Zerstören Elektroautos Arbeitsplätze? Das befürchten viele. Doch eine aktuelle Studie sagt nun: Das stimmt so nicht. Elektroautos vernichten unterm Strich keine Arbeitsplätze, sie werden aber verlagert. Und wenn deutsche Autobauer nicht schnell reagieren, könnten diese Jobs nach Asien gehen.
Elektroautos machen derzeit noch einen kleinen Prozentanteil des gesamten Automarktes aus. Allerdings ist es der am schnellsten wachsende Teil. Hinzu kommt, dass Elektromobilität von Kalifornien über London bis nach China staatlich gefördert wird.
Langfristig soll der Elektromotor die Verbrennungsmotoren ersetzen. In erster Linie geht es dabei ums Klima. Doch natürlich hängen an einem derart massiven Wandel auch wirtschaftliche Faktoren.
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Insbesondere in der „Autonation Deutschland“ fürchten viele, dass Elektroautos Arbeitsplätze kosten. Denn Elektrofahrzeuge gelten als weniger komplex in der Produktion. Sie benötigen weniger separate Bauteile und sind damit weniger arbeitsaufwendig.
Unterm Strich würde das bedeutet: Wenn wir von Autos mit Verbrennungsmotoren auf Fahrzeuge mit Elektromotoren umrüsten, gehen dabei Jobs verloren.
Doch eine neue Studie der Boston Consulting Group (BCG) widerspricht nun dieser Annahme. Die Studienautoren sagen: Die Autobauer werden langfristig weniger Mitarbeiter benötigen. Aber: Diese Arbeitsplätze gehen nicht verloren, sie verlagern sich vielmehr in andere Bereiche.
Elektroautos vs. Verbrenner: Kaum Unterschiede im Aufwand
Dazu hat sich die BCG-Studie zunächst die einzelnen Produktionsschritte von Elektroautos und Autos mit Verbrennungsmotoren angeschaut. Es geht dabei um vollelektrische Fahrzeuge, nicht um Autos mit Hybrid-Motoren.
Ihr erstaunliches Ergebnis: Tatsächlich benötigt man zur Fertigung eines Elektroautos nahezu genauso viele Arbeitskräfte wie bei einem Verbrenner-Auto.
Wie kann das sein, wenn Elektroautos aus weniger Einzelteilen bestehen?
Das erklärt sich tatsächlich dadurch, dass viele dieser Einzelteile komplizierter in der Herstellung sind und mehr Arbeitsschritte verlangen als bei einem Diesel oder Benziner.
Elektroautos: Nur 1% geringerer Arbeitsaufwand
Die Studie nennt dafür verschiedene Beispiele, wie etwa die Karosserie. Bei Autos mit Verbrennungsmotoren besteht diese meist aus Stahl. Bei Elektroautos ist das Metall aber nicht die erste Wahl, weil es so schwer ist.
Wenn der Akku bereits eine halbe Tonne wiegt, will man darum mit schwerer Karosserie nicht auch noch die Reichweite zusätzlich mindern. Darum wählen Autobauer wie Tesla beispielsweise das leichtere und stabilere Aluminium als Material für die Karosserie.
Nur: Dieses lässt sich nicht so leicht schmelzen wie Stahl. Auch lassen sich Aluminium-Teile nicht so leicht zusammenfügen wie Stahl. All das erfordert mehr Arbeitsschritte und mehr Personal.
Die Binsenweisheit, dass Elektrofahrzeuge weniger arbeitsintensiv seien als Verbrenner-Fahrzeuge sei darum nicht zutreffend, heißt es in der Studie.
Ja, Elektrofahrzeuge benötigen keine Spritpumpen oder Abgas-Systeme. Sie benötigen aber Hochspannungsbestandteile, zusätzliche Temperaturregulierungssysteme und auch die Qualitätskontrolle ist aufwendiger.
Und wo man etwa in der Fabrik keine Montage von Abgassystemen mehr benötigt, braucht man stattdessen eine neue Ausrüstung, die die schweren Akkus bewältigen kann.
So schlussfolgern die Studienautoren: „Aktuelle BEV-Arbeitsanforderungen sind in etwa ein Prozent geringer als für ICEVs“.
BEV steht dabei für Battery Electric Vehicles (batterieelektrische Fahrzeuge) und ICEV für Internal Combustion Engine Vehicle (Fahrzeug mit internem Verbrennungsmotor).
