Meike Neitz ist digitale Botschafterin und hat bereits in Algerien, Indonesien und der Türkei gearbeitet. Zuletzt hat sie über ein Jahr lang für die Entwicklungshilfeorganisation GIZ in Namibia Start-ups unterstützt. Im Interview mit uns spricht sie über ihre Erfahrungen und verrät, warum Namibia „ein höchst bürokratisches Land“ ist.
BASIC thinking: Hallo Meike, du bist seit Kurzem erst zurück in Deutschland. Zuvor warst du über ein Jahr lang für die Entwicklungshilfeorganisation GIZ in Namibia und hast dort Start-ups unterstützt. Wie kam es dazu?
Im Dezember 2019 habe ich angefangen als Digitale Botschafterin zu arbeiten und bin dann im Februar, als in Deutschland noch Covid wütete, nach Namibia gegangen In meinen ersten Berufsjahren habe im Bereich Emerging Markets Consulting gearbeitet.
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Als ich damals zurück nach Deutschland kam, bin ich mehr oder weniger durch Zufall bei Vural Öger gelandet und habe dann angefangen, „Die Höhle der Löwen“ zu betreuen. Dadurch bin ich sehr tief in die Start-up-Welt hineingerutscht. Dabei habe ich mich immer gefragt, ob diese beiden Welten noch miteinander verschmelzen.
In Köln wurde ich einmal eingeladen, einen Vortrag über die deutsche Start-up-Szene vor Unternehmern aus Ruanda zu halten. Es stellte sich dann heraus, dass sie von einem digitalen Botschafter im Rahmen des gleichen Programms begleitet wurden, um Unternehmertum in Deutschland kennenzulernen und Handelsbeziehung zu knüpfen.
Ich habe sofort gewusst dass diese neu geschaffene Stelle als digitale Botschafterin genau das ist, was ich lange gesucht hatte – also Emerging Markets in Kombination mit Digitalisierung, digitale Transformation und Tech. Dann habe ich mich beworben und wurde genommen.
Gab es dabei einen ausschlaggebenden Punkt für Namibia?
Das war tatsächlich Zufall. Bei der GIZ landet man als Digitale Botschafterin in einem Kandidatenpool. Man bewirbt sich also zunächst länderunspezifisch. Die einzelnen Manager in den Ländern gucken dann, wen sie gebrauchen könnten.
Sie schauen sich die unterschiedlichen Profile an. Es gibt Leute, die kommen beispielsweise eher aus dem Bereich Deep-Tech oder EduTech. Mein Start-up-Profil hat dann genau auf die Stelle in Namibia gepasst.
Die Startup-Szene in Namibia
Wie ist es um die Start-up-Szene in Namibia bestellt?
Sie ist extrem klein und noch sehr jung. Namibia hat eine kleine Bevölkerung – nur 2,5 Millionen Menschen – und die Start-up-Szene befindet sich noch in der Entstehung. Es gibt beispielsweise nur eine Handvoll Start-ups, die der klassischen Definition entsprechen.
Das Gute daran war, dass wir in relativ kurzer Zeit viel aufbauen konnten. Wir haben viel Öffentlichkeitsarbeit geleistet, weil man das Thema auch erst einmal an die breite Öffentlichkeit tragen muss. Auf kleinerer Ebene haben wir Start-up-Programme designt und durchgeführt, um Menschen zu inkubieren, also ihnen zu helfen, neue Unternehmen zu gründen.
Außerdem haben wir viel mit der lokalen Regierung gearbeitet, also aktiv Lobbyarbeit betrieben.Das war ein ganz wichtiger Faktor, damit Gelder und Programme für Start-ups nicht von fremden Organisationen wie der GIZ stammen. Die müssen langfristig meiner Meinung nach vor allemaus dem Land selbst kommen, damit es nachhaltig ist.
Namibianische Unternehmen haben sich bislang beispielsweise kaum für Start-ups interessiert oder engagiert. Und so war es auch bei der lokalen Regierung: Gelder sind da, aber ein Verständnis dafür, wie wichtig Start-ups für eine lokale Wirtschaft, für Innovationen und für neue Arbeitsplätze sind, dieses Bewusstsein musste erst einmal entstehen. Und da sind wir mittlerweile an einem ganz guten Punkt.
Wie sah deine Anfangszeit in Namibia?
Das Spannende an meiner Position als digitale Botschafterin war, dass man nicht im GIZ-Büro sitzt, sondern eine bezahlte Kraft für eine Partnerorganisation ist. Meine Partnerorganisation in Namibia war eine private Entrepreneurship-Organisation namens Dololo.
