Könntest du dir vorstellen, nie wieder im Büro zu arbeiten? Genau das hat Dropbox angekündigt. Das Unternehmen will ein „Remote-First-Unternehmen“ werden. Kann das funktionieren? Wir schauen uns die Pläne von Dropbox an und sprechen mit zwei Unternehmen, die schon jetzt digitale Arbeitsmodelle leben.
„Dropbox gibt heute den Wechsel zu einem Virtual-First-Unternehmen bekannt, was bedeutet, dass alle Mitarbeitenden dauerhaft von zu Hause aus arbeiten werden. Remote-Arbeit wird – auch nach der Pandemie – der alltägliche Standard für die individuelle Arbeit der Mitarbeitenden sein.“
Mit dieser Meldung überraschte Dropbox vor Kurzem die Arbeitswelt. Es mag zunächst nicht sonderlich aufregend klingen. Im Moment arbeiten wir nahezu ohnehin alle im Home Office.
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Doch was Dropbox hier ankündigt, ist durchaus gewaltig: Künftig will das Unternehmen gar keine Büros mehr haben. Im Umkehrschluss heißt das: Alle Mitarbeiter arbeiten nur noch remote.
So plant Dropbox sein Remote-First-Modell
Das kann theoretisch im Home Office sein, in einem Ferienhaus oder in einem Coworking-Space. Doch praktisch bedeutet das, dass das Arbeitsumfeld bei Dropbox (nahezu) rein digital wird.
Es soll zwar verschiedene „Dropbox Studios“ geben. Dabei wird das Tech-Unternehmen an allen bisherigen Office-Standorten sowie an einigen neuen Orten Räumlichkeiten mieten, in denen Mitarbeiter aus der Region zusammenkommen können.
Allerdings: „Dropbox Studios sind ausdrücklich für die Zusammenarbeit und den Aufbau der Gemeinschaft gedacht, für Einzelarbeit können sie von den Mitarbeitern nicht genutzt werden“, sagt das Unternehmen sehr kategorisch.
Auch feste Arbeitszeiten soll es nicht mehr geben. Dropbox hat sich dazu einen nichtlinearen Stundenplan überlegt, bei denen das Unternehmen lediglich Kernzeiten bestimmt, in der alle Mitarbeiter online sein müssen, wenn alle Zeitzonen überlappen. Abgesehen davon kann jeder arbeiten, wann und wo er möchte.
Dropbox habe sich ganz bewusst gegen ein Hybrid-Modell entschieden, bei dem etwa ein Teil der Belegschaft remote arbeitet und der andere im Büro.
Dropbox sagt dazu: „Hybride Ansätze können zwei unterschiedliche Erfahrungen etablieren, die das Zugehörigkeitsgefühl negativ beeinflussen und zu Ungerechtigkeiten in puncto Leistungsevaluation und Berufslaufbahn führen.“
Kann das funktionieren? Könntest du dir vorstellen, nie wieder im Büro mit Kollegen zu arbeiten, sondern nur noch alles virtuell zu erledigen?
„Wie soll ein echtes Betriebsklima entstehen?“
Karsten Agten, geschäftsführender Gesellschafter beim IT-Unternehmen IT-On.net aus Düsseldorf sagt dazu im Video-Gespräch mit BASIC thinking: „Ganz klar, nein“. Das ist jedenfalls seine Erfahrung nach rund acht Monaten Remote-Arbeit mit seinem Team.
Das liegt weniger an technischen Problemen. Hier sei das Unternehmen als IT-Spezialist ohnehin schon sehr gut aufgestellt gewesen. Agten habe aber nach einigen Wochen festgestellt, dass die Arbeit im Home Office nicht zu jedem Mitarbeiter passe.
„Einige Mitarbeiter finden es klasse, dass sie nicht mehr im Stau stehen müssen und alles remote erledigen können. Doch anderen fehlt einfach der Austausch mit den Kollegen, das Gespräch in der Kaffeeküche oder auch einfach ein ruhiges Arbeitsumfeld.“
Man könne darüber hinaus auch nicht voraussetzen, dass jeder Mitarbeiter ein gut strukturiertes Home Office mit der passenden Infrastruktur mitbringe. „Wie soll außerdem ein echtes Betriebsklima entstehen, wenn sich die Mitarbeiter so gut wie nie persönlich sehen?“
Ein reines Remote-Modell hält Agten daher für zu limitiert.
Ein rein digitales Unternehmen, wie bei Dropbox, kann Agten sich daher für sein Team nicht vorstellen. Auch, wenn es künftig definitiv mehr Flexibilität für Mitarbeiter zwischen Remote-Arbeit und dem Arbeiten im Büro geben werde.
Denn, auch das hat Agten festgestellt, viele Mitarbeiter sind im Home Office viel produktiver. Digitale Tools wie Microsoft Teams ermöglichen zudem neue Formen der Kommunikation. Zusätzlich spart sein Unternehmen nun Kosten bei der Bürofläche sowie bei den Firmenwagen.
Agten wird daher auch in Zukunft auf ein Hybrid-Modell zwischen Remote und Büro-Präsenz setzen.
Remote-Kommunikation muss geübt werden
Tatsächlich kann ein Hybrid-Modell in der Praxis komplizierter sein als „Virtual First“, wie bei Dropbox oder die klassische Anwesenheit im Büro, sagt Andreas Dolle im Gespräch mit BASIC thinking.