In der Summe gehen damit durch Elektroautos kaum Arbeitsplätze verloren. Sie werden aber verlagert und das könnte letztlich dann doch Arbeitsplätze in Deutschland und Europa betreffen.
So verlagern Elektroautos Arbeitsplätze
Denn nur, weil Elektroautos in etwa genauso arbeitsaufwendig in der Herstellung sind, heißt das nicht, dass all die Arbeit an der gleichen Stelle anfällt.
Und das bedroht vor allem Jobs bei den Autobauern selbst. Der Hauptgrund dafür ist die Produktion der Batteriezellen.
Autobauer haben darin so gut wie keine Expertise. Darum verlagern diese den Teil der Produktion an externe Anbieter. Diese wiederum stammen vor allem aus dem Bereich der Unterhaltungs- und Haushaltselektronik.
Die fünf größten Lithium-Ionen-Akku-Hersteller aus 2019 waren LG Chem, CATL, BYD, Panasonic und Tesla. Damit wird die Batteriezellen-Herstellung überwiegend von asiatischen Unternehmen dominiert. Das bedeutet: In diesem Bereich der Elektroautos würden sich die Jobs nach Asien verlagern.
Es gibt zwar auch in Europa, etwa mit Northvolt oder auch Bosch oder Siemens Unternehmen, die ihr Know-how ausweiten und die Produktion nach Europa verlagern wollen. Dafür hat die Europäische Union auch Fördergelder bereitgestellt.
Auch dabei kann es aber sein, dass die Produktion der Zellen sich auf die Zulieferer verlagert. Es sei denn, Autobauer setzen auf die komplette Eigenproduktion von Batteriezellen, wie Tesla es jüngst beim Battery Day angekündigt hat.
Ob das wirklich vorteilhaft ist, muss letztlich jeder Autobauer für sich entscheiden. Schließlich benötigt man dafür ganz neue Expertise und hohe Investitionssummen.
Die Studienautoren vermuten, dass sich letztlich das Gleichgewicht etwas verlagern wird und die Mehrheit der Arbeitsplätze (53 Prozent) künftig bei den Zulieferern und nicht mehr bei den Autobauern (47 Prozent) liegen wird.
Das bedeutet: In der Summe gehen Arbeitsplätze nicht verloren. Sie verlagern sich aber – und das Zugunsten der Zulieferer. Autobauer werden also langfristig Mitarbeiter entlassen, Zuliefererer wiederum wahrscheinlich neue einstellen.
Und das könnte auch bedeuten, dass Arbeitsplätze von Europa nach Asien wandern – wenn Autobauer, Zuliefer-Industrie und die Politik diese nicht bewusst in Europa halten.
Effekte könnten viel größer sein
Die Studie der Boston Consulting Group hat sich auf die Herstellung der Fahrzeuge und ihrer Bestandteile konzentriert. Natürlich hängen aber sowohl in der Ressourcengewinnung als auch in der Post-Produktion viele weitere Arbeitsplätze an den verschiedenen Antriebsarten.
Wenn wir von Öl auf Batterien umsatteln, erfordert das eine Neuverteilung in der Rohstoffgewinnung. Auch hier würden massiv Arbeitsplätze neu verteilt werden.
Auch nach dem eigentlichen Fahrzeugbau würden von Gebrauchtwagenhändler über Tankstellen bis hin zu Werkstätten viele weitere Branchen von einer Umstellung betroffen sein.
All das könnte zudem sehr viel schneller gehen als viele vermuten. Das Umsatteln von Pferdekutschen auf Automobile zu Beginn des 20. Jahrhunderts erfolgte in nur 13 Jahren.
Dies bedeutet nicht, dass der Wandel von Verbrenner-Auto auf Elektroauto sanft und ohne Verluste einhergehen wird. Doch er lässt sich höchstwahrscheinlich auch nicht stoppen.
Wie die Studie der BCG nahelegt, sollten (insbesondere deutsche) Autobauer diesen Wandel nicht ignorieren, sondern sich stattdessen jetzt schon Gedanken darüber machen, wie sie sich genau positionieren möchten.
Denn letztlich wird das darüber entscheiden, in welcher Form Elektroautos Arbeitsplätze kosten werden.
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