Sollte das Handwerk nur noch E-Lastenräder nutzen und ihre bestehende Flotte damit ersetzen? Gute Idee, sagen die einen. Irrsinn, finden die anderen. Doch erste Betriebe machen damit gute Erfahrungen.
Der deutsche E-Bike-Markt boomt. Auch E-Lastenräder werden insbesondere in Städten verstärkt genutzt, als Taxis oder auch für den Einkauf oder zum Transport von schwereren Gegenständen. Die Bundesregierung begrüßt dies im Namen des Klimaschutzes und fördert bereits den Kauf von E-Lastenrädern. Nun haben die Grünen vorgeschlagen, die Förderung noch weiter auszubauen.
So sagte der Grünen-Haushaltspolitiker Sven-Christian Kindler gegenüber dem Redaktionsnetzwerk Deutschland: Auch Kleinbetriebe und das Handwerk könnten auf E-Lastenrädern umsteigen.
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Der Vorschlag klingt erstmal harmlos. Doch in den sozialen Medien erregte er die Gemüter. Einige fanden die Idee super. Andere lachen nur bei der Vorstellung, dass ein Bauunternehmen Zement im Elektro-Lastenrad anschleppen soll.
Wie sinnvoll ist es also, E-Lastenräder im Handwerk einzusetzen?
Kein Stau! Handwerk nutzt bereits E-Lastenräder
Für einige Handwerksbetriebe: sehr. Dirk Schmidt etwa ist Tischlermeister und Inhaber eines Ateliers für Holzbearbeitung in Düsseldorf. Schmidt kaufte bereits 2014 das erste Zweirad für seinen Betrieb. Mittlerweile ist ein zweites hinzugekommen, mit E-Antrieb.
Das sei so praktisch, dass er und seine zwei Mitarbeitenden die Bullis nur noch selten nutzen, wie er dem Fachmagazin Bauwerk erzählt.
Dabei hat er überraschenderweise festgestellt: Die E-Lastenräder sind großartig fürs Marketing. Schmidt werde immer wieder von Neugierigen angesprochen und das Feedback sei überwiegend positiv.
Auch Gerhard Nitz aus Ostnabrück ist von seinem E-Lastenrad begeistert. Der Elektrotechnikermeister fährt damit zu Kunden oder besucht Baustellen. 20 bis 30 Prozent seiner Geschäftsfahrten könne er so mit dem Lastenrad erledigen, sagt Nitz.
Ein großer Vorteil für ihn: Mit dem E-Lastenrad ist er oftmals sehr viel schneller am Ziel als mit dem Auto. Schließlich steckt er damit nie im Stau und verliert auch weniger Zeit mit der Parkplatzsuche.
Doch sind Gerhard Nitz und Dirk Schmidt nur Einzelfälle oder gibt es mehr Handwerksbetriebe, die E-Lastenräder nutzen?
Umfragen zeigen: Interesse ist da
Bislang gibt es wenige empirische Daten zu dem Thema. Eine Studie des Deutschen Zentrums für Luft- und Raumfahrt legt nahe, dass bundesweit bis zu 23 Prozent der Autofahrten im Handwerksbetrieb durch E-Cargobikes ersetzt werden könnten.
Doch wenn es darum geht, Autos künftig gänzlich mit Lastenrädern zu ersetzen, sahen die Studienautor:innen selbst im optimistischsten Zukunftsszenario lediglich einen Ersatz der Autofahrleistung zwischen 0,8 Prozent und 3,6 Prozent.
Das Interesse im ländlichen Raum war dabei geringer als in Ballungszentren. Die Studie stammt allerdings aus dem Jahr 2016 und berücksichtigt auch nicht die Unterschiede in den einzelnen Handwerkerbranchen.
Bei einer Umfrage aus 2020 des Zentralverbands des Deutschen Handwerks (ZDH) zeigte sich: Aktuell könnten sich sechs Prozent der Betriebe den Einsatz von Lastenrädern grundsätzlich vorstellen. Wenn auch eher als Ergänzung zum existierenden Fuhrpark.
Tatsächlich kommt es sowohl auf die Art des Handwerksbetriebes an als auch auf die Art der Fahrt, ob E-Lastenräder letztlich sinnvoll sind oder nicht.
Schon einzelne Fahrten ersetzen ist hilfreich
Für einen Elektrobetrieb oder Schornsteinfeger:innen sind Kundenbesuche mit dem E-Lastenrad durchaus denkbar. Auch zur Lebensmittellieferung eignen sich Lastenräder durchaus. Ein Malerbetrieb dagegen wird Schwierigkeiten haben, Leitern oder Gestelle mit dem E-Cargobike zu transportieren.
