Wirtschaft

„Neu erfinden“: Was Gunther Wobser im Silicon Valley gelernt hat

Golden Gate Bridge, San Francisco, Neu erfinden
Gunter Wobser will dem deutschen Mittelstand helfen, sich neu zu erfinden. (Foto: Unsplash.com / Philippe Gauthier)
geschrieben von Carsten Lexa

Dass wir in Deutschland mehr Innovationen brauchen, hört man überall. Doch warum kommen diese nicht? Warum reißen die Diskussionen über den „Innovations-Notstand“ nicht ab? Wer das Buch „Neu erfinden“ von Gunther Wobser liest, bekommt eine Ahnung, woran es liegen könnte. Eine Rezension.

Deutschland ist ein Land der Erfinder. Und Deutschland ist immer noch ein Land, das aus seinen Erfindungen starke wirtschaftliche Entwicklungen formt. Grundlage dafür ist der Mittelstand, für den Deutschland und seine Wirtschaft überall auf der Welt bewundert wird.

Der Mittelstand im Wandel

Doch hat sich in den letzten Jahren die öffentliche Meinung im Hinblick auf die deutsche Wirtschaftskraft geändert. Dazu tragen nicht nur so unsägliche Beispiele wie der Berliner Flughafen oder der Stuttgarter Bahnhof bei, sondern auch die digitalen Entwicklungen – oder besser: Nicht-Entwicklungen – die sowohl der Wirtschaft als auch der Gesellschaft Probleme bereiten und die immer stärker ins Bewusstsein und das Licht der Öffentlichkeit treten.


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Corona deckt Schwächen auf

So hat insbesondere die Corona-Krise gezeigt, dass in den letzten Jahren zu wenig Anstrengungen unternommen wurden, um wesentliche Bereiche unseres Lebens neu zu denken – sei dies öffentliche Verwaltung, (digitaler) Handel oder digitale Werkzeuge und Prozesse an Schulen und Universitäten.

Woran liegt es nun, dass der Eindruck entsteht, Deutschland werde im internationalen Vergleich in Sachen Innovationen abgehängt? Es ist leicht, immer nur auf die Politik zu schimpfen. Dort, insbesondere bei Politikern, die nicht verstehen, wie sich die Welt gerade wandelt, ist sicherlich eines der Probleme zu sehen.

Aber was passiert, wenn auch der Mittelstand seine Innovationskraft verliert? Gunther Wobser, der Autor des Buches „Neu erfinden“, hat dazu seine eigene Meinung.

Er ist Inhaber-Geschäftsführer der Lauda Dr. R Wobser GmbH & Co. KG. Das ist einer der sogenannten Hidden Champions – also ein unbekannter Weltmarktführers im Bereich Temperaturregelung. Hier macht das Unternehmen rund 100 Millionen Euro Umsatz mit etwas über 500 Mitarbeitern.

Sorgen und Entschlossenheit

Und er hatte Sorgen. Denn vor gut vier Jahren merkte er, dass sein Unternehmen mehr tun müsse, um weiterhin zu den besten am Markt zu gehören. Doch woher sollten neue Ideen kommen? Aus dem Unternehmen selbst wohl nicht, es brauchte Input von außen.

Deshalb hat sich Gunter Wobser zu einem großen Schritt entschlossen. Er ging 2017 dorthin, wo Innovationen gelebt werden – in die USA ins Silicon Valley. Zusammen mit seiner Familie zog er für ein Jahr dort hin – und leitete gleichzeitig weiterhin sein Unternehmen.

Im Buch „Neu erfinden“ berichtet er von den Erfahrungen, die er dabei gemacht hat.

Und dabei spart er nicht mit Kritik an sich und an seinem eigenen Unternehmen. Er zeigt aber auch auf, was den Unterschied ausmacht zwischen deutschen Unternehmern und solchen in den USA. Es ist die Einstellung.

Er berichtet von seinen Erlebnissen, wenn es darum geht, neue Dinge anzugehen, mit Hürden und Herausforderungen umzugehen und mit dem Scheitern. Er beschreibt, mit welcher Geschwindigkeit dort gearbeitet wird. Und er zeigt auf, was sich dazu im Vergleich in deutschen Unternehmen ändern müsste, damit die Innovationen wieder sprießen können.

Ein stummer Schrei

Liest man „Neu erfinden“, dann ist man vielleicht im ersten Moment irritiert. Denn die Sprache ist meiner Ansicht nach manchmal sehr zurückhaltend, was die Durchschlagskraft seiner Argumente im ersten Moment verschleiert.

Sieht man aber genauer hin, dann erkennt man, was für eine Kraft in den Zeilen steckt. Teilweise hatte ich das Gefühl, mich würden stumme Schreie erreichen, wenn Gunther Wobser beschreibt, wie er den Umgang mit Innovation – insbesondere im Technologiebereich – im Silicon Valley und dann in Deutschland erlebt.

Aber nicht nur das. Er zeigt an vielen Beispielen auch auf, welche neuen Prozesse und welches Denken in deutschen Unternehmen wirken müssten oder derzeit nicht wirken. Anhand dieser Beispiele wird deutlich, woran es liegt, dass die bisherige Diskussion über fehlende Innovationen in Deutschland kaum Folgen hat.

Hoffnung auf das große Ganze

Wenn ich einen Wunsch für eine zweite Auflage von „Neu erfinden“ hätte, dann wären es teilweise umfangreichere Ausführungen dazu, wie das im Silicon Valley erlebte in Deutschland umgesetzt werden kann.

Gunther Wobser zeigt zwar auf, was schiefläuft. Aber es wird deutlich, dass nicht nur an einzelnen Stellschrauben gedreht werden muss, sondern dass neues Denken erforderlich ist. Dieses gesamte Bild dargestellt zu sehen, würde dem Buch noch mehr Durchschlagskraft geben.

Abgesehen davon ist es eine hochinteressante Lektüre, die Einblicke in das Denken eines tatsächlichen Lenkers eines deutschen mittelständischen Unternehmens gibt. Genau von diesen Praktikern bräuchten wir mehr.

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Über den Autor

Carsten Lexa

Rechtsanwalt Carsten Lexa berät seit 20 Jahren Unternehmen im Wirtschafts-, Gesellschafts- und Vertragsrecht. Er ist Lehrbeauftragter für Wirtschaftsrecht, BWL und Digitale Transformation sowie Buchautor. Lexa ist Gründer von vier Unternehmen, war Mitinitiator der Würzburger Start-up-Initiative „Gründen@Würzburg”, Mitglied der B20 Taskforces Digitalisierung/ SMEs und engagiert sich als Botschafter des „Großer Preis des Mittelstands” sowie als Mitglied im Expertengremium des Internationalen Wirtschaftsrats. Er leitete als Weltpräsident die G20 Young Entrepreneurs´Alliance (G20 YEA). Bei BASIC thinking schreibt Lexa über Themen an der Schnittstelle von Recht, Wirtschaft und Digitalisierung.