In Ägypten herrschen andere Regeln als in der westlichen Welt. Die Influencerin Manar Sama muss für einen Tik-Tok-Tanz drei Jahre ins Gefängnis, weil sie gegen die öffentliche Moral verstoßen habe. Es geht also um Sexismus und Unterdrückung. Ein Kommentar.
Manar Sama hat ursprünglich als Flugbegleiterin gearbeitet. Dann entdeckte die junge Frau, wie viel Spaß ihr das Modeln macht – sie ging mit der Zeit und wurde Influencerin auf Tik Tok.
Kürzlich postete Sama nun ein kurzes Video auf der Plattform, in dem sie selbstbewusst in einem bauchfreien T-Shirt bekleidet zu einem ägyptischen Song tanzt. Der Clip ist gut im Netz angekommen. Bislang haben ihn über 11.000 Nutzer geliked.
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Für Nutzer und Betrachter aus der westlichen Welt dürfte an diesem Video auch nichts Anstößiges zu finden sein. Wie die Tagesschau berichtet, sieht das in Ägypten allerdings anders aus.
Der Anwalt Ashraf Farahat hat Sama nämlich für den Clip angezeigt – und zwar mit Erfolg. Die Staatsanwaltschaft Kairo hat einen Haftbefehl gegen die junge Frau erwirkt. Der Vorwurf: Sie soll der ägyptischen Gesellschaft in großem Maße geschadet haben.
Tik-Tok-Tanz: Mädchen sollten „schamhaft“ sein
Farahat sei nämlich der Meinung, dass ein Mädchen „schamhaft“ sein sollte. Das würde Ehre implizieren, und die beschränke sich nicht nur auf die Jungfräulichkeit, sondern auf das gesamte Verhalten.
„Wenn ich meinen Körper anderen Menschen zeige, dann habe ich keine Ehre“, sagt der Anwalt. Das Gericht hat Sama daraufhin zu einer dreijährigen Gefängnisstrafe verurteilt.
Sama ist aber nicht die einzige Frau, die in Ägypten unterdrückt wird und wegen Social-Media-Postings ins Gefängnis soll.
Die Influencerin Sama El-Masry wurde ebenfalls zu drei Jahren Haft verurteilt, weil sie laut ägyptischer Regierung zu viel Haut im Netz gezeigt und gegen die öffentliche Moral und die Werte der Familie verstoßen haben soll.
Sexismus und Unterdrückung in Ägypten
Auch Sama soll mit ihrem Tik-Tok-Tanz gegen Familienwerte verstoßen haben. Und das, obwohl ihre Mutter Hayat Mohammed eine religiöse Frau mit konservativen Werten ist und aussagt: „Es gibt nichts, was man gegen sie verwenden könnte. Es gibt keine frivolen Fotos.“
Samas Anwalt Ashraf Nagy ist inzwischen in Berufung gegangen. Laut ihm soll der Paragraf über Familienwerte auch ein willkürliches Instrument der Justiz sein. „Was sind denn Werte der Familie?“, fragt er.
„Sie sind von Familie zu Familie unterschiedlich. Manche Väter lassen ihre Töchter ohne Kopftuch raus, das Haar offen, mit Shorts und Minirock. Und es gibt andere Väter, die lassen ihre Töchter nicht raus ohne Kopftuch oder Vollverschleierung.“
Wie Regierung und Medien uns manipulieren
Die Tagesschau schreibt, dass Sama und die anderen Frauen unter anderem Influencerinnen geworden sind, um sich eine finanzielle Unabhängigkeit aufzubauen. Die Justiz habe ihre Lebensentwürfe nun zerstört.
Damit stellt sich natürlich gleich die Frage, ob Frauen in Ägypten nicht unabhängig sein sollen. Regierungsnahe Medien sollen die Strafe nämlich befürwortet und Frauen wie Sama mit Prostituierten in Verbindung gebracht haben. Mit ihren „entblößten“ Bildern im Internet hätten sie schließlich Geld verdient.
Die Berichterstattung von Medien hat natürlich einen Einfluss auf die Menschen. Es ist ein Spiel mit unseren Emotionen, allen voran oft mit der Angst.
In Ägypten zum Beispiel werden sich viele junge Mädchen, die aus regierungsnahen Medien von Sama erfahren haben, vielleicht nicht mehr trauen, Beiträge auf Tik Tok zu veröffentlichen – aus Angst, selbst verurteilt zu werden.
Tik-Tok-Tanz: Geht es um Moral oder Politik?
Der Anwalt Farahat soll bislang zwölf Frauen wegen Tik-Tok-Videos angeklagt haben. Dabei soll es ihm nicht um Politik gegangen sein, sondern um Moral. „Unsere Botschaft an die Gesellschaft lautet: Korrigiere dein Verhalten“, heißt es von ihm gegenüber der Tagesschau.
Aber es geht auch um Politik. Wenn Frauen unterdrückt und klein gehalten werden sollen, hat das sehr viel mit der Führung einer Gesellschaft zu tun. Und das ist schließlich die Aufgabe der Politik.
Auch die Frauenrechtlerin Ghadeer Ahmed ist der Meinung, dass der ägyptische Staat von den Urteilen profitieren würde. „Denn so bleibt das soziale System erhalten“, sagt sie.
„Jeder an seinem Platz, jeder in seiner Klasse – die Frauen hören auf die Männer und wenn sie nicht auf die Männer hören, dann werden wir bei diesem Thema eingreifen.“
Schlussendlich geht es also um Kontrolle. Der Staat möchte seine Bürger kontrollieren und im funktionierenden System halten – und in diesem sollen selbstbewusste, starke Frauen offenbar keinen Platz haben.
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