Vom ersten Strich bis zum Milliardenumsatz: Wie groß ist der Anteil von Comic-Schöpfer:innen zum Beispiel im MCU? Angeblich ist die Bezahlung bei Marvel und DC nicht fair. Doch jede Superheld:innen-Story hat mehrere Seiten. Wir betrachten die Situation mit Röntgenblick. Ein Kommentar.
Alles beginnt mit einer Idee. Und die entstammt mindestens einer Person, die in der Regel um Galaxien vom MCU (Marvel Cinematic Universe) entfernt ist, wo erfolgreiche Marvel-Geschichten später landen. Auch das Bankkonto befindet sich oft in einem Paralleluniversum.
Dass Konzerne die ersten Glieder einer Wertkette vernachlässigen, ist nicht neu. Schließlich kann auch der größte Kuchen nicht alle satt machen. Es stellt sich die Frage: Wie viel Fairness darf man im kapitalistischen System erwarten?
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Unfaire Bezahlung bei Marvel und DC?
Viele betroffene Menschen bejahen die Frage sofort. Bleiben wir beim MCU. Der Comiczeichner Ed Brubaker äußerte sich in einem Newsletter zur Serie „The Falcon and the Winter Soldier“. Er selbst war maßgeblich an der Entwicklung von Bucky Barnes (Winter Soldier) hin zu einem selbstständigen Charakter beteiligt.
„Zum größten Teil ist alles, was Steve Epting und ich für die Erschaffung des Winter Soldier und seiner Storyline bekommen haben, ein Danke hier oder da, und im Laufe der Jahre wurde es immer schwieriger, damit zu leben“, sagt Brubaker.
Er könne nicht leugnen, dass es ihm zuweilen negativ aufstößt, wenn Menschen ihn nach einem Kommentar zur Serie fragen, ergänzt Brubaker.
Vertrag ist Vertrag
Letztlich kommt es auf den Inhalt des Vertrags an. Grundsätzlich leisten Comic-Kreator:innen für Unternehmen Auftragsarbeit. Die Bezahlung von Marvel, DC Comics und Co. erfolgt in Form von Honoraren und Tantiemen.
In manchen Fällen winken feste Anstellungen und Beteiligungen, wenn die entworfene Figur zum Beispiel in einer Verfilmung auftritt. Doch grundlegend tragen die Schöpfer:innen das Recht am geistigen Eigentum. Und geben es freiwillig ab, wenn sie einen Vertrag unterschreiben.
Was bitterböse nach „selbst Schuld“ klingt, ist zum Teil auch so gemeint. Natürlich ist es moralisch verwerflich, vor allem Einsteiger:innen durch miese Verträge um einen perspektivisch verdienten Lohn zu bringen. Trotzdem wird der erst mit zwei Unterschriften gültig.
Laut The Guardian existiert beispielsweise eine DC-Vertrag, der eine Bezahlung verspricht, wenn Figuren weiterverwendet werden. Dass sie den Vertrag samt den besten Konditionen von Beginn an auf den Tisch legen, erwartet wohl niemand.
Eine romantisierte Vorstellung
Ein zentrales Problem ist das Aufeinanderprallen verschiedener Welten. Auf der einen Seite sitzen kreative Menschen, die emotionale, heroische und bunte Geschichten aus ihren Hirnwindungen ziehen und zeichnen. Auf der anderen Seite befinden sich Verantwortliche inmitten eines Multimilliarden-Unternehmens.
Natürlich erwärmt die Vorstellung das Herz, dass beide Parteien lächelnd und händeschüttelnd miteinander kommunizieren, mit hochgekrempelten Ärmeln über den Skizzen sinnieren, einen Bleistift hinter dem Ohr und einen Taschenrechner in der Hand, um direkt den Wert der neuen Geschichte zu berechnen.
Wer an ein solches Szenario glaubt, kann auch bei einem Start-up anfangen und nach einem millionenschweren Exit ohne vertraglich bindende Klausel einen Anteil einfordern, weil man davor am Erfolg mitgearbeitet hat.
Moral oder Verhandlungsgeschick?
Der Autor Ta-Nehisi Coates sagt laut Guardian, dass Marvel moralische Verpflichtungen habe. Nein. Zwar triggert seine Aussage „Nur weil es in einem Vertrag steht, ist es noch lange nicht richtig“ auch meinen Gerechtigkeitssinn. Aber nein: Marvel oder DC haben bei der Bezahlung keine weitere Verpflichtung als die vertraglich vereinbarte.
Hier geraten Gutmensch und Realität in ein Duell. Wobei Letztere rein rechtlich betrachtet die klar besseren Superkräfte aufweist. Daher: Ich propagiere nicht allein des eigenen Glückes Schmied, sondern kreide primär das System an. Die Dinge laufen mehrheitlich so oder so, weil ein globaler Mechanismus es zulässt.
Zu diesem System gehört eine Form von Ausbeutung – leider. Auch wenn es jeder und jedem selbst überlassen ist, die eigene Unterschrift hier oder dort zu setzen, drängt eine Entweder-oder-Situation oft zu einer Entscheidung, hinter der Menschen nicht voll und ganz stehen. Zum Beispiel, um als Comic-Autor:in einen Fuß in die Tür zu bekommen.
Der Fall Scarlett Johansson
Sie hat einen Stern auf dem „Walk of Fame“, gehört zu Hollywoods beliebtesten Darstellerinnen, ist mehrfach mit dem Oscar sowie Golden Globe ausgezeichnet und sie verklagt Disney.
Scarlett Johansson wittert einen Vertragsbruch der unternehmerischen Mutter von Marvel Entertainment. Es geht um das Spin-off der von ihr verkörperten Figur Black Widow. Dass der Konzern den Blockbuster ins Programm von Disney Plus aufnahm, obwohl er noch im Kino läuft, sei vertraglich nicht geregelt.
Disney gibt sich indes moralisch und zeigt sich in Bezug auf die schwierigen Bedingungen in der Corona-Pandemie erschüttert. An der Stelle ist ein Schmunzeln erlaubt, wenn man bedenkt, dass Disney Plus zu den großen Gewinnern der Krise zählt.
Obwohl es hier „Einzelperson versus Medienkonzern“ heißt, ist es ein Duell der Giganten, das erneut beweist, wie weit unter dem Radar die individuellen Schicksale der vielen Comic-Schöpfer:innen fliegen. An dieser Front wird wohl kaum etwas geschehen, während eine Multimillionärin möglicherweise Recht und noch mehr Geld bekommt.
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