Mit der Liebe geht es oftmals schnell – das ist auch am Arbeitsplatz nicht anders. Doch ist eine Beziehung am Arbeitsplatz in Deutschland erlaubt? Und: Was ist bei Liebe am Arbeitsplatz in Deutschland verboten? Rechtsanwältin Trixi Hoferichter klärt auf.
Mitte Oktober 2021 war es soweit: Der Axel Springer Verlag hat den (jetzt ehemaligen) Bild-Chefredakteur Julian Reichelt mit sofortiger Wirkung von allen Ämtern und Aufgaben entbunden und ihn entlassen.
Der Grund für die Kündigung ist, dass Reichelt es nicht geschafft habe, Berufliches und Privates ausreichend voneinander zu trennen. Konkret stehen Vorwürfe rund um Machtmissbrauch und interne Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz im Raum.
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Deshalb stellen sich viele Menschen Fragen wie: Ist eine Beziehung am Arbeitsplatz erlaubt? Wann wird Liebe am Arbeitsplatz gefährlich? Und: Was ist explizit verboten? Diese und weitere Fragen haben wir mit der Rechtsanwältin und Wirtschaftsmediatorin Trixi Hoferichter geklärt.
BASIC thinking: Frau Hoferichter, durch den Skandal um den ehemaligen Bild-Chefredakteur Julian Reichelt sind die Beziehungsregelungen am Arbeitsplatz in den Vordergrund gerückt. Welche Regeln gelten für Beziehungen am Arbeitsplatz in Deutschland grundsätzlich?
Trixi Hoferichter: Beziehungen am Arbeitsplatz sind in Deutschland grundsätzlich erlaubt. Ein Verbot von Liebesbeziehungen durch einen Arbeitgeber wäre demnach arbeitsrechtlich unzulässig.
Das Arbeitsgericht Wuppertal hat im Jahr 2005 (ArbG Wuppertal, Beschluss vom 15.06.2005 – 5 BV 20/05) beispielsweise entschieden, dass eine Regelung in den Ethik-Richtlinien des US-Handelskonzerns Walmart, die den Mitarbeitern untersagte, miteinander auszugehen oder eine Liebesbeziehung einzugehen, gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht aus Artikel 2 Absatz 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 Grundgesetz (GG) verstößt. Diese Entscheidung wurde auch von der nächsten Instanz bestätigt (LAG Düsseldorf, Beschluss vom 14.11.2005 – 10 TaBV 46/05).
Beziehung am Arbeitsplatz: Das ist erlaubt und das verboten
Was ist explizit erlaubt?
Neben dem Ausgehen mit Kollegen oder Kolleginnen und dem Führen von Beziehungen sind auch sämtliche Aspekte der Beziehung, die sich nicht am Arbeitsplatz abspielen, dem Einfluss des Arbeitgebers entzogen. Ein Arbeitsvertrag berechtigt den Arbeitgeber schließlich nicht zum Eingriff in die privaten Lebensbereiche des Arbeitnehmers.
Was ist verboten?
Grundsätzlich verboten ist private Kommunikation des Liebespaares in Form von E-Mails, SMS oder Briefen während der Arbeitszeit.
Hier gilt nichts anderes als bei jeder anderen privaten Kommunikation auch. Auch andere privat veranlasste Handlungen – welcher Art auch immer sind nicht Teil der arbeitsvertraglichen Pflicht und gehören daher nicht in das Arbeitsumfeld.
Verstößt das Liebespaar gegen dieses Prinzip, kann eine Abmahnung und im Wiederholungsfall auch eine verhaltensbedingte Kündigung drohen. Private Kommunikation ist allenfalls im Ausnahmefall arbeitsrechtlich zulässig.
Dies ist etwa dann der Fall, wenn ein anwendbarer Tarifvertrag, eine Betriebsvereinbarung oder der jeweilige Individualarbeitsvertrag private Kommunikation während der Arbeitszeit explizit erlaubt. Ebenfalls verboten sind (längere) Küsse und weitergehende intime Handlungen während der Arbeitszeit.
Was mache ich, wenn sich Liebe am Arbeitsplatz entwickelt?
Wie gehe ich am besten vor, wenn sich eine Beziehung am Arbeitsplatz anbahnt? Kontaktiere ich die Personalabteilung?
Diese Frage lässt sich pauschal nur schwer beantworten, da es stark auf die Umstände am jeweiligen Arbeitsplatz ankommt. Besteht etwa ein vertrauensvolles und positives Verhältnis zu allen Kollegen, ist ein offener Umgang mit der sich anbahnenden Beziehung unproblematisch.
