Die globale PR-Agentur Cision nutzt seit Jahren fragwürdige PR-Taktiken. Sind sie überhaupt legal? Ich habe die Methoden von Cision selbst erlebt – und habe deshalb einmal nachgehakt.
Die Grenzen zwischen Marketing, Werbung und Spam sind oftmals sehr schwammig, die Unterschiede bei der Reaktion der Ansprechpartner dagegen enorm.
Influencer, Blogger, Selbstständige, Unternehmen, PR-Vertreter und natürlich auch Journalisten sehen wahrscheinlich täglich einen Mix aus diesen drei Kategorien in ihrer Mailbox.
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Als gutes Marketing empfinden daher wahrscheinlich die meisten von uns Anfragen, die ein interessantes Anliegen haben – oder zumindest thematisch zu dir und deiner Arbeit passen.
Am anderen Ende des Spektrums liegen nervige Werbeanfragen, die rein gar nichts mit dir und deinem Arbeitsbereich zu tun haben und natürlich Spam, à la „Casino-Links“. Normalerweise jedoch kommen diese E-Mails nicht von großen PR-Agenturen. Eine Ausnahme scheint Cision zu sein.
Cision ist eine PR- und Kommunikationsagentur mit Sitz in Schweden sowie in den USA. Außerdem hat Cision auch einen Firmensitz in Frankfurt. Auf ihrer Website beschreibt sich die Agentur als „führendes globales Media-Intelligence-Unternehmen“.
Wenn du dagegen „Cision Spam“ googelst, findest du sehr schnell eine ganz andere Sicht auf das Unternehmen. Zahlreiche Blogger, PR-Freelancer und Journalisten beschweren sich über die sehr grenzwertigen Kontaktmethoden von Cision.
Kein Wunder! Cisions Methoden liegen irgendwo zwischen fragwürdig und Belästigung und sind das beste Beispiel dafür, wie gute PR nicht laufen sollte.
Mit dieser Masche arbeitet Cision
Wie Cision agiert, konnte ich selbst vor einigen Wochen feststellen. Auf einer privaten E-Mail-Adresse, die ich nicht sehr häufig nutze, fand ich plötzlich haufenweise seltsame Presseanfragen.
Seltsam daran waren nicht die Anfragen an sich. Diese wirkten tatsächlich legitim. Seltsam war, dass mich die Agenten erstens auf einer E-Mail-Adresse kontaktierten, die ich nicht für meine journalistische Arbeit nutze und die Anfragen zweitens rein gar nichts mit den Themenfeldern zu tun hatten, über die ich normalerweise berichte.
Auch die plötzlich hohe Anzahl an E-Mail-Anfragen schien verdächtig. Woher hatten all diese Menschen in nur wenigen Tagen meine Kontaktinformationen erhalten?
Schnell war klar: von Cision.
Denn zwischen den (aufgrund der Masse) spammigen E-Mails fand ich auch eine Nachricht von Cision. Darin wurde mir mitgeteilt, dass das Unternehmen meine öffentlich sichtbaren Kontaktdaten zusammengetragen und in einer Datenbank eingefügt hatte.
Zu dieser Datenbank von „Influencern“, wie Cision es nennt, bekommen offenbar PR-Vertreter Zugang. Im Kleingedruckten der E-Mail entdeckte ich schließlich folgenden Hinweis:
Sie möchten kein Teil der Cision PR-Community sein? Wir hoffen, dass Sie bleiben möchten, aber wenn Sie nicht wünschen, dass wir Ihre (öffentlich zugänglichen) persönlichen Daten verkaufen und diese in der Datenbank sind, lassen Sie es uns wissen…
Cision sammelt also erstmal ohne meine Einwilligung meine Daten und will sie dann verkaufen – ist das überhaupt rechtens?
Niemand darf persönliche Daten verkaufen
Ich habe bei Philipp Quiel, Wirtschaftsjurist bei Reuschlaw Legal Consultants, nachgefragt. Quiel sagt, was Anwälte häufig sagen: Das ließe sich so pauschal nicht sagen.
Grundsätzlich kann nicht jeder einfach alles mit deinen persönlichen Daten tun, auch wenn diese öffentlich zugänglich sind. In einem gewissen Rahmen ist aber das Erstellen von Kontaktdatenbanken rechtlich möglich, wenn bestimmte Voraussetzungen erfüllt werden.
„Die Datenschutz-Grundverordnung benennt in Artikel 6 DSGVO und für sensible Daten zusätzlich in Artikel 9 DSGVO Voraussetzungen für die Rechtmäßigkeit der Verwendung von personenbezogenen Daten. Ist eine der Voraussetzungen aus Artikel 6 DSGVO erfüllt, dann können personenbezogene Daten verwendet werden.“
Im Fall von Cision käme es erstens darauf an, ob Cision die „Influencer“ direkt beim Einfügen ihrer Kontaktdaten informiere, sagt Quiel. Dann hat man nämlich als Empfänger entsprechend „vernünftige Erwartungen“. Geschehe dies nicht, kann man tatsächlich Widerspruch einlegen.