Die haben als Dienstleister Start-up-Programme aufgesetzt und durchgeführt, Workshops gemacht, hatten einen Co-Working-Space und so weiter. Die habe ich mit allem was ging unterstützt.
Ich habe dann geguckt, was das Ökosystem braucht und auf welcher Ebene. Mit dem Dololo-Team und meinem GIZ-Team von Startup Namibia habe ich dann eine Art Roadmap entwickelt.
Start-ups in Deutschland und Namibia
Was war dabei der wesentliche Unterschied zur deutschen Start-up-Szene?
Ich glaube, dass Deutschland in den vergangenen zehn Jahren einen wahnsinnigen Hype zum Thema Start-ups erfahren hat. Ob das beispielsweise durch „Die Höhle der Löwen“ oder globale Strömungen begründet war, lässt sich dabei im Nachhinein schwer sagen.
Der Hype und das Thema war aber da. In Namibia ist das Thema zu dem Zeitpunkt aber noch nicht angekommen. Warum soll ich Unternehmerin werden statt in einen sicheren Job zu gehen? In einem Land, in dem viele Menschen Schwierigkeiten haben, ihre Familie zu ernähren, ist Startup erstmal ein Luxus.
Und so denken die meisten Uni-Graduierten denken gar nicht darüber nach, dass sie auch etwas Eigenes aufbauen könnten. Deren Hauptziel ist es, in irgendeinem im öffentlichen Sektor zu arbeiten, der gut bezahlt ist und wo es ordentliche Renten gibt oder im sicheren Privatsektor wie Banken oder Versicherungen
Das ist in den Emerging Markets oft eine Hürde, denn es fehlt ein soziales Sicherheitsnetz wie es dies beispielsweise in Deutschland gibt. Dafür sind Startups aber umso wichtiger ist aber umso wichtiger, weil Namibia ein relativ innovationsarmes Land ist. Deswegen müsste es viel mehr Unterstützung und Hilfen geben – vor allem für Unternehmen, die an neuen innovativen Lösungen für das Land arbeiten.
Namibia ist „ein höchst bürokratisches Land“
Trotz Start-up Strategie der Bundesregierung gibt es im Start-up-Bereich noch viel Bürokratie. Wie ist das in Namibia?
In vielen afrikanischen Ländern gibt es da eine positive Bewegung. Tunesien war das erste afrikanische Land, das nach Italien eine Start-up-Act gesetzlich verabschiedet hat. Danach kamen der Senegal und einige andere Länder.
Das Problem in Namibia ist, dass es ein höchst bürokratisches Land ist. Da wäre es dringend notwendig, Reformen einzuleiten, für die wir auch geworben haben. Aber das alles ist ein sehr langer Prozess. Da hätte ich vermutlich noch zehn Jahre dort bleiben müssen, um das zu erleben.
„Wertschätzung kommt in Deutschland oftmals zu kurz“
Was hat dich am meisten überrascht und was hat dich vielleicht auch schockiert?
Toll war die positive Energie von vielen, ihr Land zum Besseren zu entwickeln und zudem die Wertschätzung der Namibianer für mein Engagement.. Das habe ich in der Form noch nicht erlebt und das hat mich sehr geprägt. Die Menschen sind wahnsinnig dankbar und spiegeln das sehr für deine eigene Arbeit zurück.
Diese Wertschätzung kommt in Deutschland oftmals zu kurz – dass einfach mal Danke gesagt wird. Traurig gemacht hat mich, dass man mit viel Energie und Rückenwind Gespräche führt und eine gewisse Euphorie und Drang etwas zu bewegen im öffentlichen Sektor zu spüren denkt, und dies dann schnell verpufft, weil letztlich einfach doch kaum etwas passiert.
Viele Menschen in Namibia, gerade die an gewissen Hebeln sitzen, sind komfortabel. Die könnten so viel machen und es schmerzt dann , wenn ein so kleines Land mit einerseits so vielen strukturellen Problemen, aber andererseits auch so viel Talent und so viel Potenzial, es ungenutzt lässt.
Man könnte sich die Größe zu nutzen machen, Namibia als “Sandbox” im doppelten Sinn positionieren und in schnellen Innovationszyklen neue Lösungen im Land testen und etablieren.
Welche Start-ups stehen in Namibia in der Pipeline?