Er vergleicht es mit der Talkshow „Hart aber fair“ von WDR-Moderator Frank Plasberg. „Plasberg muss gleichzeitig mit den Zuschauern im Studio kommunizieren und mit den Fernsehzuschauern“, sagt Dolle. Das will geübt sein – vom Blickkontakt bis zur Sprachwahl.
So sei es auch mit Hybrid-Modellen bei der Arbeit. Wenn ein Teil des Teams im Büro ist und ein Teil im Home Office müsse man auch hier die richtige Kommunikation lernen und üben, findet Dolle.
Er muss es wissen. Dolle arbeitet schließlich seit 2009 mit verschiedenen digitalen Arbeitsmodellen. In diesem Jahr hat er mit seiner Frau unter anderem das Buch „Von Null auf Homeoffice“* veröffentlicht.
Mit seinem Beratungsinstitut ADM habe er schon sehr früh und „mutig und unerschrocken“ einen digitalen Weg eingeschlagen. Aber man müsse die Menschen dabei mitnehmen, erklärt er.
Früher als andere hat Dolle schon auf Online-Übertragungen von Veranstaltungen gesetzt sowie digitale Kommunikationstools für seine Mitarbeiter eingeführt.
Doch das sind für Dolle nur Werkzeuge. Für ihn ist auch klar: Virtuelles Arbeiten braucht mindestens genauso viel Struktur wie die Arbeit im Büro, wenn nicht noch mehr.
Virtuelles Arbeiten braucht mehr Struktur
In seinem Team gibt es zum Beispiel einen zentralen digitalen Planer, in dem jeder Mitarbeiter jeden Arbeitsschritt mit entsprechenden Ressourcen eintragen muss.
Das mache es viel leichter, für alle anderen die Arbeitsschritte nachzuvollziehen und beispielsweise dann im Urlaub oder Krankheitsfall die Aufgaben zu übernehmen. Gleichzeitig hat damit das gesamte Team stets Einblick in alle Ressourcen und Wissensquellen der anderen Mitarbeiter.
„Ich weiß, dass meine Mitarbeiter das teilweise nervig finden, aber diese Struktur und Transparenz ist enorm wichtig für digitale Teams“, sagt Dolle. Auch betont er immer wieder, wie wichtig es sei, dass Führungskräfte die Vision der digitalen Geschäftsmodelle vorleben und das Team darin anleiten.
Digitale Unternehmen scheinen insgesamt sehr viel mehr Kommunikation zu benötigen oder zumindest neue Formen der Kommunikation, bei denen man alle im Team mitnimmt.
Vor allem brauche es aber viel Zeit und Raum zum Ausprobieren, zum Fehler machen und zum Reflektieren, sagt Dolle. Denn man könne nicht einfach auf Remote Work umstellen und dann erwarten, dass alles wunderbar funktioniere.
Arbeiten wir bald alle nur noch remote?
Andreas Dolle sieht zwar einen klaren Trend zu mehr virtueller Arbeit. Auch er kann sich ein „Virtual-First-Modell“ wie bei Dropbox für sein Team aber nicht vorstellen.
Dennoch: Remote Work wird sicherlich in naher Zukunft immer mehr zum Normalfall in Unternehmen werden. Denn viele haben insbesondere in diesem Jahr festgestellt, dass Remote Work nicht nur gut funktioniert, sondern auch produktiver ist – und Mitarbeiter daran wirklich Gefallen finden.
Eine aktuelle Umfrage von Global Workplace Analytics unter 3.000 Angestellten weltweit offenbart, dass 77 Prozent der befragten Mitarbeiter sich im Home Office „voll produktiv“ fühlen. 76 Prozent der Mitarbeiter sagten sogar, dass sie auch in Zukunft mindestens zwei Tage pro Woche aus dem Home Office arbeiten wollen.
Letztlich wird es jedes Unternehmen für sich entscheiden müssen, in welcher Form digitale Modelle umgesetzt werden. Für manche Unternehmen mag ein rein virtuelles Arbeitsumfeld ideal sein.
Andere werden wiederum in erster Linie virtuell arbeiten, aber auch Büroräume anbieten. Und wieder andere Teams werden vielleicht eher ein 50-50-Modell einführen.
Tatsächlich gibt es auch nicht unbedingt eine einheitliche Definition von Begriffen wie „Remote“, „Remote First“ oder „Virtual First“. All das sind letztlich Rahmenkonstrukte, die Unternehmen unterschiedlich ausfüllen können.
Es kommt weniger auf den Namen und mehr auf die Kultur an
Doch egal, für welche Variante man sich letztlich entscheidet, eine Sache darf kein Unternehmen dabei vergessen, sagt Karsten Agten: „Sprecht vorher mit euren Mitarbeitern und entscheidet dann, wer, wie und in welcher Form remote arbeitet.“
Denn am Ende wird es weniger darauf ankommen, wie das Unternehmensmodell nun konkret heißt, sondern vielmehr darauf, wie ein Unternehmen die Remote-Kultur lebt, wie die Leitlinien umgesetzt werden und wie sehr die Mitarbeiter ein aktiver Teil dieser Modelle sind.
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