot sehr schnell an Attraktivität.
Wie soll die Mobilität in Deutschland künftig aussehen?
Einfach das bestehende ÖPNV-Angebot ausbauen? Nein, auf gar keinen Fall. Der Denkfehler beim Ausbau des ÖPNV-Angebots besteht darin, dass der Ausbau des ÖPNV die Vergangenheit betoniert, anstatt mit einem neuen Konzept in die Zukunft zu gehen. Und dieses Konzept lautet selbstfahrende elektrische Autos.
Das klingt jetzt vielleicht auf den ersten Blick nicht spektakulär. Doch wenn man darüber weiter nachdenkt, wird schnell klar, welche bestechenden Vorteile ein ÖPNV hätte, der nicht wie bisher auf Bus und Bahn setzt, sondern auf autonome E-Fahrzeuge.
Zum einen muss man nämlich dabei berücksichtigen, dass der Ausbau des ÖPNV in seiner aktuellen Struktur viele Jahre dauern wird. So plant beispielsweise die Stadt Würzburg seit 2009 an einer neuen Straßenbahnlinie 6. 2021 wurde dann mitgeteilt, dass 2024 mit dem Bau begonnen und die neue Linie 2027 in Betrieb gehen soll.
Rechnet man mit einer typischen Verzögerung von ein bis zwei Jahren, wird die Linie 6 ungefähr ab dem Jahre 2029 Menschen durch die Stadt befördern. Damit umfasst die gesamte Bauzeit 20 Jahren. Und das ist ja nicht nur in Würzburg so, sondern solche Planungszeiträume gelten überall in Deutschland.
Nichts ist so unflexibel wie der ÖPNV
Aber ist diese neue Straßenbahnlinie überhaupt sinnvoll? Das Problem bei solchen Beförderungsmitteln ist doch, dass diese ein unflexibles Angebot bieten. Die Haltestellen sind unveränderbar, genau wie die Frequenz der fahrenden Züge. Allerdings gewöhnen sich die Menschen immer mehr an flexible Mobilitätsangebote.
Wer einmal mit einem Uber unterwegs war, weiß, was ich meine. Denn mit der Klarheit über Preise, Flexibilität der Buchung und Fahrtdauer kann kein Taxi mithalten.
Natürlich kann man jetzt sagen, dass hier Äpfel mit Birnen vergleichen werden. Denn insbesondere beim Preis kann doch eine Straßenbahn- oder U-Bahnlinie punkten – diese sind einfach viel günstiger.
Aber ist nicht gerade das der Denkfehler? Straßenbahnen und U-Bahnen werden von der öffentlichen Hand betrieben. Uber, Lyft und Co. sind privatwirtschaftliche Unternehmen. Als solche sind sie gewinnorientiert. Was würde nun aber passieren, wenn die Kommunen oder gleich die Bundesrepublik Deutschland ein bundesweites Angebot selbstfahrender Autos zur Verfügung stellen würde?
Wie sieht die Zukunft ohne ÖPNV aus?
Stellen wir uns doch einmal kurz eine solche Zukunft vor. In einer Stadt gäbe es eine Vielzahl von selbstfahrenden Autos unterschiedlicher Größe. Diese Fahrzeuge nutzen die Straßen, die zu diesem Zwecke optimiert wurden.
Gleise müssen dafür nicht verlegt werden, es genügt, die Software und die Fahrzeuge bereitzustellen. Die Bürger:innen buchen solche Fahrzeuge flexibel für alle ihre Bedürfnisse seien dies Fahrten zum Arzt oder zum Einkaufen. Und das alles nicht nur in den Innenstädten, sondern auch in den umliegenden Dörfern.
Darüber hinaus würde durch dieses Angebot plötzlich ein kostengünstiger Ersatz für den eigenen Pkw geschaffen werden, ohne dabei Abstriche hinsichtlich der Flexibilität, Taktung oder des Preises zu machen – die Gemeinde muss ja nicht den Gewinn maximieren, sondern lediglich ein Angebot kostendeckend zur Verfügung stellen. Im Optimalfall sogar kostenfrei, wenn die Kommune den ÖPNV als Recht der Bürger:innen anerkennen würde.
Darüber hinaus würden selbstfahrende Autos durch einen solchen Schritt einen ungeheuren Antrieb bekommen. Wenn sich die Bundesrepublik Deutschland dazu aufraffen könnte, den ÖPNV auf flexible autonome Fahrzeuge umzustellen, dann würde deren Entwicklung rasant voranschreiten.
Und noch ein Effekt würde sich einstellen: Deutschland wäre plötzlich ganz vorne dabei, wenn es um die Gestaltung der Zukunft geht.
Wunschdenken darf doch mal erlaubt sein
Denken wir Mobilität mal nicht einfach nur neu, sondern mit einem klaren Blick auf die Zukunft. Lassen wir unflexible Angebote, die teuer und mit hohem Aufwand verbunden sind, links liegen und schaffen wir einen neuen ÖPNV, der den Menschen eine flexible, kostengünstige und umweltschonende Möglichkeit an die Hand gibt.
Einfach nur den ÖPNV auszubauen, wird die Umwelt nicht retten. Ein neues Mobilitätsdenken aber könnte das schaffen.#
Über den Autor:
Carsten Lexa ist nicht nur Rechtsanwalt für Gesellschafts- und Vertragsrecht, sondern war der Weltpräsident der G20 Young Entrepreneurs´ Alliance, der größten Vereinigung junger Unternehmer:innen bei der G20 und Gastgeber des G20 YEA Digitalisierungsgipfels für die Wirtschaftsjunioren Deutschland in Berlin. Auf Einladung der Europäischen Europäischen Kommission nahm er am mehrfach am Europäischen SME Summit teil. Seine Erfahrungen mit den Entwicklungen des digitalen Wandels hat er in dem Buch „Fit für die digitale Zukunft“ niedergeschrieben, das 2021 im Springer Gabler-Verlag erschien.
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