Sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer beklagen, dass man im Home Office einfach nicht produktiv arbeiten kann. Das nervt mich. Denn: In Wahrheit stecken in den meisten Fällen Versäumnisse auf beiden Seiten dahinter. Ein Kommentar über die wahren Produktivitätskiller.
Ich muss es einfach mal sagen. Es gibt diese eine Aussage, die mich in den letzten Monaten wirklich regelmäßig nervt: „Das Home Office macht unproduktiv.“ Oder in leicht abgewandelter Form: „Im Home Office kann man auf Dauer nicht produktiv arbeiten.“
Manchmal wird dies in epischer Breite ausgerollt und manchmal reicht auch einfach ein kurzer Tweet oder ein Satz in einem Interview. Dabei ist auch mir klar, dass das Home Office durchaus zu Problemen führen kann, wenn dahinter kein richtiges Konzept steht.
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4 wahre Produktivitätskiller: Woran das Home Office wirklich scheitert
So ist es selbstverständlich essenziell, dass es einen engen und persönlichen Austausch zwischen den Führungskräften und den Mitarbeitern aber auch zwischen den Mitarbeitern untereinander gibt. Ohne diesen sozialen Kit würden wir tatsächlich auf Dauer vereinsamen.
Hier ist es an den Arbeitgebern, die richtigen Grundlagen und Bedingungen zu schaffen. In anderen Fällen und Situationen wiederum müssen die Arbeitnehmer die Schuld bei sich selbst suchen. Denn fast alle auserkorenen Produktivitätskiller sind nicht im Home Office, sondern in Menschen und Strukturen verankert.
Diese Probleme lösen sich jedoch nicht, wenn die Unternehmen ihre Mitarbeiter wieder blind in die Firmenzentrale zitieren. Stattdessen müssen Führungskräfte auf der einen Seite und Angestellte auf der anderen Seite an sich selbst arbeiten.
1. Sinnhaftigkeit der eigenen Arbeit
Fangen wir doch einmal bei den Arbeitgebern an. Einer der größten Produktivitätskiller überhaupt ist die Arbeit selbst. Wer als Geschäftsführer, Vorgesetzter oder Abteilungsleiter seinen Angestellten nur stupide Befehle erteilt, sorgt unweigerlich dafür, dass die Produktivität sinkt.
Es ist eigentlich eine banale Tatsache, die trotzdem nur zu häufig ignoriert wird. Aber: Jeder Mitarbeiter muss wissen, warum er eine Aufgabe erledigt und welches Ziel damit verfolgt wird. „Weil das dein Job ist.“ ist übrigens kein entsprechendes Argument.
Wie lässt sich das im Alltag umsetzen? Eigentlich ist das alles relativ unkompliziert. In den allermeisten Fällen reicht dabei schon ein Nebensatz mit einer Begründung.
Anstelle „Bis um 10 Uhr benötige ich von dir heute den Bericht.“ kannst du einfach schreiben. „Ich benötige heute von dir bitte deinen Bericht bis um 10 Uhr, weil ich um 10.30 Uhr ein Telefonat mit unserem Geschäftsführer habe und unsere Ergebnisse dabei präsentieren muss.“
Ohne die Erklärung denken sich viele Arbeitnehmer vermutlich: Warum macht der mir so einen Stress? Mit der Erklärung versteht jeder Angestellte sofort, was die Ursache für den zeitlichen Stress ist.
Letztendlich geht es also darum, klare Ziele zu verfolgen und den Sinn einer Aufgabe zu vermitteln.
2. Meetings und Kontroll-Strukturen
Der zweite Produktivitätskiller im Home Office sind für mich ganz eindeutig Meetings. Auch hierbei tragen die Führungskräfte erneut die Verantwortung an den bestehenden Strukturen zu schrauben, denn in der Regel sind es nicht die Angestellten, die für Koordination und Ablauf von Besprechungen verantwortlich sind.
Dabei fordere ich natürlich nicht, dass Meetings komplett abgeschafft werden. Sie sind wichtig, um den Austausch untereinander zu fördern und schnell einige Punkte abzuklären. Denn eine Diskussion dauert im Slack-Chat manchmal eine Stunde, wobei eigentlich fünf Minuten am Telefon genügen würden.
Wie gelingt es allen Führungskräften nun, bessere Meetings abzuhalten? Eigentlich genügen dabei als Leitfaden einige Fragen:
- Wer muss an diesem Meeting teilnehmen? Daraus folgen dann die Fragen, welche Teilnehmer eine Einladung erhalten – und welche nicht.
- Gibt es wirklich etwas zu besprechen? Falls nicht ist auch das Meeting nicht notwendig.
- Welche Tagesordnungspunkte gibt es und wer muss dafür welche Informationen mitbringen?
- Wie lange soll das Meeting dauern? Das heißt: Reicht uns auch ein 15-Minuten-Slot oder braucht es wirklich eine Stunde? Ein klarer Termineintrag sorgt dafür, dass niemand dazu verleitet wird, ins sprichwörtliche Labern zu kommen.
