Plastik in den Meeren ist ein enormes Problem. Organisationen wie The Ocean Cleanup wollen es lösen. Sie versprechen, unsere Ozeane von Plastikmüll zu befreien. Doch richten sie damit womöglich mehr Schaden als Nutzen an? Eine Analyse.
Eine treibende Insel voller Plastikmüll mitten im Pazifischen Ozean: Als Segler Charles Moore vor 24 Jahren das „Great Pacific Garbage Patch“, beziehungsweise den Großen Pazifischer Müllstrudel, entdeckte, war die Welt schockiert.
Seitdem steht dieser Teil des Pazifischen Ozeans sinnbildlich für das enorme Problem des Plastikmülls in unseren Meeren. Einige Menschen nahmen dies aber auch zum Anlass, um aktiv etwas gegen den Müll im Pazifik zu tun.
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Boyan Slat ist einer dieser Menschen. Er gründete 2013 die Organisation „The Ocean Cleanup“ und hat sich zum Ziel gesetzt, den treibenden Müll aus dem Müllstrudel zu sammeln. Das klingt vorbildlich und das Projekt erntet viel Lob. Doch Wissenschaftler:innen befürchten, dass die Organisation damit mehr Schaden als Nutzen anrichten könnte.
„Die Ozeane von Plastik befreien“
The Ocean Cleanup ist eine Non-Profit-Organisation mit Sitz in den Niederlanden. Ihr Ziel ist es, mit Technologien „die Ozeane von Plastik zu befreien.“ Das besondere Augenmerk der Organisation liegt dabei auf dem Great Pacific Garbage Patch, einem nördlichen Abschnitt des Pazifischen Ozeans zwischen Japan und den USA.
In diesem Bereich sorgt insbesondere der Nordpazifikwirbel dafür, dass riesige Mengen an Plastikmüll zusammengeführt werden und in bestimmten Abschnitten hin- und hertreiben. Der Wirbel verhindert teilweise, dass der Plastikmüll zurück an die Küsten gespült werden kann, sodass ein Teil des Plastikmülls hier verbleibt.
79.000 Tonnen Plastikmüll
Schätzungsweise 79.000 Tonnen Plastikmüll treiben so auf einer Fläche herum, die etwa dreimal so groß ist wie Frankreich.
Da Gebietszuweisungen in den Weltmeeren politisch und geografisch komplex sind und der Müll quasi aus der ganzen Welt dort landet, hat bislang keine einzelne Regierung das Plastikmüllproblem im Garbage Patch zur nationalen Aufgabe erklärt.
Es gibt zwar einzelne Forschungsteams, die hier Aufräumarbeiten betreiben. Dies erfolgt aber nicht sonderlich medienwirksam. Genau in diese Lücke treten verschiedene Umweltorganisationen.
Was macht Ocean Cleanup?
Einige Umweltorganisationen, wie Ocean Legacy, konzentrieren sich dabei auf das Müllsammeln entlang der Küsten. Andere, wie etwa Ocean Conservancy, organisieren Sammelaktionen am Strand. The Ocean Cleanup dagegen fokussiert seine Anstrengungen als einige der wenigen Organisationen auf treibenden Plastikmüll im Pazifischen Müllstrudel.
„Wir glauben, dass es definitiv lohnenswert ist, die Garbage Patches anzugehen, weil niemand anderes sich dieses Problems annimmt“, sagt die Organisation gegenüber BASIC thinking.
Die große Sorge der Cleanup-Truppe ist es, dass der treibende Müll sich über die Zeit hinweg in immer kleinere Teile zersetzt und dann als Mikroplastik entweder zu schwer zu sammeln ist oder in unerreichbare Tiefen sinkt.
Tatsächlich vermuten Wissenschaftler:innen, dass etwa 70 Prozent des Plastikmülls in den Meeren auf dem Grund liegt. Dem will The Ocean Cleanup zuvorkommen.
Neun Tonnen Plastik gesammelt
Nach einigen nicht ganz so erfolgreichen Versuchen in der Vergangenheit testete das Cleanup-Team Ende Oktober 2021 seine neueste Sammeltechnologie: Das System 002, auch Jenny genannt.
Bei der Technologie handelt es sich im Grunde genommen um ausgefeilte Netze, die von Booten in einer Art Hufeisenform im Wasser angezogen werden.
Fische können unter den Netzen hindurchschwimmen, Plastikmüll bleibt wiederum im Netz haften und wird anschließend vom Team eingesammelt. So konnten die Umweltaktivist:innen bei ihrer letzten Aktion rund 9.000 Kilogramm, also neun Tonnen, Plastikmüll sammeln. Im Vergleich zur Gesamtmenge von 79.000 Tonnen im Ozean ist das Ergebnis sehr bescheiden.
Doch künftig sollen mehr Boote eingesetzt werden. So hofft The Ocean Cleanup bis 2040 rund 90 Prozent des treibenden Mülls eingesammelt zu haben. Das gesammelte Plastik verarbeitet die Organisation übrigens weiter und recycelt es zu neuen Produkten, wie etwa Sonnenbrillen.
