Eine 28-jährige Mutter hat ein Aktiendepot bei der Comdirect-Bank eröffnet. Sie hat festgelegt, dass ihr Konto keinesfalls überzogen werden darf. Trotzdem ist ihr Konto nach einem Kauf plötzlich 575.000 Euro im Minus. Die Bank weist alle Schuld von sich. Wie konnte das passieren?
Die Ausgangslage
Jenny Schulz ist eine Mutter aus Leverkusen und hat rund 25.000 Euro auf ihrem Konto. Sie ist auf der Suche nach einer neuen Anlageform und eröffnet im Sommer 2020 ein Konto bei der Online-Bank Comdirect.
Die kaufmännische Angestellte wollte ihr Guthaben schützen und ließ sich deshalb in den Vertrag zur Eröffnung ihres Aktiendepots hineinschreiben, dass ihr Konto mit 25.000 Euro nicht überzogen werden darf.
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Das Objekt der Begierde
Gegenüber dem WDR teilt Jenny Schulz mit, dass sie am 9. Dezember 2020 die Aktie des Biotechnologie-Unternehmens Greenwich Life Sciences Inc. (GLSI) entdeckt hatte.
Die Firma hatte an diesem Tag mit „GP2“ eine Immuntherapie für Frauen mit Brustkrebs vorgestellt, die dafür sorgen soll, dass die Krebsrückkehr in den ersten fünf Jahren nach der (erfolgreichen) Behandlung auf 0 Prozent sinken soll.
Die Kaufordner, die zum Verhängnis wird
Da die Mutter erst zwei Monate zuvor selbst aufgrund eines Knotens bei der Krebsuntersuchung war, beschloss sie, ihr gesamtes Geld in diese Firma zu investieren. Dieser Schritt ist zwar an sich sehr bedenklich, sollte jedoch in diesem Fall keinesfalls voreilig kritisiert werden.
Zum Zeitpunkt der Entscheidung lag der Aktienkurs bei 4,30 Euro. Aus diesem Grund hat sich Jenny Schulz dazu entschieden, die Comdirect-Bank mit dem Kauf von 5.800 Aktien für etwas weniger als 25.000 Euro zu beauftragen.
Das Problem, das die 28-jährige Mutter dabei nicht bedacht hat: Der Kaufwunsch enthielt kein Limit. Das heißt: Die Comdirect-Bank hat den Kaufauftrag am nächsten Tag zum entsprechenden, aktuellen Kurs ausgeführt – und der lag bei 125 Euro.
Was ist eine Limit-Ordner?
Eine Kauforder mit Limit enthält einen festen, maximalen Preis, zu dem Anleger:innen eine Aktie kaufen wollen. Der Kauf wird somit erst dann ausgeführt, wenn der entsprechende oder ein besserer Preis erreicht worden ist.
Durch diese Art des Investments können Anleger:innen also sicherstellen, dass sie Aktien nur zu einem festgelegten Preis beziehungsweise Kurs kaufen.
Die Konsequenz
Aufgrund des fehlenden Limits hat die Comdirect-Bank für Jenny Schulz am 10. Dezember 2020 also Aktien im Wert von 600.000 Euro gekauft. Dementsprechend war das Konto knapp 575.000 Euro im Minus. Nach dem sofortigen Verkauf aller Anteile lag das Minus noch bei 360.000 Euro.
Gegenüber dem WDR sagt Jenny Schulz: „Ich möchte wissen, wie das passieren konnte, dass mir ein Kredit von über 600.000 Euro gewährt wurde, ohne dass mein Gehalt geprüft, mein Wissenstand geprüft, mein Kontostand geprüft wurde.“
Ein technischer Fehler der Comdirect-Bank?
Die Comdirect-Bank teilte auf Anfrage mit, dass Frau Schulz das Sicherungssystem durch ihr Kaufverhalten umgangen habe.
Dass eine einfache Kauforder einer einzelnen unerfahrenen Kundin ein Sicherungssystem lahmlegen kann, ist jedoch äußerst fragwürdig – insbesondere wenn entsprechende Regelungen vertraglich zugesichert werden.
So teilt auch Detlef Wagner, Rechtsanwalt von Jenny Schulz, dem WDR mit:
Wenn eine völlig unerfahrene 28-jährige Verbraucherin das Sicherungssystem einer Bank mit ein, zwei Orderversuchen umgehen kann, dann kann es sich nicht um ein Sicherungssystem handeln.
Die Schuldfrage
Vieles deutet also auf einen technischen Fehler der Comdirect-Bank hin. Wieso wurde das Konto überzogen? Wieso wurde das Konto in dieser Höhe überzogen? Warum gab es kein Sicherheitssystem, das die entstehenden Kosten angezeigt hat?
All diese Fragen stellen sich Jenny Schulz und ihr Anwalt. Die wollen die ausstehenden 360.000 Euro keinesfalls begleichen. Auch die Comdirect-Bank hat bereits angedeutet an einer gemeinsamen Lösung zu arbeiten.
Trotzdem stellt sich die Frage, wie schnell eine mögliche Lösung gefunden werden kann. Zumal die Comdirect-Bank am 1. November 2020 aufgelöst und von der Commerzbank übernommen worden ist.
Es bleibt dabei für die 28-jährige Mutter zu hoffen, dass ihre Existenz nicht zwischen den Mühlrädern der Bürokratie zerrieben wird.
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