Das Bundesministerium für Arbeit und Soziales beabsichtigt, neue Regelungen für Selbständige einzuführen, die über Plattformen Aufträge erhalten und abwickeln. Dabei sollen die Regelungen für Solo-Selbstständige gelten. Ich habe mir die neuen Vorschläge angesehen.
Betroffene Plattformen
Zuerst geht es um die Situationen, in denen das Bundesministerium Handlungsbedarf sieht. Es sind nämlich nicht alle Plattformen gleichermaßen betroffen. Plattformen, die ausschließlich Vermittlungstätigkeiten betreiben, gehören nicht dazu.
Es geht dem Bundesministerium vielmehr um die Plattformen, die „unter Ausnutzung der strukturellen Besonderheiten der Plattformökonomie als zentrale, steuernde Akteure im Dreiecksverhältnis zwischen Kunden/Auftraggeber, Plattformtätigen und Plattformbetreiber Einfluss auf die Vertragsgestaltung und -durchführung nehmen („Arbeitsplattformen“).“
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Vergleichbarkeit: Arbeitnehmer vs. Solo-Selbstständige
Grund für neue Regelungen sieht das Bundesministerium in der Art, wie manche Plattformen die Art der Tätigkeitserbringung vorgeben.
„Plattformbetreiber geben regelmäßig die Vertragsbedingungen mit den Plattformtätigen einseitig vor, insbesondere durch Allgemeine Geschäftsbedingungen (AGB). Bestimmte Plattformbetreiber nehmen zudem Einfluss auf die Art und Weise der Vertragserfüllung. […] […] Solo-selbstständige Plattformtätige sind daher, auch wenn es an einer unmittelbaren Weisungsgebundenheit als Voraussetzung für ein Arbeitsverhältnis fehlt, regelmäßig in einer ähnlichen Weise fremdbestimmt wie Arbeitnehmer, wobei die Arbeits- und Vermittlungsprozesse vielfach mit Unterstützung technologischer Anwendungen gesteuert werden.“
Das Bundesarbeitsministerium sieht deshalb eine Vergleichbarkeit in der Art der Erbringung von Leistungen zwischen Arbeitnehmern und Solo-Selbstständigen. Arbeitnehmer jedoch sind durch bestehende Gesetze in vielfältigster Weise geschützt.
Für Selbständige gelten diese Regelungen grundsätzlich nicht. Sie sind Selbständige und gerade keine Arbeitnehmer. Aus diesem Grund ist das Bundesministerium der Ansicht, dass es neuer Regelungen bedarf. Sie sollen auch Solo-Selbstständige in einer Art schützen, die vergleichbar ist mit dem Schutz von Arbeitnehmern.
Regelungen für Solo-Selbstständige im Gesetzesentwurf
Der Gesetzesentwurf enthält deshalb unter anderem folgende Vorschläge:
- Selbständige sollen in die Rentenversicherung einbezogen werden. Des Weiteren wird geprüft, ob eine Krankenversicherung möglich ist. Wer als Kurierfahrer tätig ist, für den soll die Unfallversicherung angepasst werden. Von diesen Änderungen wären dann auch Auftraggeber betroffen. Schließlich sollen sich diese an den jeweiligen Versicherungen beteiligen.
- Wenn Selbständige krank werden und nicht arbeiten können, dann sollen Plattformen für den Verdienstausfall haften und eine Vergütung zahlen. Darüber hinaus soll es Mutterschutzregelungen und Urlaubsregelungen geben.
- Selbständige sollen sich zu Organisationen zusammenschließen können, um gemeinsam ihre Rechte verhandeln und durchsetzen zu können.
- Für Selbständige, die über Plattformen tätig sind, soll es hinsichtlich der Verträge zwischen den Selbständigen und der Plattform Mindestkündigungsfristen geben, die von der Beschäftigungsdauer abhängen.
- Selbstständige sollen Kundenbewertungen, die sie auf einer Plattform erhalten haben, zu einem anderen Auftraggeber mitnehmen können.
Einschätzung
Ich kann die Begründung des Bundesarbeitsministeriums sogar in gewisser Weise nachvollziehen. In der Tat besteht bei einem Arbeitnehmer die Besonderheit, dass er seine Tätigkeiten nicht selbstbestimmt erbringt. Aufgrund der Vorgaben seines Arbeitgebers hat er wenig Entscheidungsspielraum.
Wenn nun eine Plattform ebenfalls so enge Vorgaben für die Erbringung von Tätigkeiten macht, dass wenig Entscheidungsspielraum für das „Wie“ der Tätigkeitserbringung besteht, liegt der Vergleich mit einer Arbeitnehmertätigkeit nahe.
Nicht nachvollziehen kann ich jedoch kann ich die Nicht-Berücksichtigung der Autonomie der Entscheidung eines Solo-Selbstständigen, für solch eine Plattform zu arbeiten. Wer für so eine Plattform tätig wird, der ist sich doch seiner Entscheidung bewusst.
Das bedeutet aber auch: Er kennt die Bedingungen, die für seine Tätigkeit gelten. Und noch wichtiger: Er entscheidet sich mit jeder Tätigkeit wieder neu, dass er diese Tätigkeit ausüben möchte.
Ein Arbeitnehmer hat diese Wahlmöglichkeit nicht. Er hat grundsätzlich jede Tätigkeit auszuführen, die er von seinem Arbeitgeber erhält. Gewisse Beschränkungen bestehen dabei natürlich. Diese ändern aber nichts am Grundsatz.
Das Bundesarbeitsministerium sagt ja sogar selbst, dass es bei den Solo-Selbstständigen, für die es nun Regulierungsbedarf sieht, „an einer unmittelbaren Weisungsgebundenheit als Voraussetzung für ein Arbeitsverhältnis fehlt“.
Das zentrale Kriterium der Weisungsgebundenheit, das für einen Arbeitnehmer gilt, gibt es also nicht. Und dennoch wird versucht, eine Vergleichbarkeit zu konstruieren.
Künstlicher Zulauf für die Sozialversicherungssysteme?
Man kann den Eindruck bekommen, dass sich die Arbeitswelt ändert, das Bundesministerium aber versucht, das bisherige System, das auf den Schutz von Arbeitnehmern ausgerichtet ist, möglichst frühzeitig auf Solo-Selbstständige auszuweiten.
Meiner Ansicht nach verkennt das Bundesarbeitsministerium, dass viele Menschen sich bewusst für Tätigkeiten entscheiden, die insbesondere gerade nicht der Sozialversicherungspflicht unterliegen.
Es hat ein wenig den Anschein, als sollen mit den neuen Regelungen lediglich weitere Personen in die Sozialversicherungssysteme einbezogen werden. Wäre es nicht sinnvoller zu überlegen, ob sich die Arbeitswelt ändert und dann neue Regelungen für diese neue Welt zu finden?
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