Der Beirat „Junge Digitale Wirtschaft“ berät Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier in Fragen der digitalen Transformation. Ein inzwischen gelöschtes Positionspapier offenbart, wie erbärmlich es um das Demokratie-Verständnis des Beirats bestellt ist. Ein Kommentar.
Was macht die Junge Digitale Wirtschaft?
Der Beirat „Junge Digitale Wirtschaft“ ist ein Zusammenschluss mehrerer Player aus der deutschen Start-up-Szene. Hinzu kommen noch Investoren und Fachkräfte aus der Digitalwirtschaft. Gemeinsam beraten sie seit mehreren Jahren das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie, das aktuell von Peter Altmaier geleitet wird.
Dem Beirat gehören 30 Mitglieder an. Dazu gehören unter anderem Lea-Sophie Cramer (Gründerin von Amorelie), Tom Kirschbaum (Gründer von Door2Door), Lena Sophie Müller (Geschäftsführerin der Initiative D21) und Johannes Reck (Mitbegründer von Get Your Guide).
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Was hat die Junge Digitale Wirtschaft gefordert?
Die Wortwahl in der Überschrift und in diesem Kommentar ist drastisch. Darüber bin ich mir bewusst. Allerdings erfordern die Äußerungen des Beirats auch eine derartige Wortwahl, um die Dimension und die Gefahr zu verdeutlichen.
Doch worum geht es überhaupt? In einem mittlerweile gelöschten Arbeitspapier hat die „Junge Digitale Wirtschaft“ umfangreiche Maßnahmen zur Beschränkung der Pressefreiheit gefordert. Darüber hat das Handelsblatt exklusiv berichtet.
Glücklicherweise befinden sich zahlreiche Screenshots der mittlerweile einkassierten Forderungen im Internet wieder. Sie offenbaren ein verzerrtes Verständnis von Demokratie in der deutschen Start-up-Szene.
Krasses Zitat. Nicht nur „Disziplinierung“ der Presse, sondern gleich noch ein günstigeres Verwertungsrecht für Fremdartikel wünscht sich da jemand vom Beirat Junge Digitale Wirtschaft. Quelle: https://t.co/Fcd86FOrNx https://t.co/Eu83wvJh5L pic.twitter.com/syuNlpcXCr
— Marcus Schwarze 🚀 (@MarcusSchwarze) July 12, 2021
Die 4 (absurden) Wünsche des Beirats
Das Ziel des Arbeitspapiers, bei dem es sich den Beteuerungen der Mitglieder um eine „nicht finale“ Version gehandelt haben soll, wollen per Dekret eine „ausgewogene Berichterstattung über Börsengänge durch Erlass von Regeln zur Vermeidung einseitig diffamierender Artikel“ erzwingen.
Dafür äußern sie vier Wünsche beziehungsweise Vorschläge.
- Verpflichtung der Presse zur Berichterstattung auch über kleine IPOs (fallen sonst bei den großen Medien ganz durchs Raster)
- Disziplinierung der Presse zu sachlicher, richtiger und vollständiger Information, bewehrt durch Pflicht zur unverzüglichen Gegendarstellung bei Fehlinformation.
- Verpflichtung von Internetforen zur Offenlegung von Klarnamen der Blogger, Einführung einer Haftung von Bloggern für Falschbehauptungen und Beleidigungen.
- Gewährung des Rechts an den Emittenten, Artikel und Empfehlungen auf seiner Webseite zu veröffentlichen, ohne dafür horrende Lizenzgebühren an die Urheber zu zahlen, und Beseitigung der rechtlichen Haftungsrisiken der Wiedergabe von Artikeln von Dritten aufgrund Fehlinterpretation als eigene Anlageempfehlung des Emittenten.
Diese vier Forderungen sind in so vielen Punkten schockierend, dass man gar nicht so richtig weiß, an welcher Stelle man mit der Kritik beginnen sollte.
Der Unterschied zwischen Journalismus und PR
Zunächst einmal muss man dem Beirat „Junge Digitale Wirtschaft“ offenbar erklären, dass Journalismus und PR keine Synonyme sind. Journalisten arbeiten unabhängig. Sie sind nicht dazu verpflichtet über bestimmte Themen zu berichten – und das ist gut so.
