Wirtschaft

Was Gründer und Start-ups aus dem Fall Fynn Kliemann lernen können

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unsplash.com/ De an Sun
geschrieben von Carsten Lexa

Influencer Fynn Kliemann soll bewusst falsche Angaben beim Handel mit Atemschutzmasken gemacht und so Geschäftspartner getäuscht haben. Er soll die Lieferung fehlerhafter Masken an Flüchtlinge mit organisiert und finanziell profitiert haben. Öffentlich hat er das abgestritten. Was Gründer und Start-ups aus dem Fall Kliemann lernen können. 

Das Verhalten von Fynn Kliemann möchte ich in diesem Beitrag nicht konkret juristisch bewerten. Die Faktenlage wird von den entsprechenden Behörden aufgearbeitet. Bis eine eindeutige zivilrechtliche und strafrechtliche Beurteilung möglich ist, wird wohl noch einige Zeit vergehen.

Dennoch lassen sich aus dem Fall Kliemann wichtige Erkenntnisse für Gründer:innen und Start-ups gewinnen – für den Fall, dass Dinge einmal nicht optimal oder wie geplant laufen.

Fynn Kliemann: Erkenntnisse für Gründer und Start-ups

Derzeit liegt die Diskussion im Fall Kliemann auf der Beurteilung von dem, was er getan beziehungsweise nicht getan und gewusst oder nicht gewusst hat. Daraus haben sich schon und werden sich noch Konsequenzen ergeben.

Allerdings ist es mindestens genauso spannend, wie Fynn Kliemann insgesamt mit der Situation umgegangen ist und wie seine Reaktionen waren. Ich möchte versuchen, fünf Lehrern aus dem Fall Kliemann für den Umgang mit Krisensituationen zu ziehen.

1. Die Öffentlichkeit ist ein zweischneidiges Schwert

Viele Gründer:innen wünschen sich für ihre Geschäftsidee und ihr Start-up Aufmerksamkeit in der Öffentlichkeit. Und das macht auch Sinn, denn Aufmerksamkeit bedeutet Sichtbarkeit und Sichtbarkeit kann zu mehr Kund:innen und damit Absatz und Umsatz führen.

Was jedoch oftmals nicht einfach ist, ist die Art, wie jemand oder etwas in der Öffentlichkeit dargestellt wird. Denn der Einfluss darauf ist begrenzt und erfordert ein vorsichtiges und geplantes Vorgehen. Und wenn dann ein bestimmtes Bild vorherrscht, dann führt eine Veränderung dieses Bildes zu Irritationen, die schnell ins Negative umschlagen können.

Fynn Kliemann hatte sich das Bild eines fairen, ehrlichen und authentischen Unternehmers aufgebaut. Dieses Bild hat jedoch Risse bekommen. Das kann – leider – immer mal passieren. Allerdings hat er eine laissez-faire-Attitüde an den Tag gelegt, die nicht angebracht war.

Vielmehr hätte er eine zielgerichtete Krisenstrategie gebraucht, um mit den Vorwürfen umgehen zu können. Da er dies nicht hatte, veränderte sich das Bild von ihm in der Öffentlichkeit drastisch. Und diese neue Bild wurde dann maßgeblich in der Öffentlichkeit.

2. Krisen erfordern einen Plan

Daraus ergibt sich gleich die zweite Erkenntnis, nämlich dass der Umgang mit Krisen einen Plan braucht. Gründer:innen sollten nämlich wissen, dass immer etwas schiefgehen kann. Unternehmerisches Handeln erfordert, dass man mit Problemen umgehen muss. Doch das „Wie“ entscheidet.

Nun ist natürlich klar, dass man nicht immer weiß, welche Probleme auftauchen werden und deshalb auch nicht immer einen klaren Reaktionsplan hat. Aber eine grobe Marschrichtung sollte bestehen für den Fall, dass eine Krise auftaucht.