Wer diese Fragen wahrheitsgetreu beantwortet, macht Besprechungen von einem Produktivitätskiller zu einem effektiven und hilfreichen Kommunikationsmittel.
Insbesondere die erste Frage sorgt übrigens für deutlich mehr Ordnung im Postfach, weil nicht alle 30 Minuten Einladungen und Anfragen für Besprechungen und Telefonate eintrudeln, die letztendlich irrelevant sind und somit den Empfänger nur aus seinem Workflow reißen.
3. Telefonate und unangekündigte Anrufe
Der dritte Produktivitätskiller im Home Office – und damit wechseln wir dann auf die Seite der Arbeitnehmer – sind Telefonate. Genauer gesagt meine ich damit alle unangekündigten, internen Anrufe von Kollegen oder Vorgesetzten.
Was den meisten Arbeitnehmern in den vergangenen Monaten bewusst geworden ist, ist, dass wir alle unterschiedlich arbeiten. Manche Arbeitnehmer brauchen mehr Struktur, andere weniger. Manche fangen lieber um 6 Uhr an, andere lieber um 10 Uhr.
Die Quintessenz ist: Produktivität ist sehr individuell. Es gibt dabei prinzipiell kein richtig und kein falsch, weil wir alle unterschiedliche Methoden brauchen, um das Maximum aus uns herauszuholen. Produktivität hat also eine direkte Verbindung zu Respekt.
Falls du jetzt verwirrt bist, wollen wir dir den Zusammenhang schnell erklären: Abgesehen davon, dass es bei jedem Unternehmen (relativ) feste Anwesenheitszeiten gibt, können wir gerade im Home Office (relativ) flexibel arbeiten. Das muss jeder Arbeitnehmer verstehen.
Denn das bedeutet auch, dass wir nicht vorschnell zum Telefon greifen und einen Kollegen in einer Deep-Work-Phase unterbrechen, sondern dass wir zunächst eine kurze Nachricht schreiben, ob es gerade für ein Telefonat passt.
Im Büro würden wir ja auch nicht einfach eine geschlossene Tür, an der das Schild „Bitte nicht stören“ hängt, aufreißen und ein Gespräch beginnen. Deshalb lautet mein Appell an all die Anrufer und Vieltelefonierer: Bitte fragt vorher nach und ruft nicht einfach an – und überlegt euch, ob es diesen Anruf wirklich braucht.
4. Multitasking
Damit entsteht eigentlich ein fließender Übergang zum vierten und letzten Produktivitätskiller im Home Office: dem Multitasking. Es ist längst wissenschaftlich belegt, dass wir Menschen nicht dazu in der Lage sind, mehrere Dinge gleichzeitig aufzuführen – zumindest nicht, wenn höchste Qualität gefordert ist.
Wir können eben nicht gleichzeitig im Team-Chat schreiben und ein Arbeitspapier ausarbeiten, ohne Fehler zu begehen. Wir können nicht effektiv an einer Videokonferenz teilnehmen, wenn wir ständig von aufpoppenden E-Mails abgelenkt werden.
Und wir können auch nicht konzentriert arbeiten, wenn alle fünf Minuten ein Kollege anruft und uns mit einer Belanglosigkeit konfrontiert, die auch per Chat-Nachricht geklärt hätte werden können.
Es ist in diesem Fall also wieder einmal nicht das Home Office, das unproduktiv macht, sondern es sind wir selbst, die die wahren Produktivitätskiller sind. Wir müssen uns endlich davon verabschieden, dass wir mehrere Dinge gleichzeitig erledigen können. Das geht einfach nicht und widerspricht unserer Biologie.
Stattdessen müssen wir lernen, uns zu fokussieren und eine Aufgabe nach der anderen zu erledigen. Wer sich zum Beispiel von E-Mails ablenken lässt, kann dazu übergehen, einmal in der Stunde das Postfach zu checken. Du wirst merken: Das bewirkt Wunder.
Auf diese Art und Weise erreichen wir an einem Arbeitstag letztendlich mehr als wenn wir versuchen, alles gleichzeitig zu machen. Zudem steigt noch die Qualität der geleisteten Arbeit, weil wir konzentriert und fokussiert sind.
Das Home Office ist kein Produktivitätskiller
All diese Argumente zeigen, dass uns nicht das Home Office unproduktiv macht. Vielmehr ist das Home Office ein Spiegel, der all die Fehler und Probleme offenbart, die im Büro oftmals unbemerkt bleiben.
Deshalb sollten sowohl Arbeitgeber als auch Arbeitnehmer das Home Office als Chance begreifen, die eigene Arbeit zu überdenken und etablierte Strukturen zu hinterfragen, denn letztendlich gibt es keinen produktiveren Arbeitsort als das Arbeitszimmer im Home Office. Davon bin ich überzeugt.
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