Wirtschaft

Facebook muss Giphy verkaufen – aber wieso eigentlich?

Axel Dreyer, Schürmann Rosenthal Dreyer, Wettbewerbsrecht, gewerblicher Rechtsschutz
Axel Dreyer, Rechtsanwalt, Partner und Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz bei der Technologie-Kanzlei "Schürmann Rosenthal Dreyer".
geschrieben von Christian Erxleben

Erst im Mai 2020 hat Facebook die Plattform Giphy für 400 Millionen US-Dollar übernommen. Jetzt ordnet die britische Wettbewerbsbehörde den Verkauf an. Da stellt sich die Frage: Wie funktioniert eigentlich das Wettbewerbsrecht? Ein Interview mit Rechtsanwalt Axel Dreyer.

Wettbewerbsrecht: Facebook muss Giphy verkaufen

Wenn Millionen oder sogar Milliarden den Besitzer wechseln, ist das Interesse der Gesellschaft besonders groß. Das gilt beispielsweise für spektakuläre Firmen-Übernahmen. So hat Facebook beispielsweise erst im Mai 2020 angekündigt, Giphy für 400 Millionen US-Dollar zu kaufen.

Jetzt hat die britische Wettbewerbsbehörde CMA (Competition and Markets Authority) offiziell die Rückabwicklung des Kaufs beziehungsweise den Verkauf von Giphy angeordnet.


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Und auch die 40-Milliarden-Übernahme von Arm durch den Chip-Giganten Nvidia steht zur Debatte. In diesem Fall ermittelt die US-amerikanische Wettbewerbsbehörde FTC (Federal Trade Commission) mit Blick auf das Wettbewerbsrecht.

Wettbewerbsrecht: Wie funktioniert ein gerichtlich angeordneter Verkauf?

Insbesondere beim Verkauf von Giphy durch Facebook stellt sich die Frage, wieso eine britische Behörde einen Deal zwischen zwei US-amerikanischen Unternehmen rückgängig machen kann.

Genau darüber haben wir mit Axel Dreyer gesprochen. Der Rechtsanwalt ist Partner der Technologie-Kanzlei „Schürmann Rosenthal Dreyer“ und außerdem Fachanwalt für gewerblichen Rechtsschutz.

BASIC thinking: Axel, im Mai 2020 hat Meta (damals noch Facebook) die Plattform Giphy für 400 Millionen US-Dollar gekauft. Jetzt hat die britische Wettbewerbsbehörde CMA den Verkauf angeordnet. Wie funktioniert das?

Axel Dreyer: Unternehmenszusammenschlüsse sind in vielen Ländern vorab bei den Wettbewerbsbehörden anzumelden. Aber auch Fusionen, die nicht zwingend anzumelden sind, können die Wettbewerbsbehörden überprüfen. So war es im Fall des Erwerbs von Giphy durch Meta – vormals Facebook.

Die britische Wettbewerbsbehörde CMA hat in einem mehrstufigen Verfahren geprüft, ob der Zusammenschluss möglicherweise den Wettbewerb beeinträchtigt. Zuvor hatte die Behörde eine so genannte Initial Enforcement Order (IEO) erlassen, mit der die Unternehmen verpflichtet wurden, bis zum Abschluss der Prüfung durch die Wettbewerbsbehörde den bereits erfolgten Zusammenschluss rein tatsächlich nicht herbeizuführen und somit vorläufig getrennt weiter zu agieren.

Im Rahmen des Prüfungsverfahrens, in dem die Zuständigen auch Dritte angehört haben, konnte Facebook die Bedenken der Wettbewerbsbehörde nicht entkräften. Die Behörde hat im Ergebnis festgestellt, dass die Übernahme von Giphy durch Meta den Wettbewerb in Großbritannien zwischen den beiden sozialen Medienplattformen beeinträchtigt.

Da die Fusion aber schon erfolgt ist, hat die Behörde die Rückabwicklung angeordnet. Kommen die Unternehmen dieser Anordnung nicht nach, können die Behörden erhebliche Bußgelder zur Durchsetzung verhängen.

Meta hat aber schon angekündigt, Rechtebehelfe gegen diese Entscheidung einzulegen. Das Verfahren würde in Deutschland in einem Verfahren des Kartellamts oder europaweit durch die europäische Wettbewerbsbehörde ganz ähnlich ablaufen.

Probleme und kritische Auswirkungen im Wettbewerbsrecht

Aufgrund welcher Rechtsgrundlage dürfen Wettbewerbsbehörden die Übernahme eines Unternehmens durch ein anderes Unternehmen rückgängig machen?

In Deutschland sind Rechtsgrundlage für ein derartiges Verfahren die Paragraphen im siebten Abschnitt des Gesetzes gegen Wettbewerbsbeschränkungen (GWB) – insbesondere Paragraf 40 und 41. In der EU gilt die Fusionskontrollverordnung, die der EU-Wettbewerbsbehörde ein entsprechendes Instrumentarium zur Verfügung stellt.

Die CMA führt unter anderem die Monopolstellung und mögliche Verzerrungen im direkten Wettbewerb mit anderen sozialen Netzwerken an. Genügt das?

Grundsätzlich schützt das Wettbewerbsrecht den freien Wettbewerb und bietet Mechanismen gegen jedwede Beeinträchtigung durch zum Beispiel eine marktbeherrschende Stellung eines Unternehmens in einem bestimmten Markt. Im Einzelnen gibt es aber diverse weitere Voraussetzungen.

So müssen bestimmte Schwellenwerte überschritten sein, damit Vorschriften greifen, um zu verhindern, dass Zusammenschlüsse wettbewerbswidrig wären, die überhaupt keine Auswirkungen auf den Markt haben. Hinzu kommen verschiedene Ausnahmen. Das sind zum Beispiel gewollte Standortkonzentrationen in bestimmten Branchen.