Alles andere wäre eine gezielte Manipulation der Meinungsfreiheit. Diese ist im Grundgesetz der Bundesrepublik Deutschland mehr als deutlich verankert. Derartige Forderungen spielen nur Verschwörungstheoretikern in die Karten, die sowieso schon glauben, dass der Journalismus vom Staat gelenkt ist.
Wer seine Unternehmensbotschaften kommunizieren will, kann dafür eine Pressemitteilung herausgeben oder Werbung schalten.
Ein Pranger für Journalisten und Blogger?
Und auch die Verpflichtung zur Offenlegung von Klarnamen und zur Übernahme von Haftung ist absurd. Welches Ziel verfolgt die „Junge Digitale Wirtschaft“ damit? Wollen sie den unabhängigen Journalismus mundtot machen, indem unpassende Meinungen per Geldstrafe und juristischen Androhungen unterdrückt werden?
Alleine schon der Begriff der „Disziplinierung der Presse“ offenbart, wie wenig Verständnis die Mitglieder des Rates von der Pressefreiheit haben. Die Presse als unabhängiges Organ ist nicht vom Staat zu disziplinieren, damit die Wirtschaft glücklich ist.
Nicht umsonst ist die Pressefreiheit nach der Diktatur in Deutschland als Grundrecht eingeführt worden. In Artikel 5 heißt es deswegen auch: „Eine Zensur findet nicht statt.“ Doch genau das wollen die Wirtschaftsvertreter offensichtlich.
Kein Geld für Berichterstattung
Zuletzt zeichnet auch der vierte Punkt der Forderungen ein zweifelhaftes Bild. So will der Beirat für (positive) Berichterstattung kein oder nur sehr wenig Geld bezahlen. Dass es so etwas wie das Urheberrecht gibt, scheinen die Mitglieder gekonnt auszublenden.
Noch absurder wirkt das Konstrukt, wenn man zugleich liest, dass die „Junge Deutsche Wirtschaft“ selbst weniger Haftung für zukunftsgerichtete Aussagen von Emittenten und Emissionsbanken übernehmen will, wie Handelsblatt-Chefredakteur Sebastian Matthes auf LinkedIn schreibt.
Das heißt im Klartext: Die Initiatoren wollen den Journalismus stärker in die Haftung nehmen und zugleich weniger Verantwortung übernehmen, falls getroffene Aussagen zum Wert oder zur Zukunft eines Unternehmens nicht stimmen sollten und Anleger:innen dadurch ihr Geld verlieren.
Das unterstreicht auch der Wunsch, dass Ad-hoc-Pflichten und Meldungen zu Insider-Geschäften sowie Empfehlungen verschwinden sollen. Will sich hier eine Branche schützen und die offenbar vorhandenen Machenschaften decken, indem die Pressefreiheit eingeschränkt wird?
Entschuldigungen im Social Web
Nach der Veröffentlichung der ersten Artikel werden die Mitglieder des Beirats in den sozialen Medien aktiv. Sie kommentieren auf Twitter, LinkedIn und Co. in den Kommentarspalten.
Sie entschuldigen sich und rechtfertigen sich damit, dass es sich um eine „veraltete Version“ handle (Alexander von Frankenberg), dass es „nur“ ein „ärgerlicher Fehler“ sei und es sich um die „vorläufige Arbeitsversion anstatt der finalen Version“ handle. (Christian Vollmann)
Lässt man dabei außer Acht, dass die Version in dieser Form mehrere Wochen auf der Seite des Wirtschaftsministeriums stand, sind die Antworten reine Heuchelei.
Die Beschränkung der Grundrechte ist keine Diskussionsgrundlage
Denn: Ob es nun eine vorläufige oder die finale Version ist, ist letztendlich egal. Schließlich zeugt alleine schon der Fakt, dass derartige Forderungen überhaupt in einem Papier niedergeschrieben werden, davon, dass die Grundhaltung dieses Beirats vollkommen falsch ist.
Wer nur darüber nachdenkt, die Presse- und Meinungsfreiheit und somit die Grundrechte in Deutschland zu beschränken, sollte das eigene Handeln dringend überdenken. Wirtschaftliche und eigene Interessen stehen nicht über dem Gesetz.
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