Der Bundestag und der Bundesrat haben ein neues Gesetz für faire Verbraucherverträge auf den Weg gebracht. Seitdem ist an vielen Stellen zu lesen, dass Handyverträge und Abos von Fitnessstudios nur noch ein Jahr laufen dürfen. Ist das wirklich so? Wir haben nachgefragt.
Viele von uns stecken in der Abofalle. Ob es nun der Mobilfunkvertrag ist oder das Abonnement im Fitnessstudio: Oftmals verlängern sich Verbraucherverträge, obwohl wir das weder wollen, noch darüber informiert werden.
Das Gesetz für faire Verbraucherverträge verspricht nun oberflächlich das Ende von Vertragslaufzeiten über zwei Jahre und automatischen Verlängerungen um ein Jahr. Doch ist jetzt wirklich alles gut? Ist die Position von Verbrauchenden wirklich besser als zuvor? Darüber haben wir mit Wirtschaftsanwalt Carsten Lexa gesprochen.
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Verbraucherverträge über zwei Jahre bleiben erlaubt
BASIC thinking: Carsten, der Bundestag und der Bundesrat haben ein neues Gesetz für faire Verbraucherverträge beschlossen. Die gelten unter anderem für Handy-Verträge, Fitnessstudios und Streaming-Dienste. Dabei ist oftmals die Rede davon, dass es künftig nur noch Verträge mit einem Jahr Laufzeit gibt. Zugleich erklärt CDU-Sprecher Jan-Marco Luczak beispielsweise, dass eine Mindestvertragslaufzeit von bis zu zwei Jahren ganz normal über die AGB vereinbart werden kann. Was ändert sich also konkret?
Carsten Lexa: Vorweg ist zu klären, dass es kein eigenes „Gesetz für faire Verbraucherverträge“ gibt. Es handelt sich um ein Änderungsgesetz. Dieses sieht Anpassungen an bereits vorhandene Gesetzesregelungen im Bürgerlichen Gesetzbuch (BGB) oder dem Einführungsgesetz zum BGB (EGBGB) vor. Am Ende sollen Klauseln in Allgemeinen Geschäftsbedingungen (AGB) fairer für Verbraucher sein.
Bereits vor der Gesetzesänderung war nach Paragraf 309 Nummer 9 lit. a) in AGB bei einem Vertragsverhältnis, das die regelmäßige Lieferung beispielsweise von Dienstleistungen zum Gegenstand hat, eine den anderen Vertragsteil länger als zwei Jahre bindende Laufzeit des Vertrages, in AGB, rechtlich unwirksam.
Hieran ändert sich nichts. Eine Mindestvertragslaufzeit von bis zu zwei Jahren kann grundsätzlich auch in AGB vereinbart werden, ohne dass diese an weitere Voraussetzungen gebunden ist.
Als rein formale Anpassung hat sich die Stellung dieser Regelung im BGB geändert. Der ursprüngliche Paragraf 309 Nummer 9 a) erhielt neue Unterlitera und die inhaltlich unveränderte Zweijahresregelung wurde nach Paragraf 309 Nummer 9 lit. a), aa) BGB verschoben.
1-Jahres-Vertrag mit maximal 25 Prozent Aufschlag
Inhaltlich neu eingeführt wurden Bestimmungen für den Zeitraum von länger als einem Jahr bis zu zwei Jahren.
Voraussetzung für dessen wirksame Vereinbarung ist, dass der Verwender der AGB dem anderen Vertragsteil anbietet, den Vertrag über die gleiche Leistung mit einer nicht länger als ein Jahr bindenden Laufzeit und zu einem Preis zu schließen.
Der Preis des kürzeres Vertrags darf den des längeren Vertrags nicht um mehr als 25 Prozent im Monatsdurchschnitt übersteigen.
Das heißt: Der Voraussetzung wird genügt, wenn der Verwender dem Verbraucher alternativ zu einem Vertrag mit einer Laufzeit von zwei Jahren für die gleiche Leistung einen Vertrag mit einer Laufzeit von einem Jahr anbietet, dessen monatliche Kosten die durchschnittlichen monatlichen Kosten, die für den Zweijahresvertrag anfallen, nicht um mehr als 25 Prozent übersteigen.
Strengere Regeln für die automatische Verlängerung von Verbraucherverträgen
Ebenso gibt es Änderungen bei der automatischen Verlängerung von Verträgen. Welche neuen Regelungen gibt es dabei für User?
Bereits vor der Gesetzesänderung war nach Paragraf 309 Nummer 9 lit. b) BGB in AGB eine stillschweigende (automatische) Verlängerung des Vertragsverhältnisses um jeweils mehr als ein Jahr verboten.
Zu Paragraf 309 Nummer 9 b) wurden nun neue Unterlitera eingeführt und die unveränderte Einjahresregelung in Paragraf 309 Nummer 9 lit. b), aa) BGB verschoben (formale Anpassung).
Zum Schutz der Verbraucher wurden aber strengere Regelungen für die automatische Verlängerung von Verträgen getroffen.
Aufklärungs- und Erinnerungspflichten für Unternehmen
Inhaltlich neu geregelt bezüglich einer stillschweigenden Verlängerung des Vertragsverhältnisses und eingefügt unter Paragraf 309 Nummer 9 lit. b), bb) wird nun eine Regelung für den Zeitraum von drei Monaten bis zu einem Jahr.
Eine derartige automatische stillschweigende Verlängerungsregelung in AGB ist rechtlich nur wirksam, wenn der Verwender der AGB den Verbraucher auf bestimmte Punkte innerhalb bestimmter Fristen in Textform (Papier, USB-Stick, CD-ROM, Speicherkarte, Festplatte, E-Mail) hingewiesen hat.
Folgende Voraussetzungen müssen Beachtung finden:
- Der Verwender muss spätestens zwei Monate, jedoch frühestens vier Monate vor Ablauf der zunächst vorgesehenen oder stillschweigend verlängerten Vertragsdauer den Verbraucher in Textform auf folgende Termine hinweisen:
- den Zeitpunkt, zu dem die vereinbarte Vertragslaufzeit endet,
- den Zeitraum, um den sich der Vertrag verlängert, wenn er nicht rechtzeitig gekündigt wird, und
- den Zeitpunkt, zu dem die Kündigung beim Verwender spätestens eingehen muss.
Kündigungsbutton für Verbraucherverträge im Internet
Und wie sieht mit im Internet geschlossenen Verträgen aus?
Künftig wird für dauernde Schuldverhältnisse ein verpflichtender Kündigungsbutton im Online-Bereich eingeführt, durch Einführung eines neuen Paragraf 312 k BGB, der die Voraussetzungen im Detail regelt.
Ab wann und für wen gelten diese Regelungen? Oder anders gefragt: Was passiert mit meinen laufenden Verträgen? Bekomme ich ein Sonderkündigungsrecht, wenn mich mein Fitnessstudio erst kürzlich in einen neuen Knebelvertrag gezwungen hat?
Die Änderungen zu Paragraf 309 Nummer 9 treten erst Monate nach Inkrafttreten des übrigen Änderungsgesetzes in Kraft, damit die betroffenen Unternehmen mindestens sechs Monate Zeit haben, ihre AGB anzupassen. Erstes Inkrafttreten ist der 1. Juli 2022.
Die Gesetzesänderung gilt nur für Rechtsverhältnisse, die ab dem Inkrafttreten des Änderungsgesetzes entstanden sind, hat also keine Rückwirkung.
Vielen Dank, lieber Carsten!
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