Früher oder später gelangt jeder Onlineshop und jeder B2C-Anbieter zu dem Punkt, an dem das Thema Affiliate Marketing eine interessante Option wird. Sei es wegen der zu hohen Abhängigkeit von Amazon, sei es durch die immer steigenden Ausgaben im Displaymarketing und Adwordsbuchungen oder einfach nur, weil jemand die Möglichkeit für ein eigenes Affiliate Partnerprogramm in den Raum geworfen hat. Schliesslich ist dies der einzige Marketingzweig, der durch seine performancebasierte Abrechnung ohne fixes Budget auskommt.
Der nächste, logische Schritt ist die Überlegung, wie genau so eine Affiliate-Strategie aussehen sollte. Und das ist genau der Punkt, an dem die meisten, ob fehlender Erfahrung und/oder Know-How fast schon wieder das Handtuch werfen. Genau hier soll dieser Artikel – verfasst von Tibor Bauer, einem der bekanntesten Affiliate Experten der deutschen Affiliate-Szene – eingreifen und erste Hilfestellung leisten.
Um ein Affiliate Partnerprogramm zu starten, sind einige Vorüberlegungen notwendig. Die wichtigsten Punkte dabei sind
- Netzwerk
- Partnermodelle
- Provisionsmodell
- Technik
- Gutschein-Thema
- Workflow intern/extern
- Zielsetzungen und Erwartungshaltung
Gehen wir alle Punkte gemeinsam durch. Es ist wichtig sich mit jedem Punkt im Vorfeld auseinander zu setzen und bereits vor dem Start die Antworten in der Tasche zu haben. Hat man alle Punkte geklärt, ist das Aufsetzen an sich eine Kleinigkeit.
Welches Affiliate-Netzwerk soll ich wählen?
Die zwei wichtigsten Fragen hierzu sind:
- In welchem Land soll das Programm starten / soll das Programm später international erreichbar sein
- Handelt es sich beim Produkt um ein Spezialbereich oder standard-eCommerce?
Wenn man sich auf ein Land beschränkt, ist es immer gut ein heimisches Affiliate Netzwerk zu wählen. Dort sitzen Account Manager, die das Land kennen, die wissen, wie Affiliate in dem Land funktioniert und die auch die richtigen, erfolgreichen Partner aus dem Land in ihrer Kurzwahl haben.
Sollte allerdings im Vorfeld klar sein, dass das Partnerprogramm früher oder später in verschiedenen Ländern ausgerollt werden soll, so sieht man sich nach einem Netzwerk-Partner um, der (im besten Fall vor Ort) diese Länder abdecken kann. Es ist viel einfacher, und meist kostengünstiger, mit einem Netzwerk in einem neuen Land zu starten, als immer wieder ein neues zu wählen.
Trotzdem sollte man auch eine mögliche 2-Netzwerk-Strategie sich überlegen. Eventuell ist es hilfreich, ein internationales Netzwerk und ein kleineres, beheimatetes Netzwerk zu wählen.
Die zweite Frage betrifft das Produkt an sich selbst. Es gibt Spezialnetzwerke für digitale Produkte, für Banken- und Versicherungswesen, aber auch für Telekommunikation und Erotikangebote. Je nach Land gibt es ganz spezielle Netzwerke, die sich einem Thema verschrieben haben. Hat man einen dieser Produkte, ist es ratsam, an diese Netzwerke sich zu wenden.
Ansonsten ist es im Großen und Ganzen vollkommen egal, wo man hingeht. So gut wie jedes Netzwerk hat eine ähnliche Trackingtechnologie und fast jeder Affiliate ist in fast jedem Netzwerk zu finden. Ausschlaggebend sollte einmal das Angebot sein, welches das Netzwerk unterbreitet, die eigenen Erfahrungen mit den jeweiligen Netzwerken und /oder aber die Erfahrung der Person, der schlussendlich für das Programm verantwortlich sein wird. Denn diese Person muss Tag für Tag mit den Funktionen und Eigenheiten des Netzwerkes klarkommen.
Affiliate Marketing ist People Business – es kommt weniger auf das was als auf das wie und auf das mit wem an.
Welche Partnermodelle soll ich zulassen? Welche gibt es überhaupt?
