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Digitale Transformation: Warum tun wir uns damit so schwer?

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Warum macht uns die digitale Transformation so viel Angst? (Foto: Unsplash.com / Ari He)
geschrieben von Carsten Lexa

Die digitale Transformation hat in allen Bereichen der Gesellschaft Veränderungen ausgelöst. Entsprechend stehen viele Menschen vor neuen Herausforderungen. Und wir sollten endlich zugeben: Das ist nicht immer leicht. Daher möchte ich mit diesem Beitrag eine Diskussion anstoßen, warum wir uns mit den Herausforderungen so schwertun. 

Ich möchte dafür direkt mit einem Ereignis beginnen, das ich selbst erlebt habe und auf der Grundlage dieses Ereignisses ein paar Schlussfolgerungen ziehen.

Das Ereignis: Aufregung bei Gruppenwanderung

Vor einiger Zeit habe ich an einer Gruppenwanderung teilgenommen. Die Wanderstrecke teilte sich auf in zwei Teile, wobei für das erste Teilstück von der Reiseleiterin eine Gehzeit von rund 2,5 Stunden und für das zweite Teilstück von rund 1,5 Stunden angegeben wurde.

Berücksichtigt wurde dabei, dass die Wandergruppe aus eher gemütlich laufenden Personen bestand, weshalb die Reiseleiterin pro Teilstück ca. 20 bis 30 Minuten extra in die Gehzeit eingeplant hatte.

Eine Teilnehmerin war mit den Angaben der Reiseleiterin nicht ganz einverstanden. Sie kannte angeblich die Strecke und war der Meinung, dass die Gesamtstrecke nicht unter fünf Stunden, eher in mindestens sechs Stunden, zu schaffen sei.

Insbesondere mit der Gehzeit beim zweiten Teilstück hatte sie große Schwierigkeiten. Sie war überzeugt, dass für diese Strecke mindestens zwei Stunden einzuplanen wären, besser noch etwas mehr.

Digitale Transformation: Was sagt Google Maps?

Da ich die Reiseleiterin gut kannte und wusste, dass diese die Wanderstrecken sehr genau im Voraus plant, faszinierte mich die Situation.

Eine kurze Suche auf Google Maps zeigte mir, dass die Strecke insgesamt 3,6 Kilometer lang war. Es gab zwar ein paar Höhenmeter zu überwinden, allerdings waren diese nicht sonderlich herausfordernd. Ich verstand deshalb nicht, wie man für eine Strecke von 3,6 Kilometer zwei Stunden Gehzeit ansetzen sollte, wie von dieser einen Teilnehmerin gefordert.

Geht man davon aus, dass ein normal Gehender etwa fünf bis sechs Kilometer in der Stunde schafft und rechnet man noch einen Puffer hinzu, dann war schon die Stunde, die Google Maps angab, großzügig bemessen. Insbesondere auch deshalb, weil Google Maps ja Anstiege im Rahmen der zurückgelegten Strecken entsprechend berücksichtigt.

Geteilte Wege

Nachdem ich die Teilnehmerin vorsichtig auf die Angabe auf Google Maps hingewiesen hatte, wurde diese sehr erregt. Sie kenne die Strecke und wisse genau, dass die Gehzeit mindestens 2 Stunden betrage.

Ihr energisches Bestehen auf ihrem vermeintlichen Wissen führte dann dazu, dass sich ein Teil der Wandergruppe entschied, die Wanderung nach dem ersten Teilstück abzubrechen, weil das zweite Teilstück dann zu lange dauern würde.

Der andere Teil der Gruppe, zu der auch ich gehörte, kam nach knapp einer Stunde am Ziel an. Und das, obwohl diese Gruppe langsam ging und diverse Pausen für Fotos einlegte – wie von Google Maps angegeben.

Meine Verblüffung: Erfahrung besser als Daten?

Das vorstehend geschilderte Ereignis hat mich in den Tagen danach sehr beschäftigt. Nicht unbedingt deshalb, weil die Teilnehmerin so vehement auf ihrer Erinnerung beharrte oder weil sie sich mit der Reiseleiterin anlegte, die sich immerhin beruflich mit der Organisation von Wandertouren beschäftigte.

Beschäftigt hat mich vielmehr, dass zum einen die dem Ereignis zugrundeliegenden Tatsachen von der Teilnehmerin nicht logisch analysiert werden konnten: Wie sollte es möglich sein, für eine Strecke von 3,6 Kilometer eine Gehzeit von zwei Stunden zu brauchen?