Für einfache Wartungsarbeiten mag wiederum auch hin und wieder ein Lastenrad reichen. Auch das ist aber nicht immer möglich. Denn selbst für Reparaturen müssen Handwerker:innen für unerwartete Situationen einiges an Ausrüstung dabei haben.
Dennoch: Selbst wenn nur hin und wieder eine Autofahrt mit einem Lastenrad ersetzt wird, sei das schon ein Vorteil fürs Klima, sagt der ZDH gegenüber BASIC thinking.
„Wenn Lastenräder und E-Lastenräder zunehmend für geeignete Fahrten von serviceorientierten Gewerken in Innenstädten eingesetzt werden und auch als Ergänzung in bestimmten ländlichen Räumen zur Nutzung kommen und damit Kraftfahrzeugfahrten eingespart sowie belastender Parkplatzsuchverkehr vermieden wird, wäre schon viel gewonnen.“
Wie sinnvoll ist das Konzept für den ländlichen Raum?
E-Lastenräder scheinen also vor allem in großen und mittelgroßen Städten oder auch in Vororten für Handwerksbetriebe viele Vorteile zu bieten. In ländlichen Regionen verliert das E-Lastenrad dagegen viele Vorteile. Mit Staus und Parkplatzproblemen haben hier die wenigsten zu kämpfen.
Auch sind die Distanzen und Terrains oftmals länger und schwieriger zu befahren. Gleichzeitig nutzen hier auch viele Handwerker:innen ihre Fahrzeuge privat, sodass sich das Auto nicht so leicht mit einem E-Lastenrad ersetzen lässt.
Dennoch seien Handwerksbetriebe auf dem Land der Idee gegenüber durchaus aufgeschlossen, sagt der ZDH. „E-Fahrzeuge werden im ländlichen Raum sogar positiver eingeschätzt als in städtischen Gebieten, was wahrscheinlich an den besseren Möglichkeiten der Kombination mit eigenen Erneuerbaren-Energien-Anlagen auf den eigenen Betriebsgeländen liegt.“
Tatsächlich bieten Lastenräder auch noch einen anderen Vorteil: Man braucht keinen Führerschein, um sie zu fahren. Damit könnten Handwerksbetriebe auch jüngere Mitarbeitende flexibler einsetzen.
Sollte Handwerk nur noch E-Lastenräder nutzen?
Bei der Frage, ob das Handwerk auf E-Lastenräder umsteigen sollte, geht es daher nicht um entweder oder. Für einige Betriebe ist das E-Cargobike sicherlich eine sinnvolle Ergänzung für die eigene Flotte. Einige Unternehmen können offenbar auch (nahezu) komplett umsteigen.
Für andere Betriebe, insbesondere im ländlichen Raum oder mit schwerer Ausrüstung, sind E-Cargobikes hingegen keine Alternative. Die Realität zeigt: Im Handwerk nutzt man bereits E-Lastenräder, immer dann, wenn es passt.
Eine Zwangsumstellung scheint aber absurd. Tatsächlich haben die Grünen diese auch nie vorgeschlagen. Die erregte Diskussion in den sozialen Netzwerken geht damit teilweise an der Realität vorbei.
In den meisten Fällen werden Betriebe individuell entscheiden, ob und in welcher Form E-Cargobikes für sie sinnvoll sind. Dass es dafür aber eine zusätzliche Förderung gibt, könnte viele zumindest offener an das Konzept herangehen lassen.
Einfach mal ausprobieren
Oftmals muss man es auch einfach nur ausprobieren. Bundesweite Testaktionen wie etwa die Cargobike Roadshow können dabei helfen. Denn so können Handwerksbetriebe die E-Lastenräder zunächst testen, bevor sie entscheiden, ob sich der Einsatz für den eigenen Betrieb lohnt.
Gleichzeitig wird, auch durch die Förderungen der Bundesregierung, der E-Cargobike-Markt für Hersteller attraktiver. So kommen auch neue Konzepte auf dem Markt.
Cargobike-Hersteller Ono Motion beispielsweise bietet ein elektrisch betriebenes Lastenrad, das aber eine geschützte Kabine und eine geräumige Anhängerkonstruktion aufweist, sodass es auch schwerere Lasten transportieren kann.
Wenn es mehr attraktive Alternativen an E-Lastenrädern für ihre Arbeit gibt, werden sicherlich auch mehr Handwerker:innen über eine Anschaffung nachdenken.
Gleichzeitig sind E-Lastenräder nicht der einzige Hebel fürs Handwerk, um umweltfreundlicher unterwegs zu sein. Schließlich tut sich auch bei den Elektroautos momentan sehr viel, sodass sich auch in diesem Bereich sicher bald schon interessante Alternativen zum Verbrennungsmotor auftun.
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