In einem von Neid und Missgunst geprägten Arbeitsumfeld stellt sich die gleiche Situation natürlich gänzlich anders dar. Besonders konfliktträchtig ist in der Praxis die Situation, wenn weitere Kollegen oder Kolleginnen ein Auge auf einen der beiden Liebespartner geworfen haben – und nun aufgrund der sich anbahnenden Beziehung Eifersuchtsgefühle entwickeln.
Tendenziell ist ein diskreter Umgang mit der sich anbahnenden Beziehung empfehlenswert, da man dadurch mögliche Konfliktpotenziale minimieren kann. Aus diesem Grund würde ich auch in den meisten Fällen davon abraten, die Personalabteilung zu kontaktieren.
Ab wann wird eine Beziehung am Arbeitsplatz rechtlich gesehen zum Problem?
Eine Liebesbeziehung am Arbeitsplatz wird rechtlich gesehen vor allem dann zum Problem, wenn sich die Beziehung negativ auf die Arbeitsleistung der betroffenen Arbeitnehmer auswirkt.
In dieser Konstellation sind arbeitsrechtliche Maßnahmen des Arbeitgebers zulässig, da sie nicht an das Führen der Liebesbeziehung anknüpfen, sondern an die erbrachte Arbeitsleistung. Konkret greifen dann die allgemeinen arbeitsrechtlichen Grundsätze zur Schlechtleistung.
Den betroffenen Arbeitnehmern drohen in diesem Szenario demnach sowohl Abmahnungen als auch – bei Fortbestehen der Schlechtleistung – die verhaltensbedingte Kündigung.
Liebe am Arbeitsplatz: Das berufliche Machtgefälle
Eine neue Ebene wird erreicht, wenn es ein klares berufliches Machtgefälle zwischen den beiden Partnern gibt. Was ändert sich dann?
Für diese Konstellation ist der Fall des ehemaligen Bild-Chefredakteurs Julian Reichelt ein aktuelles, prominentes Beispiel.
Grundsätzlich sind zwar auch Beziehungen zwischen Personen auf unterschiedlichen Hierarchieebenen arbeitsrechtlich zulässig. Wenn aber Beförderungsentscheidungen oder finanzielle Zuwendungen an sexuelle Beziehungen gekoppelt werden, drohen auch rechtliche Konsequenzen.
Gerade in Großkonzernen wird in derartigen Konstellationen ein sanktionierter Verstoß gegen Compliance- oder Ethik-Richtlinien vorliegen. Darüber hinaus kommt bei sexuellen Beziehungen mit Auszubildenden je nach Alter des Untergebenen auch eine Strafbarkeit wegen sexuellen Missbrauchs von Jugendlichen nach Paragraf 182 Strafgesetzbuch (StGB) in Betracht.
Auch unabhängig von rechtlichen Konsequenzen sind derartige Beziehungen oft Gift für das Betriebsklima. Kollegen fürchten in diesen Konstellationen regelmäßig eine Bevorzugung des einen Partners durch den anderen Partner – etwa bei einer Beförderung.
Diese Befürchtung ist oft gar nicht so realitätsfern, da man bei einer Liebesbeziehung zu einem Untergebenen sowohl die Möglichkeit als auch den Anreiz zu einer „Vorzugsbehandlung“ hat.
Und wie sieht es aus, wenn die Partner verheiratet sind?
Auch in dieser Konstellation kann zumindest der Anschein einer Bevorzugung bestehen, wenn die Ehepartner auf unterschiedlichen Hierarchie-Ebenen beschäftigt sind.
Aus rechtlicher Perspektive ändert sich wenig, da ja bereits bei normalen Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz eine Einmischung des Arbeitgebers ausscheidet, soweit kein Fall der Schlechtleistung oder sonstige arbeitsrechtliche Verstöße vorliegen.
Arbeitgeber dürfen Beziehungen am Arbeitsplatz nicht verbieten
In den USA gibt es deutlich striktere Regeln. Zum Teil gibt es eine Melde- und Zustimmungspflicht für Beziehungen unter Angestellten. Ist so etwas auch in Deutschland vorstellbar?
Nein, eine derartige Melde- oder Zustimmungspflicht wäre in Deutschland rechtlich unzulässig. Ich verweise noch einmal auf den oben angesprochenen Versuch des US-Handelskonzerns Walmart in seinen Ethik-Richtlinien Liebesbeziehungen am Arbeitsplatz an seinen damaligen deutschen Standorten zu verbieten.