Während das Team um Boyan Slat weltweit viel Lob für die Sammelaktion erntete, kritisieren Wissenschaftler:innen bereits seit längerem die Anstrengungen der Organisation.
Wie sinnvoll ist es, Müll zu sammeln, wenn immer mehr Müll dazukommt?
So kritisiert etwa Ulrich Karlowski, Vorstand der Deutsche Stiftung Meeresschutz, die Anstrengungen von The Ocean Cleanup als wenig lohnenswert. Seiner Meinung nach konzentriert sich die Organisation auf einen unwesentlichen Teil der Plastikverschmutzung.
Tatsächlich macht das treibende Plastik lediglich einen kleinen Teil des Plastikmülls im Ozean aus. Neben den 70 Prozent, die am Meeresboden vermutet werden, treiben 15 Prozent durch Wind und Ströme zurück an Land. Von den verbleibenden 15 Prozent im Great Pacific Garbage Patch wiederum, bildet Mikroplastik den größten Anteil.
Genau dieses fangen aber die Netze von The Ocean Cleanup nicht ein.
Das Problem und nicht die Symptome bekämpfen
Für Ulrich Karlowski stellt sich damit die Frage nach der Sinnhaftigkeit des Ansatzes. Das gelte insbesondere dann, wenn die Menge an antreibendem Plastik nicht reduziert werde.
Sprich: Wenn Verbraucher:innen und Regierungen weiterhin so sorglos mit Plastikmüll umgehen, hört der Strom an Plastikmüll, der in den Great Pacific Garbage Patch fließt, nie auf. Somit gleich die Arbeit von The Ocean Cleanup einer Sisyphus-Aufgabe.
Flussprojekt von Ocean Cleanup verhindert, dass Plastik in Ozeane gerät
Daher hält Karlowski es für utopisch, allen Plastikmüll einsammeln zu wollen. „Man sollte vielmehr eine Prioritätenliste abarbeiten und so zunächst versuchen, die gefährlichsten Abfälle herauszukriegen wie etwa Geisternetze, Leinen, Seile, Reusen, flächiges Weichplastik von Tüten oder Luftballons.“
Selbst damit könne man die neuen Ströme dieser Plastikabfälle nicht auffangen, hätte aber immerhin die größten „Gefahrenherde entschärft.“
The Ocean Cleanup sieht dies etwas anders. So sagt Boyan Slat: „Das Plastik aufzuhalten, bevor es den Ozean erreicht, erlaubt es uns, den Anteil an Plastik in den Ozeanen konstant zu halten. Doch der einzige Weg, um die Menge an Ozeanplastik zu reduzieren, ist, es aufzuräumen.“
So arbeitet The Ocean Cleanup in einem separaten Flussprojekt daran, anschwemmenden Plastikmüll aus den Flüssen zu entfernen, um so zu verhindern, dass Plastik in die Ozeane gerät. Doch die Sinnhaftigkeit der Aufräumaktion ist bei Weitem nicht der einzige Kritikpunkt an The Ocean Cleanup.
Viel Geld und Rummel für ein „Fischernetz“
So hat etwa die Ozeanografin Miriam Goldstein die Sammelnetze der Organisation stark kritisiert.
Sie haben ich weiß nicht wie viele Millionen von Dollar ausgegeben, um das Fischen zu erfinden. Das System 002 ist ein Netz, das man zwischen zwei Booten zieht. Wir haben einen Namen dafür, und das ist Schleppnetzfischerei.
Es ist durchaus fraglich, warum die Organisation für eine derartige „Technologie“ Millionenbeträge in Crowdfunding-Kampagnen sammeln muss. Doch was die Wissenschaftler:innen viel mehr beunruhigt, sind die möglichen Schäden, die diese Sammelmethode verschiedenen marinen Lebensformen zufügen könnte.
In den vielen Jahren, in denen der Müll im Wasser herumtreibt, haben sich mittlerweile verschiedene Mikroorganismen wie Plankton oder Algen darauf angesiedelt. Diese Organismen würden, so die Kritik, beim Sammeln mit zerstört.
Lebensform bedroht?
Zudem wies die Meeresbiologin Rebecca Rae Helm darauf hin, dass die Sammelmethoden von The Ocean Cleanup eine bislang kaum erforschte Lebensform zerstören könnte: das Neuston.
Die Sorge: Damit könnte das grobmaschige Aufsammeln von Plastikmüll im Ozean mehr Schaden als Nutzen anrichten und eine Lebensform zerstören, die wir bislang noch nicht erforscht haben.
The Ocean Cleanup ignoriert diese Vorwürfe nicht. Das Team hat dazu ausführlich Stellung bezogen und die möglichen Auswirkungen auf Neuston nun auch neben anderen Mikroorganismen in ihrer Analyse aufgenommen.