Im Fall Meta/Giphy hat die CMA das Vorliegen einer Beeinträchtigung des Wettbewerbs intensiv geprüft. Sie hat die Geschäftsmodelle untersucht und deren Auswirkungen auf den Wettbewerb analysiert.

Wenn dann das Ergebnis ist, dass der Wettbewerb durch den Zusammenschluss beeinträchtigt wird, dann ist das ausreichend, um den Zusammenschluss zu untersagen. Oder eben – wie das hier ist – bei einem erfolgten Zusammenschluss die Rückabwicklung anzuordnen.

Internationale Fusion, nationale Verfahren

Welche Gründe gibt oder gäbe es sonst noch?

Im Kern lassen sich Zusammenschlüsse von Unternehmen auch untersagen, wenn zu befürchten ist, dass erst durch den Zusammenschluss eine Partei eine  marktbeherrschende Stellung erlangt oder verstärkt.

Wenn also der Zusammenschluss dazu führt, dass das Verhalten des fusionierten Unternehmens nicht mehr durch Wettbewerbsmechanismen kontrolliert wird – zum Beispiel wenn Preise erhöht werden können, ohne dass das Unternehmen dadurch Kunden verliert, eben weil die Kunden auf andere Unternehmen ausweichen können.

Das gilt aber auch wenn ein Markt nicht von einem, aber von wenigen Unternehmen beherrscht wird und dadurch ein scharfer Wettbewerb stillschweigend entfällt, können unzulässige Wettbewerbsbeschränkungen entstehen, die zu einem Eingreifen der Wettbewerbsbehörden führen.

Auch vertikale Zusammenschlüsse zwischen Lieferanten und Abnehmern können den Wettbewerb beeinträchtigen.

Nun ist es so, dass sowohl Giphy also auch Meta US-amerikanische Unternehmen sind. Wie kann es sein, dass eine britische Behörde dabei eine so große Macht hat?

Nun, die nationale Behörde – oder im Falle der EU die EU-Wettbewerbsbehörde – prüft neben den erforderlichen Schwellenwerten, ob der Zusammenschluss hinreichende wettbewerbliche Auswirkungen auf das jeweilige Land hat.

Diese Auswirkungen sind gegeben, wenn der Zusammenschluss den Wettbewerb auf dem Inlandsmarkt spürbar beeinflusst. Dabei stellen die Vorgaben der Behörden an die Spürbarkeit keine besonders hohen Anforderungen. Im Fall internationaler Großfusionen sehen sich die fusionierenden Unternehmen daher diversen Prüfverfahren ausgesetzt.

Marktmanipulation durch Lobby-Arbeit

Bieten derartige Regelungen nicht die Möglichkeit zur gezielten Marktmanipulation?

Theoretisch ja. Rein praktisch dürfte es aber genau umgekehrt sein: Die Beherrschung eines Marktes wie im Fall Meta/Facebook, die durch gezielte Zukäufe, in der Vergangenheit zum Beispiel WhatsApp oder Instagram weiter verstärkt wurde, führt zu einer Marktmacht, die das Unternehmen in die Lage versetzt, Märkte zu manipulieren.

Dem wollen die Wettbewerbsbehörden zum Schutz des freien Wettbewerbs entgegenwirken. Und in Bereichen wie dem Datenschutz wurde mit der Datenschutz-Grundverordnung (DSGVO) sogar eine auf Facebook und Co. extra im Bereich der Bußgelder angepasste Rechtsgrundlage geschaffen, um derart marktbeherrschende Unternehmen zu rechtskonformen Verhalten zwingen zu können.

Zugleich sind die Geschäftsmodelle immer wieder von Gerichten anerkannt worden. Wenn eine Wettbewerbsbehörde über das Ziel hinausschießt, können die betroffenen Unternehmen immer die Gerichte über die Rechtmäßigkeit der behördlichen Entscheidung urteilen lassen. Letztlich also ein ausgewogenes Rechtssystem.

Die Ministererlaubnis im deutschen Wettbewerbsrecht

Einfach mal herumgesponnen: Wenn ein deutsches Unternehmen sich in Konkurrenz mit einem US-amerikanischen Unternehmen befindet und dann eine deutsche Wettbewerbsbehörde einen Zukauf des US-amerikanischen Unternehmens untersagt, ist es doch möglich, länderspezifische Lobbyarbeit zu leisten. Gibt es dafür Regelungen?

Dritte könnten beantragen, zu einem Verfahren vom Bundeskartellamt beigeladen zu werden. Sie können dann in Eingaben begründen, warum sie der Auffassung sind, der Zukauf sei zu untersagen. Die Hürden für eine Beiladung sind niedrig.

Gegen eine Freigabeentscheidung der Behörde können diese Beigeladenen dann Beschwerde einlegen, wenn ihre Interessen durch die Entscheidung erheblich berührt werden. Das wäre der formale Weg. Übrigens kann die Fusion trotz erfolgter Untersagung ja noch durch die sogenannte Ministererlaubnis freigegeben werden.

Die Voraussetzungen sind in Paragraf 42 GWB geregelt, aber letztlich handelt es sich natürlich auch um eine politische Entscheidung. Hier könnte natürlich die angesprochene Lobbyarbeit erfolgversprechend gegen eine Ministererlaubnis sein.

Vielen Dank für das Gespräch, Axel!

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Über den Autor

Christian Erxleben

Christian Erxleben arbeitet als freier Redakteur für BASIC thinking. Von Ende 2017 bis Ende 2021 war er Chefredakteur von BASIC thinking. Zuvor war er als Ressortleiter Social Media und Head of Social Media bei BASIC thinking tätig.