Nachdem das Bundesverfassungsgericht das alte Bundesnachrichtendienst-Gesetz (BND-Gesetz) gekippt hatte, legt die Bundesregierung den nächsten Entwurf vor. Dieser enthält Regelungen, die fragwürdige Praktiken des Geheimdienstes legalisieren. Wir sehen uns das neue Gesetz an.
Erst im Mai 2020 hat das Bundesverfassungsgericht das alte BND-Gesetz gekippt, weil es gegen Grundrechte verstieß.
„Mit heute verkündetem Urteil hat der Erste Senat des Bundesverfassungsgerichts entschieden, dass die Überwachung der Telekommunikation von Ausländern im Ausland durch den Bundesnachrichtendienst an die Grundrechte des Grundgesetzes gebunden ist und nach der derzeitigen Ausgestaltung der Ermächtigungsgrundlagen gegen das grundrechtliche Telekommunikationsgeheimnis und die Pressefreiheit verstößt“, erklärte das Bundesverfassungsgericht genau.
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Darum hat die Bundesregierung nun einen neuen Entwurf zum umstrittenen BND-Gesetz vorgelegt, in dem einige fragwürdige Regelungen zu finden sind.
Was wird im neuen BND-Gesetz geregelt?
So hat das Magazin Netzpolitik.org beispielsweise das Dokument aus dem Kanzleramt veröffentlicht. Demnach sieht der neue Entwurf vor, dass der Bundesnachrichtendienst Mobilfunk- und Internetanbieter legal hacken darf. Was das genau bedeutet, ist unklar.
Ulrich Kelber, Beauftragter für Datenschutz und Informationsfreiheit (BfDI), hatte diesen Punkt auch schon im alten Entwurf bemängelt und als „unbestimmt“ bezeichnet.
Das Gesetz würde einen noch tieferen Eingriff in unsere Grundrechte erlauben als die Massenüberwachung. Kelber sprach von einem Staatstrojaner.
Laut Netzpolitik musste der BND seit 2001 „seine Massenüberwachung auf 20 Prozent einzelner Kommunikations-Leitungen beschränken. Schon diese Regel hintertrieb der Geheimdienst mit eigentümlichen Rechtsauffassungen.“
Die Bundesregierung will den deutschen Geheimdiensten mit dem neuen BND-Gesetz demnach erlauben, Spionage-Praktiken zu legalisieren und zu erweitern.
Welche Regelungen gibt es speziell für deutsche Bürger?
Das bedeutet auch, dass die Geheimdienste unsere Chats über WhatsApp und andere (verschlüsselte) Messenger-Dienste mitlesen dürfen. Laut Kelber übersteige das Ausmaß der staatlichen Überwachung „mittlerweile das für eine Demokratie erträgliche Maß.“
Der BND darf zwar keine personenbezogenen Daten von Bürgern erheben. Doch es gibt zwei Lücken im Gesetzentwurf.
Zum einen gilt das Verbot für Verkehrsdaten nicht für Maschine-zu-Maschine-Kommunikation. Der Bundesnachrichtendienst darf also Daten sammeln, die etwa von einem Smartphone zu einem Mobilfunkmast fließen.
Laut einer Pressemitteilung des Bundesverwaltungsgerichts aus dem Jahr 2017 gibt es keine Rechtsgrundlage für die Verarbeitung von Verkehrsdaten deutscher Staatsangehörigkeit. Diese würde das neue BND-Gesetz nun erlauben.
Zum anderen wird dem BND mit dem neuen Gesetz erlaubt, anonymisierte Metadaten zu speichern. Der Dienst kann über deutsche Mobilfunkanbieter Hash-Werte einsetzen und damit Vorratsdatenspeicherung durchführen. Darüber lassen sich etliche Daten über Staatsbürger erfassen, die der BND eigentlich nicht sammeln darf.
Warum ist die Kritik am BND-Gesetz so laut?
Darum ist die Kritik auch so laut: Das BND-Gesetz ist eine Lizenz zur Spionage. Die Bundesregierung will beispielsweise – zumindest in der Theorie – 30 Prozent aller Telekommunikationsleitungen weltweit abhören.
Zum Vergleich: Die US-amerikanische NSA kann nur 75 Prozent der US-amerikanischen Kommunikation abhören. Der neue Entwurf soll auch das Überwachen ausländischer Kommunikationsanbieter gegen deren Willen rechtfertigen.
Auf Netzpolitik heißt es: „Als [der US-amerikanische Whistleblower und ehemalige CIA-Mitarbeiter] Edward Snowden nachwies, dass die Geheimdienste von USA und Großbritannien genau das tun, war das noch ein Skandal. Heute legalisiert die Bundesregierung so etwas einfach.“
Doch das ist nicht das einzige Problem. Datenschützer warnen auch vor Übermittlungsbeschränkungen, die einfach umgangen werden können. Der BND soll Daten erheben, speichern, auswerten und an andere Behörden im In- und Ausland weitergeben dürfen.
Wegen der lauten Kritik soll ein „unabhängiger Kontrollrat“ den Auslandsnachrichtendienst kontrollieren. Allerdings besitze dieser Rat laut dem Datenschutzbeauftragten Kelber eine faktische Nähe zum Kanzleramt und zum BND. Eine Unabhängigkeit wäre so nicht gegeben.
Welche Gegenvorschläge gibt es?
Die Abteilung „Polizei und Nachrichtendienste“ von Deutschlands oberster Datenschutzbehörde könnte die unabhängige Kontrolle stattdessen übernehmen. Zudem hat die Stiftung „Neue Verantwortung“ ein ganzes Dokument mit Reaktionen und Verbesserungsvorschlägen veröffentlicht.
Sie schlägt etwa vor, personenbezogene Daten und Metadaten einheitlichen Schutzvorschriften zu unterstellen. Damit würde das Metadaten-Schlupfloch verschwinden.
Die Stiftung schreibt auch, dass die wirksame Genehmigung der BND-Anordnungstypen für die strategische Überwachung durch die gerichtsähnliche Kontrolle nicht durchgehend verankert sei.
Deshalb sollten Anordnungen von „Strategischen Aufklärungsmaßnahmen“ transparent sein. Gerade, weil der BND im Ausland Kommunikation erhebt, wäre demnach „zumindest die unabhängige Prüfung und Genehmigung aller verwendeten Suchbegriffe durch den Unabhängigen Kontrollrat“ geboten.
Die Bundesregierung hat sich allerdings im Kern schon auf die Inhalte des Gesetzes geeinigt. Deshalb dürfte es keine essenziellen Änderungen mehr geben. Das Gesetz soll voraussichtlich noch im Dezember 2020 verabschiedet und auf den Weg gebracht werden.
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