Auch eine Melde- oder Zustimmungspflicht wäre wegen eines Verstoßes gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht unwirksam und hätte vor deutschen Arbeitsgerichten keinen Bestand.
Haben Arbeitgeber in Deutschland in der Theorie das Recht – zum Beispiel über Compliance-Regelungen – Beziehungen am Arbeitsplatz zu verbieten?
Nein. Derartige Regelungen wären ebenfalls aufgrund eines Verstoßes gegen das allgemeine Persönlichkeitsrecht unwirksam. Das Führen von Beziehungen am Arbeitsplatz kann von Arbeitgeberseite nicht untersagt werden.
In Compliance-Regelungen wären allenfalls Bestimmungen zulässig, die bestimmte Varianten des Machtmissbrauchs – wie etwa in der Causa Reichelt – verbieten.
Was bedeutet das für (neue) Paare?
Die deutsche Rechtsordnung und der Arbeitgeber stehen ihrer Liebe nicht im Wege – das Führen von Liebesbeziehungen ist Privatsache.
Machtmissbrauch und sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz: Das sollten Betroffene machen
Insbesondere in Fällen des Machtmissbrauchs ist es für den „schwächeren Part“ oftmals nicht einfach, sexuelles Fehlverhalten publik zu machen. Was ist dabei rechtlich ratsam? An wen sollten sich Betroffene wenden?
Auch hier gestaltet sich eine pauschale Antwort schwierig, da es stark auf die Umstände des jeweiligen Falles ankommt. In jedem Fall ist die Einholung von arbeitsrechtlicher Beratung zu empfehlen. In einfachen Fällen von sexuellem Fehlverhalten kann es auch bereits ausreichen, die belästigende Person darauf anzusprechen.
Bei einer bestehenden Abhängigkeitssituation hilft diese Strategie leider oft nicht weiter oder führt sogar zu einer Verschlimmerung der Situation. Vielversprechender ist daher die Beschwerde bei der zuständigen Beschwerdestelle im Betrieb.
Gemäß Paragraf 13 Absatz 1 Satz 1 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) hat jeder Beschäftigte das Recht, sich bei erlittenen Benachteiligungen bei der Beschwerdestelle zu beschweren. Dieses Recht gilt auch für erlebte sexuelle Belästigung.
Aufgrund von Paragraf 16 Absatz 1 Satz 1 AGG ist man auch vor Abmahnungen oder Kündigungen infolge der Inanspruchnahme der Beschwerdestelle geschützt.
Wenn auch diese Strategie nicht ausreicht, um das Fehlverhalten des Vorgesetzten abzustellen, kann der Arbeitnehmer aufgrund des Leistungsverweigerungsrechts aus Paragraf 14 AGG auch der Arbeit fernbleiben, ohne arbeitsrechtliche Konsequenzen fürchten zu müssen.
In noch extremeren Fällen, in denen es um strafbare Handlungen geht, empfiehlt sich zudem eine Anzeige bei der Polizei.
Privatrechtliche Schritte gegen sexuelle Belästigung am Arbeitsplatz
Welche privatrechtlichen Schritte lassen sich zudem einleiten?
Von sexueller Belästigung Betroffene haben gemäß Paragraf 15 Allgemeines Gleichbehandlungsgesetz (AGG) einen Anspruch auf Schadensersatz.
Dieser Schadensersatzanspruch umfasst gemäß Paragraf 15 Absatz 2 AGG zunächst eine angemessene Entschädigung in Geld. Zudem werden auch nötig gewordene Arzt- oder Therapiekosten ersetzt, wenn diese auf die sexuelle Belästigung zurückgeführt werden können.
Wichtig ist, dass Betroffene ihren Schadensersatzanspruch schnell geltend machen. Gemäß Paragraf 15 Absatz 4 AGG ist eine Geltendmachung nur innerhalb einer Frist von zwei Monaten möglich.
Zudem ist der Arbeitgeber gemäß Paragraf 12 Absatz 3 AGG zur Abstellung der Belästigungssituation verpflichtet. Je nach Schwere der sexuellen Belästigung kann somit über diesen Anspruch eine Abmahnung, eine Umsetzung, eine Versetzung oder gar eine Kündigung der belästigenden Person erreicht werden.
In jedem Fall sollten man sich in solchen Fällen anwaltlichen Rat suchen, sowohl als Arbeitgeber als auch als Arbeitnehmer.
Vielen Dank für das Gespräch, Frau Hoferichter.
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