Das erfordert auch, dass Gründer:innen sich damit beschäftigen, was überhaupt schiefgehen kann. Dies gilt umso mehr, wenn das Unternehmen beziehungsweise die Gründer:innen im Licht der Öffentlichkeit stehen.

3. Professionelle Kommunikation ist in Krisen entscheidend

Was ich im Fall Kliemann interessant fand, war die Art, wie er mit den Vorwürfen umgegangen ist. Der Bericht des „ZDF Magazin Royale“ war polemisch, keine Frage. Aber er war auch stringent aufgebaut und es gab glaubwürdige Behauptungen gegen Kliemann.

Darüber hinaus ist ZDF Magazin Royale nicht dafür bekannt, einfach so etwas ins Blaue hinein zu behaupten. Denn dieses Sendeformat und Jan Böhmermann haben einen Ruf zu verlieren – genauso wie Fynn Kliemann. Wenn also jemand gegen dich als Gründer:in professionell vorgeht, dann ist es nicht unbedingt clever, mit einer hemdsärmeligen Attitüde zu erwidern.

Genau das hat Fynn Kliemann aber gemacht. Und aus seiner Sicht war das wahrscheinlich sogar konsequent. Denn genauso ist er ja erfolgreich geworden, genau dafür liebt ihn seine Community und genau das macht ihn authentisch.

Leider liegt darin aber auch genau die Gefahr, dass eine solche Erwiderung nicht reicht. Insbesondere wenn es nicht um Zuneigung in der Öffentlichkeit geht, sondern um Behauptungen und Anschuldigungen, die sich auf das geschäftliche Verhalten beziehen und zivilrechtliche und strafrechtliche Konsequenzen haben können.

Ist es also erforderlich, das Level an Professionalität zu erhöhen, dann sollte sich darum jemand kümmern, die oder der sich damit auskennt!

4. Stellungnahmen sollten eindeutig und Erwiderungen klar sein

Nun habe ich gerade gesagt, dass in Krisen die Kommunikation professionell erfolgen muss. Das erfordert aber insbesondere, dass die eigenen Statements zu den gegen einen selbst gerichteten Anschuldigungen passen und auf diese klar und eindeutig antworten. „Wischi-Waschi“ ist kontraproduktiv.

Denn vor allem im Fall Kliemann muss man sich klarmachen, dass er in der Öffentlichkeit das Bild des lustigen, kumpelhaften, vielleicht etwas naiven aber immer authentischen und ehrlichen Menschen aufgebaut hat, der den „Profitgeiern“ ein anderes, ein „sinnvolleres“ Verhalten entgegensetzen wollte.

Dieses Bild wird nun von Jan Böhmermann in seiner Sendung mit einer Wucht zerschlagen, die bei den Zuschauer:innen nicht nur zu leichten Irritationen führte, sondern geeignet ist, die Integrität des Angegriffenen, also die von Fynn Kliemann, ernsthaft zu beschädigen.

Fynn Kleemanns Stellungnahme ist keine Stellungnahme

Deshalb ist jetzt nicht die Zeit für Spielereien, sondern jetzt braucht es klare Worte und eindeutige Stellungnahmen. Kommen diese nicht, dann ist die Kommunikationshoheit verloren und kann auch nicht mehr wiedererlangt werden, denn jetzt hat sich die Meinung in den Köpfen der Zuschauer beziehungsweise bei den Mitgliedern der Community geändert.

Die Stellungnahme von Fynn Kliemann auf Instagram klang nicht wie eine Stellungnahme, sondern wie der Versuch zu sagen „Ja, ist nicht optimal gelaufen, aber das wird schon wieder. Kann doch jedem mal passieren.“. Das reicht aber nicht. Denn die Vorwürfe waren zu schwer, als das etwas „nicht optimal gelaufen war“.

Es steht der Vorwurf eines Betrugs im Raum. Und eine Straftat nimmt niemand auf die leichte Schulter – und das sollte die oder der Betroffene auch nicht tun und insbesondere in seinem Verhalten auch nicht erkennen lassen.