Zum anderen hat mich regelrecht verblüfft, dass die Analyse der Strecke durch Google Maps und die daraus resultierende Schlussfolgerung für die Gehzeit für diese Teilnehmerin in dieser Situation keine Rolle gespielt hat. Und das, obwohl diese, wie alle anderen Teilnehmenden, Google Maps so gut wie immer für die Berechnung von Fahr- oder Gehzeiten verwendete.

Die Teilnehmerin hat lieber ihrer eigenen Erinnerung vertraut als aktuellen Daten und Analysen von Google Maps. Einer App, der sie sonst ohne nachzudenken vertraut.

Digitale Transformation: Es ist schwierig

Nun könnte man denken, dass mein Erlebnis nur sehr bedingt etwas mit den Herausforderungen der digitalen Transformation zu tun hat. Ich dagegen denke, dass sich aus dieser Situation einiges erkennen lässt, woher die Herausforderungen kommen.

Die Teilnehmerin hätte eigentlich nur eine richtige Wahlmöglichkeit gehabt: den Angaben von Google Maps zu vertrauen. Alles hat für die Richtigkeit der Angaben von Google Maps gesprochen und nichts für die Richtigkeit ihrer Erinnerung. Die Angaben von Google Maps jedoch waren für sie ohne Bedeutung. Und ich meine, das ist eine ganz typische Entscheidung.

Im Zweifel vertrauen wir auf uns selbst

Denn, dass Computer und Software in vielen Bereichen bessere Entscheidungen als Menschen treffen, ist inzwischen hinlänglich bekannt. Dennoch fehlt es meiner Ansicht nach immer wieder an Vertrauen in die Richtigkeit von digitalen Entwicklungen.

Ob das selbstfahrende Autos sind, medizinische Roboter oder die Entwicklung individueller Lernpläne von Schülern anhand von deren individuellem Lernfortschritt – im Zweifel vertrauen wir auf uns selbst und darauf, dass wir bessere Entscheidungen als Computer treffen.

In manchen Bereichen sind wir sogar überzeugt, dass Computer und Software nicht einmal annähernd so gute Entscheidungen wie Menschen treffen. Geschweige denn bessere!

So denken viele meiner Anwaltskolleg:innen noch immer, dass Computer Verträge noch lange nicht so gut oder gar besser als ein Mensch prüfen können. Meiner Meinung nach ist dieses Denken ein großer Fehler, der einigen Kollegen ein böses Erwachen bescheren wird.

Digitale Transformation: Was muss getan werden?

Genau diese Schwierigkeit im Umgang mit der digitalen Transformation hindert uns meiner Ansicht nach daran, das Potenzial der Veränderungen zu nutzen. Anstatt den digitalen Möglichkeiten Vertrauen zu schenken, fallen wir zurück auf fehlerhafte menschliche Schlussfolgerungen, obwohl die Vorteile der digitalen Tools sogar belegt sind.

Was aber kann nun getan werden, um dieses Hindernis zu beseitigen?

Wie können wir es schaffen, mehr Vertrauen in die digitalen Möglichkeiten und in positive Ergebnisse der Veränderungsprozesse zu erzeugen? Gerne würde ich mit allen Leserinnen und Lesern eine Diskussion starten. Ich hoffe, ich konnte mit diesem Beitrag einen interessanten Ausgangspunkt setzen.

Schreibt mir in die Kommentare, was eurer Meinung nach uns daran hindert, das volle Potenzial aus den digitalen Veränderungsprozessen zu schöpfen. Ich freue mich auf eure Beiträge!

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Über den Autor

Carsten Lexa

Rechtsanwalt Carsten Lexa berät seit 20 Jahren Unternehmen im Wirtschafts-, Gesellschafts- und Vertragsrecht. Er ist Lehrbeauftragter für Wirtschaftsrecht, BWL und Digitale Transformation sowie Buchautor. Lexa ist Gründer von vier Unternehmen, war Mitinitiator der Würzburger Start-up-Initiative „Gründen@Würzburg”, Mitglied der B20 Taskforces Digitalisierung/ SMEs und engagiert sich als Botschafter des „Großer Preis des Mittelstands” sowie als Mitglied im Expertengremium des Internationalen Wirtschaftsrats. Er leitete als Weltpräsident die G20 Young Entrepreneurs´Alliance (G20 YEA). Bei BASIC thinking schreibt Lexa über Themen an der Schnittstelle von Recht, Wirtschaft und Digitalisierung.