Man kann sagen, über Affiliate Marketing kann man alles abbilden was man sonst an Marketingaktivitäten macht, doch alles auf CPO und CPL (per Sale und per Lead). Im Wesentlichen arbeitet man mit folgenden Partnermodellen
- Retargeting – sowas wie Criteo aber eben auf Salesbasis
- Cashback – z.B. Shoop. Der Partner gibt ein Teil seiner eigenen Provision an den Endkunden weiter
- Gutscheinseiten
- Contentseiten – Seiten, die thematisch sich mit dem Produkt oder der Zielgruppe beschäftigen
- Closed Groups – wie Mitarbeitervorteile, die Angebote sind nur einer speziellen Gruppe zugänglich
- Displaypartner – statt TKP (CPM) alles auf CPO Basis
- Loyalty – wie Payback oder Deutschlandcard
- CSS-Partner – Affiliates die z.B. bei GoogleShopping Anzeigen schalten
- Adwords-Partner
Diese Partner entsprechen wohl dem größten Anteil des Affiliate-Umsatzvolumens. Es gibt noch weitere tolle Technikpartner, doch das würde den Rahmen sprengen. Die Frage hier ist, wer sollte im Partnerprogramm mitmischen dürfen. Diese Entscheidung muss jedes Unternehmen für sich treffen.
Ist für einem Shop das Thema Gutscheinmarketing ein Dorn im Auge, bedeuten diese Partner für einen anderen Shop die beste Vertriebslösung ever. Bei den Loyalty-Partnern gibt es vielleicht schon eine Direktkooperation und das verhindert die Zusammenarbeit mit anderen dieser Art. Die Überlegungen muss jeder Programmbetreiber für sich treffen.
Empfehlenswert zu Anfang wäre, soweit möglich, auf keinen der Partnermodelle zu verzichten. Man kann im laufenden Betrieb auswerten und das Programm dementsprechend seiner Entwicklung optimieren.
Wieviel soll ich eigentlich an meine Partner zahlen?
Zu dem Thema „Was kostet Affiliate Marketing“ gibt es bereits einen Artikel, in dem kurz auf die Kosten eingegangen wird. Zu den Überlegungen sollten aber folgende Punkte hinzugezogen werden.
- Möchte ich Neu- und Bestandskunden gesondert verprovisionieren?
- Möchte ich ein Attributionsmodell erstellen, bei dem die Reihenfolge in der Costumer Journey entscheidet, wer wieviel bekommt?
- Sollte ich eine Provisionsstaffel erstellen, die gute/bessere Affiliates mit höheren Provisionen belohnt?
- Möchte ich verschiedene Provisionen für verschiedene Produkte/Produktgruppen zahlen oder doch eine Mischkalkulation?
Und noch ein wichtiger Rat: Bei jeder Kalkulation darf man die Netzwerkgebühr nicht vergessen. Da Netzwerke ihre Gebühren in der Regel an der Publisherprovision festmachen, liegen die Effektivkosten per Sale oder Lead immer bei Publisherprovision plus Netzwerkprovision. Wenn das Netzwerk also 30% Netzwerkfee auf die Publisherprovision berechnet, so rechnet man für die Effektivkosten mit Grundprovision x 1,3. Liegt die Netzwerkfee bei 25%, so ist die Rechnung Grundprovision x 1,25 usw.
Was muss ich technisch beachten?
Das Tracking im Affiliate Marketing ist das A und O. Ohne Tracking können die Partner und das Netzwerk nicht bezahlt werden und man hat keine Möglichkeit den Erfolg des Partnerprogramms zu messen. Dabei gibt es einige Überlegungen und wichtige Hinweise.
Je nachdem welche Webseiten- oder Shopsoftware verwendet wird, gibt es bereits vorgefertigte Plugins der Softwarehersteller für Affiliate Netzwerke. Bei jedem Setup fragt die Technik direkt als erstes nach der Software.
Will man Retargeting-, Pretargeting- und einige andere technischen Partner anbinden, ist neben einem Standardtracking, der Einbau eines Trackingcontainers notwendig. Je nach Netzwerk sind es ein oder zwei verschiedene Codes, die implementiert werden müssen. Hier sollte man im Vorfeld in Erfahrung bringen, ob der Inhouse-Techniker oder der technische Dienstleister für die Webseite sich damit auskennt, aber auch, ob die Webseite an sich die Möglichkeit für Affiliate Marketing bietet.
Beim Thema Retargeting ist auch eine HTLP, eine high traffic landingpage zu erstellen. Die Seite verhindert, dass der hauseigene Server durch den zusätzlichen virtuellen Traffic überlastet wird.
Will man mit mehreren Netzwerken starten, ist eine Trackingweiche unabdingbar. Ansonsten läuft man Gefahr, Sales doppelt zu vergüten. Auch hier ist im Vorfeld zu klären, wer sich damit auskennt und ob man eventuell Leistung oder Lösung dazukaufen muss.
Mittlerweile ein wichtiger Punkt im Tracking ist das Thema 1st Part Tracking. Es ist notwendig diese oder eine andere Alternativtechnologie zum klassischen Drittanbietertracking zu implementieren. Hier hilft aber jederzeit das Netzwerk weiter.