Das spannendste ist sicherlich Jabu. Das ist das erste Namibianische Start-up, das auch international hohe Wellen geschlagen hat Beispielsweise durch die Aufnahme in den Y-Combinator, was kürzlich zu einer großen Finanzierungsrunde über 15 Millionen US-Dollar von Tiger Global geführt hat. Das war sehr wichtig für das ganze Ökosystem.
In Namibia gibt es da einen sehr großen informellen Retail-Sektor, also viele Geschäfte und Kioske. Und Jabu hat sowohl Logistik als auch Finanzierung und Einkauf für diesen Sektor strukturiert. Die Menschen haben vorher beispielsweise ihren Laden dichtgemacht, um Ware einzukaufen und ihn dann ein paar Stunden später wieder aufgemacht.
Es gab da also überhaupt keine Logistiklösung. Um das zu strukturieren und zu professionalisieren, hat Jabu eine Lösung, die das für den Sektor organisiert. Das ist spannend und läuft auch sehr gut.
Fazit: Die Start-up-Szene in Namibia
Wie lautet das Fazit deiner Zeit und Arbeit in Namibia?
Ich hatte eine unglaubliche tolle Zeit und ich hab sehr viel mitgenommen, vor allem was das Thema Ökosystem-Aufbau angeht. Außerdem nehme ich viel Energie mit, von dem, was ich umsetzen konnte.
Aber auch informelle Dinge wie eine andere Leichtigkeit oder Fröhlichkeit. Für mich war es dabei wichtig zu sehen, wie viel man auch als Einzelperson leisten und bewegen kann.
Bergen Namibia oder Afrika denn auch für deutsche Unternehmen Potenzial?
Ich denke schon. Afrika ist der Kontinent der Zukunft, auch wenn jedes einzelne Land seine eigenen Chancen und Herausforderungen hat. Aber für alle Sektoren gibt es auch viele Möglichkeiten zu investieren und Wertschöpfung aufzubauen.
Es gibt da beispielsweise ein junges Unternehmen namens Polycare, die haben eine innovative Lösung entwickelt, mit dem man in Namibia nachhaltig Häuser mit wenig Ressourcen bauen kann. Und die sind dort sehr erfolgreich.
Aber auch im Business-Sektor können auch deutsche Unternehmen hervorragend investieren. Es ist sogar ein gutes Land, um Tech-Lösungen für den afrikanischen Markt zu testen.
Das hat beispielsweise ein befreundetes dänisches Familienunternehmen getan, die dort ihr HR System eingeführt haben und nun von Namibia in die SADC-Region expandieren. In Afrika geht es da teilweise schon hochmodern zu, auch wenn viele ein anderes Bild haben.
Die Start-ups in Namibia: Ein persönlicher Ausblick
Wie geht es jetzt für dich persönlich weiter und auch für die Start-up-Szene in Namibia?
Persönlich fange ich ab dem 1. August einen neuen Job ab, den ich aber noch nicht verraten möchte. Ich freue mich aber auch sehr wieder für BASIC thinking zu schreiben. Einen Fuß werde ich aber sicherlich in Namibia behalten. Ich habe mich beispielsweise mit Daniel Schönwitz, der das Buch ‘Africa First’ gemeinsam mit dem Unternehmer Martin Schoeller geschrieben hat, darüber ausgetauscht, wie ich mich von hier aus weiter engagieren kann – die Kernaussagen von Africa First’ finde ich sehr wichtig und richtig.
Es gibt zudem einige Projekte, die natürlich weiterlaufen. Wir haben große Anstrengungen unternommen, dass in Namibia vor allem noch mehr Geld aus privaten Taschen kommen muss, um die Szene nachhaltig aufzubauen – genau wie hier viele Corporate-Inkubatoren, Acceleratoren und Business Angels Startups aktiv unterstützen. Deshalb haben wir auch das Namibia-Business Angel-Netzwerk (NABAN)vorangetrieben.
Für die werde ich mich sicherlich weiter engagieren. Die Start-up-Szene steht vor einer schwierigen Situation, weil große Player, die sie jahrelang finanziert haben, es wahrscheinlich im nächsten Jahr nicht mehr tun. Das heißt, es muss eine Umstellung und ein Umdenken geben. Wenn das nicht passiert, wird es sehr schwer. Das muss man jetzt einfach beobachten.
Übrigens zum Thema Engagement von Einzelnen: Auch wer nicht direkt investiert, kann in Namibia auch im Kleinen etwas bewegen: Beispielsweise kann ich allen Digitalnomaden da draußen Namibia nur empfehlen – um zu arbeiten, das Land zu bereisen, aber auch um Wissen aufzubauen und weiterzugeben.
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