Unabhängige Forscher an Bord
Bei der letzten Sammelaktion seien zudem mehrere unabhängige Forscher:innen mit an Bord gewesen, die genau diese Aspekte analysiert hätten, sagte ein Sprecher von The Ocean Cleanup gegenüber BASIC thinking. Dabei habe man in Proben sehr viel weniger Neuston entdeckt als ursprünglich in der Auswirkungsanalyse angenommen.
Momentan werden diese individuellen Auswirkungen als gering eingestuft, und wir werden diese weiterhin beobachten und anpassen, um sie gering zu halten.
Doch natürlich ist es, insbesondere angesichts des niedrigen Forschungsstandes, schwer abzuschätzen, ab welcher Größenordnung die Neuston-Zerstörung Schäden anrichtet.
Sammelboote nicht nachhaltig
Viele stören sich auch daran, dass die Organisation fossilen Sprit für ihre Sammelboote nutzt und so möglicherweise mit dem entstehenden CO2-Ausstoß dem Klima mehr schadet als hilft. The Ocean Cleanup gibt zu, dass es hier Verbesserungspotenzial gibt.
Man bemühe sich, den Spritverbrauch so gering wie möglich zu halten und entsprechend effiziente Boote einzusetzen. So arbeite man auch an einem Pilotprojekt mit dem Logistik-Unternehmen Maersk an Booten, die mit Biosprit aus Abfällen angetrieben werden.
Zudem kompensiere die Organisation den von den Booten verursachten CO2-Ausstoß.
Weitermachen wie bisher
Ulrich Karlowski von der Deutsche Stiftung Meeresschutz befürchtet aber auch, dass Umweltorganisationen wie The Ocean Cleanup Verbraucher:innen negativ beeinflussen.
Zum einen würden zu wenige den ausgelösten „Cleanup-Hype“ hinterfragen. Das Mantra „Wir schaffen das und machen alles wieder sauber“ sei zu verführerisch.
Das habe aber den Effekt, dass die Menschen dadurch ihr Konsumverhalten nicht überdenken. „Man erweckt den Eindruck, alles könne so weitergehen, wie bisher. Wir brauchen nur die richtige Technik, dann lassen sich angerichtete Umweltschäden wieder beheben.“
The Ocean Cleanup: Mehr Schaden oder mehr Nutzen?
Bei aller Kritik: Bislang kann man nicht klar sagen, ob die Arbeit von The Ocean Cleanup wirklich mehr Schaden oder Nutzen anrichtet. Dazu gibt es zu viele Hypothesen auf beiden Seiten und zu wenige Langzeiterfahrungen.
Einerseits ist es nicht auszuschließen, dass die Sammelaktionen negative Umweltauswirkungen haben werden, die wir erst in Jahren erkennen. Andererseits lässt sich auch nicht sagen, ob die Anstrengungen von The Ocean Cleanup am Ende nicht doch besser für das marine Leben im Pazifik sein werden.
Auch ist es schwer abzuschätzen, wie Konsument:innen reagieren werden. Es ist möglich, dass Menschen sorgloser mit Plastik umgehen, eben weil sie wissen, dass ihr Müll ohnehin aufgeräumt wird. Es ist aber auch möglich, dass die eindrucksvollen Fotos der sauberen Meere Konsument:innen tatsächlich zum Nachdenken bringen.
Doch letztlich kann das Aufsammeln von Müll in den Meeren nur ein Randaspekt in der gesamten Plastikproblematik sein. Viel bedeutsamer ist es, dass bestimmte Plastiksorten gar nicht mehr in den Umlauf geraten und wir Plastik recyceln anstatt es in die Natur zu werfen.
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Gern lese ich BASIC thinking, in der Regel sind die Artikel gut.
Als ich mit großem Erstaunen die sehr eindeutige und klare Aussage des Titels für diesen Artikel las, ging ich davon aus, daß diese massive Behauptung im Artikel untermauert wird.
Wurde sie aber nicht, im Gegenteil: „Bei aller Kritik: Bislang kann man nicht klar sagen, ob die Arbeit von The Ocean Cleanup wirklich mehr Schaden oder Nutzen anrichtet. „.
Der Artikel steckt voller Spekulationen und Vermutungen im Konjunktiv nach dem Motto: eine einzige Maßnahme hilft gegen das globale Plastikproblem entweder ganz oder garnicht.
Schade.
Die Menschen von Ocean Cleanup versuchen es wenigstens.
Das wäre eine Würdigung wert gewesen.
Ganz besonders im Titel.
Enttäuschender und veralterter Artikel. Hier ist dringend ein Update notwendig. Das Projekt liegt aktuell bei über 145 Tonnen gesammelter Müll. Die Argumentation „den Umgang der Menschen mit Plastik“ zu verändern und deswegen vorhandenen Müll nicht zu entfernen ist ja wohl lächerlich! Sollen wir demnach in Deutschland auch die Müllabfuhr einstellen? Auch wenn die Aufgabe gewaltig ist- wenn sich derer keiner annimmt und auch nicht Herausforderungen überwindet, werden unsere Kinder irgendwann am Müll ersticken.