Wie gehe ich mit dem Thema Gutscheine um?
Wie bereits erwähnt, ist je nach Shop das Thema Gutscheine Fluch oder Segen. Er gibt Anbieter, die generell ohne Gutscheine arbeiten. Da macht auch das Zulassen von Gutscheinpartnern keinen Sinn. Sollten Gutscheine im Umlauf sein, oder zukünftig in Umlauf gebracht werden, so gibt es verschiedene Überlegungen.
- Dürfen Partner die sogenannten „Ehda-Gutscheine“ verwenden? (Das sind Gutscheine die auf der Seite „eh-da-sind“)
- Sollen Partner nur Gutscheine und Aktionen verwenden dürfen, die für den Affiliate Kanal erstellt worden?
- Dürfen Partner Aktionen bewerben, die in anderen Kanälen zum Tragen kommen?
- Sollen Sales, die nicht mit reinen Affiliate-Aktionen generiert wurden, vergütet werden?
- Will ich überhaupt nur für Affiliate Partner Aktionen gestalten?
- Soll ich / kann ich separate Landingpages für den Affiliate Kanal zur Verfügung stellen?
Wie man sieht, sollte dies im Vorfeld durchdacht werden. Es gibt sicherlich noch weitere, interessante Fragen zu dem Thema.
- Wie sieht eigentlich der Tagesworkflow aus?
- Habe ich überhaupt Manpower, um das Thema richtig zu bearbeiten?
- Muss eventuell eine eigene Stelle für das Affiliate Management kreiert werden?
- Muss ich mir von extern Manpower und/oder Consulting-Leistung einkaufen?
- Falls ja, was würde das mich kosten?
- Sind andere Abteilungen in die Abläufe im Affiliate Marketing involviert oder kann der „kurze Dienstweg“ genutzt werden?
- Müssen eventuell andere Abteilungen in Sachen Affiliate geschult / sensibilisiert werden?
Gerade die zwei letzten Punkte sind, vor allem in größeren Unternehmen, extrem wichtig. Falsches Verständnis oder gar Abteilungskleinkriege können sich direkt am fehlenden Umsatz bemerkbar machen.
Wann ist mein Affiliate Marketing erfolgreich?
Obwohl an letzter Stelle, ist dieser Punkt mitunter der wichtigste. Es ist nicht nur notwendig, eine rationale und gesunde Erwartungshaltung zu definieren, sondern auch stets die Ergebnisse auszuwerten und zu optimieren. Für die Optimierung allerdings braucht man Ziele. Woher soll man wissen, ob das, was gerade läuft gut ist oder nicht? Dabei ist Zielsetzung und Erwartungshaltung nicht dasselbe.
Man erwartet, dass der Affiliate Kanal selbst zusätzliche Sales generiert, aber auch die anderen Kanäle mit unterstützt. Die Zielsetzung lässt sich aber in klaren Zahlen ausdrücken. Im Durchschnitt beträgt der Anteil des Affiliate Kanals zwischen 5% und 15% des Gesamtumsatzes. Dies variiert je nachdem wie viele andere Kanäle bespielt werden, wieviel im Affiliate erlaubt und verboten ist und wie stark das eigene Programm gegenüber den Mitbewerbern ist.
Klare Ziele sind, gerade im ersten Jahr des Partnerprogramms sehr wichtig. Es geht nicht darum, diese Ziele zu erreichen, sondern um Erfahrungen zu sammeln und herauszufinden, ob der Kanal Affiliate Marketing überhaupt die Power hat, in die richtige Richtung zu gehen.
Erst im zweiten Jahr, kann man die gesammelten Ergebnisse und Erfahrungen nutzen, um die erreichten Ziele neu zu bewerten und ein neues, optimiertes Ziel zu setzen. Dabei sind harte Zwischenziele wie KPI`s genauso wichtig wir softe. Softe Ziele können u.a. das Erreichen einer bestimmten Publisheranzahl sein, der Abschluss einer Sondervereinbarung, die Buchung von möglichen Sonderplatzierungen sein etc.
Wie man sieht, gibt es sehr viel Punkte zu bedenken. Die Aufgeführten Gedanken sind nur ein Teil von dem, was man gerade bei einem Neustart beachten muss.
Zum Autor: Tibor Bauer selbst arbeitet seit 18 Jahren im Affiliate Marketing. Zu seinen Aufgaben als Affiliate Consultant zählt u.a., seine Kunden bereits vor dem Start eines Partnerprogramms mit Ideen, Erfahrung und Wissen zu unterstützen. Er berät und betreut sowohl Programmbetreiber als auch Agenturen und Affiliates. Weitere Infos findest du unter https://tibor-bauer.de.