5. Eingeständnisse und Entschuldigungen sollten klar getrennt werden

Nun kommt die Stellungnahme. Dann ist es wichtig, dass diese eine saubere Struktur hat, damit die Adressaten wissen, was eigentlich genau gesagt werden soll. Das bedeutet, dass insbesondere die Umstände, die zugegeben werden sollen, und eine eventuell damit verbundene Entschuldigung, klar erkennbar sein sollten.

In der Stellungnahme von Kliemann auf Instagram zum Bericht von ZDF Magazin Royale gibt es teilweise Erklärungen, Stellungnahmen, Entschuldigungen und es werden Dinge, die Jan Böhmermann behauptet hat, bestätigt und damit zugegeben. Das ganze Video ist im Grunde ein einziger „Brei“ an Äußerungen ohne innere Struktur.

Das mag funktionieren, wenn es in einer Äußerung um einen leichten Inhalt geht. Liegen jedoch schwere Anschuldigungen vor und steht man im Fokus der Öffentlichkeit, dann ist es nicht sinnvoll, herumzuschwurbeln.Seit Corona und den albernen Äußerungen der Corona-Leugner weiß man, dass so etwas nicht gut in der Öffentlichkeit ankommt.

Und dann hilft es auch nicht, wenn man wie Kliemann sagt, dass man einen „riesigen Knoten im Kopf“ habe und sichtlich erschüttert in die Öffentlichkeit tritt. Das ruft nämlich dann kein Mitleid hervor, sondern erweckt eher den Anschein, als das man die ganze Sache nicht ernst nimmt. Und das ist dann das letzte, was die Öffentlichkeit erwartet.

Fazit: Was Gründer und Start-ups aus dem Fall Fynn Kliemann lernen können

Krisen können und werden bei jungen Unternehmen passieren. Diese können klein oder groß ausfallen, sie sind nur schwer vorherzusagen. Und ebenso wenig kann man sich als Gründer:in genau darauf vorbereiten, wie mit ihnen umgegangen werden muss. Aber Krisen auf die leichte Schulter nehmen ist keine sinnvolle Strategie, genau genommen ist es überhaupt keine Strategie.

Vielmehr zählt dann nur noch ein professionelles Auftreten, eine klare Kommunikation und ein ehrliches und unzweideutiges Verhalten. Das gilt umso mehr, wenn eine Krise im Rampenlicht der Öffentlichkeit auftritt. Wenn die Öffentlichkeit dann das Gefühl hat, dass sie für dumm verkauft wird, dann schlägt eine wohlwollende Meinung schnell in Abneigung um.

Und nicht nur das, auch der Einfluss auf die Wiedergabe von Äußerungen, auf das eigene Bild in der Öffentlichkeit und auf die Deutung von Ereignissen geht verloren. Ist dieser Zustand dann erreicht, wird es sehr schwer, die eigene Position zu verteidigen bzw. mit dieser überhaupt gehört zu werden.

Und dies wird dann negative Konsequenzen haben, sei es auf das eigene Standing, sei es auf die geschäftlichen Beziehungen. Ich hoffe, Fynn Kliemann kann aus der ganzen Sache etwas lernen.

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Über den Autor

Carsten Lexa

Rechtsanwalt Carsten Lexa berät seit 20 Jahren Unternehmen im Wirtschafts-, Gesellschafts- und Vertragsrecht. Er ist Lehrbeauftragter für Wirtschaftsrecht, BWL und Digitale Transformation sowie Buchautor. Lexa ist Gründer von vier Unternehmen, war Mitinitiator der Würzburger Start-up-Initiative „Gründen@Würzburg”, Mitglied der B20 Taskforces Digitalisierung/ SMEs und engagiert sich als Botschafter des „Großer Preis des Mittelstands” sowie als Mitglied im Expertengremium des Internationalen Wirtschaftsrats. Er leitete als Weltpräsident die G20 Young Entrepreneurs´Alliance (G20 YEA). Bei BASIC thinking schreibt Lexa über Themen an der Schnittstelle von Recht, Wirtschaft und Digitalisierung.