Hier muss man klar sagen: Cision hat mich in der Tat direkt kontaktiert und liefert mir auch eine Opt-Out-Option.
Dennoch: Verkaufen kann Cision meine persönlichen Informationen nicht. Das kann genau genommen niemand tun. Das liegt daran, „dass personenbezogene Daten als Informationen, die sich auf einen Menschen beziehen, niemandem gehören und deswegen auch nicht als solches verkauft werden können“, erklärt Quiel.
Der Ausdruck „verkaufen“ sei daher vermutlich unglücklich gewählt, schätzt er.
Ich kann natürlich nur spekulieren, es ist aber durchaus möglich, dass PR-Menschen gegen einen Betrag Zugang zur Cision-Datenbank erhalten und somit zu vielen verschiedenen Journalisten, Bloggern oder Influencern.
Rechtlich grenzwertig scheint also nicht unbedingt das Führen einer Datenbank zu sein, aber vielmehr die daraus resultierenden E-Mails. Denn: E-Mails sind das eine, Werbung das andere. Das Werberecht regelt nämlich viel strenger, wer und in welcher Form Werbe-Mails erhalten kann.
Cision: Im besten Fall fragwürdig
Im Fall von Cision ist es wirklich an der Grenze. Denn wie bereits erwähnt, waren die E-Mails, die ich erhalten habe, nicht wirklich Werbung. In der Masse wirkten sie jedoch durchaus so – und natürlich kann man nicht abstreiten, dass dahinter auch geschäftliche Interessen stehen.
Immerhin: Anders als bei vielen US-Kollegen konnte ich mich – DSGVO sei Dank! – aus der aktiven Kontaktliste von Cision relativ unproblematisch austragen lassen und habe seitdem auch keine E-Mails in diesem Bereich mehr erhalten.
Im besten Fall sind die Methoden von Cision zwar rechtens, aber fragwürdig und ganz sicher keine gute PR-Arbeit. Daher ist die entscheidende Frage: Warum macht Cision das?
Im Prinzip ist die Geschäftsidee ja nicht schlecht. Als Journalistin bin ich durchaus daran interessiert, für meine Berichterstattung relevante Anfragen zu bekommen. Für PR-Agenturen wiederum ist es sicherlich auch von Interesse, Kontakte zu Journalisten zu haben, die über Themen berichten, die zu ihren Kunden passen.
Die Methode von Cision ist aber wirklich seltsam, da so weder Journalisten interessante Anfragen noch PR-Agenturen sinnvolle Kontakte bekommen. Am Ende sind nur alle von Cision genervt. Das ist genau das Gegenteil von guter PR-Arbeit!
Zumal man im Netz schnell erkennen kann, dass Cision seit Jahren so agiert – und haufenweise Beschwerden kassiert.
„Wir sind stolz auf unsere Datenbank“
Cision wiederum sieht das anders.
„Unsere Beziehung sowohl mit den Medien als auch mit Kommunikatoren ist für uns von höchster Bedeutung“, schreibt Pressesprecherin Rebecca Dersh in einem E-Mail-Statement an BASIC thinking. Das Unternehmen sei darüber hinaus bemüht, Journalisten wirklich nur relevante Kontakte und Informationen weiterzuleiten.
So sei man bei Cision sehr stolz auf die eigene Datenbank. Und: „Wir stellen sicher, dass wir einen Journalisten per E-Mail benachrichtigen, sobald wir ihn in die Datenbank aufnehmen. Ein Journalist oder Influencer kann jederzeit verlangen, von einer bestimmten Kundenliste entfernt zu werden oder sein Profil zu aktualisieren. Ein Journalist kann sich ebenfalls komplett aus der Datenbank abmelden.“
Gleichzeitig versichert Dersh, dass Cision sich stets über Feedback freue und man darum bemüht sei, das eigene Vorgehen zu verbessern.
In diesem Sinne also ein Vorschlag.
Eine sehr viel transparentere (und darum erfolgsträchtigere) Vorgehensweise könnte sein, die Methode umzukehren und wirklich die Nutzer über einen Eintrag in die Datenbank entscheiden zu lassen.
So könnte Cision beispielsweise Journalisten und Influencer direkt kontaktieren oder über Marketing auf die Datenbank aufmerksam machen. Die Anmeldung wäre dann aber freiwillig und würde vom Nutzer selbst ausgehen.
In dem Fall hätte man wirklich nur Interessierte in der Datenbank und als Nutzer keine bösen Überraschungen und unpassende E-Mails in der Inbox. PR-Agenturen erhalten wiederum die passenden Kontaktdaten.
Cision könnte damit Geld verdienen und ein seriöses Geschäft aufbauen, Journalisten spannende Informationen erhalten und PR-Agenturen ein nachhaltiges Kontakt-Netzwerk aufbauen – und keiner würde es als Werbung oder Spam empfinden.
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