Social Media Wirtschaft

Durchgelesen: Das steht in den AGB von Tik Tok

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In den AGB von Tik Tok finden Nutzer einige überrasche Informationen. (Foto: Unsplash.com / Solen Feyissa)
geschrieben von Carsten Lexa

Tik Tok gehört momentan zu den erfolgreichsten Apps bei Jugendlichen, wird in 175 Sprachen auf der ganzen Welt verwendet und zählt laut Statista weltweit 800 Millionen Nutzer – die Financial Times vermutete im letzten Jahr 2019 sogar rund zwei Milliarden. Aus diesem Grund wird es Zeit, sich einmal die Nutzungsbedingungen anzusehen. Eine Analyse der Tik-Tok-AGB.

Für die Endnutzer-Lizenzvereinbarung und die Allgemeinen Geschäftsbedingungen wird von Tik Tok die die beiden Regelwerke zusammenfassende Abkürzung „EULA“ verwandt. Hier wird aufgeführt, dass der Nutzer, um die Dienste von Tik Tok nutzen zu können, die EULA gelesen und verstanden haben und deren Regelungsinhalten zustimmen muss.

Für die Einsichtnahme in eine Kopie der EULA kann eine Kopie bei Tik Tok angefordert werden. Ein Hinweis an dieser Stelle: Am 29. Juli 2020 werden die Nutzungsbedingungen von Tik Tok geändert. Es wird deshalb in Kürze ein Update zu diesem Artikel geben.


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Tik-Tok-AGB und EULA: Was gilt denn nun?

Liest man den deutschen Text der oben genannten Webseite weiter, ist zuerst eine Zusammenfassung der „wesentlichen Bestimmungen“ der EULA und anschließend der komplette Text der „Allgemeinen Geschäftsbedingungen“ aufgeführt.

Folgt man dem Link, führt dieser auf eine englischsprachige Seite, auf der erklärt wird, dass für Nutzer mit gewöhnlichem Aufenthalt in Europa diese nachfolgend aufgeführten englischsprachigen Regeln anwendbar sind.

Vergleicht man den verlinkten deutschen und den englischen Text, fällt schon aufgrund der unterschiedlichen Gliederungspunkte auf, dass es sich hier nicht um reine Übersetzungen gleichen Inhalts handeln kann. Aus deutscher rechtlicher Sicht stellt dies ein Problem dar.

Die Nutzer von Tik Tok sind Verbraucher ab dem 13. Lebensjahr. Für Unternehmer hat die Rechtsprechung den Grundsatz entwickelt, dass bei inhaltlich voneinander abweichenden AGB-Fassungen, im Zweifel die in der Verhandlungssprache abgefassten AGB Vertragsinhalt werden. Dieser Grundsatz ist nicht auf die Nutzer von Tik Tok übertragbar, damit ist unklar, welche EULA Regelungen nun gelten.

Im nachfolgenden habe ich mich mit der deutschsprachigen EULA auseinandergesetzt. Ein Hinweis an dieser Stelle: Am 29. Juli 2020 werden die Nutzungsbedingungen von Tik Tok, die für Europa und der Schweiz gelten, geändert. Es wird deshalb – wie bereits erwähnt – in Kürze ein Update zu diesem Artikel geben.

Herkunftsort

Ziffer 1 lit. c nennt als „Herkunftsort“ den Bundesstaat Kalifornien.

Nutzungsberechtigung zwischen 13 und 18 Jahren nur mit Einwilligung der Erziehungsberechtigen

Ziffer 1 lit. d legt unter „Nutzungsberechtigung“ fest, dass Tik Tok nicht für Personen unter 13 Jahren bestimmt ist. Mit Nutzung von Tik Tok versichert der Nutzer, dass er entweder mindestens 18 Jahre alt oder aufgrund einer vorherigen Einwilligung des volljährigen Erziehungsberechtigten zu Nutzung von Tik Tok berechtigt ist.

Das bedeutet, dass in der Altersspanne zwischen 13 Jahren und der Vollendung des 18. Lebensjahres prinzipiell die Zustimmung der Erziehungsberechtigten notwendig ist. In den seltensten Fällen wird dies wohl gegeben sein, zumal in Ziffer 3 lit. a. geregelt wird, dass die öffentlich zugänglichen Teile von Tik Tok auch ohne Registrierung abrufbar sind. Ohne Registrierung erfolgt jedoch auch keine Alterskontrolle.

Dienst

Ziffer 2 lit b. der AGB legt fest, dass der Nutzer bestimmt, ob seine Nutzervideos und/oder der Live Stream Content bei Tiktok abrufbar ist, also öffentlich oder privat zugänglich gemacht wird.

Rechte am geistigen Eigentum – auch kommerzielle Nutzung möglich?

In Ziffer 4 lit. a wird vereinbart, dass der Nutzer eine Lizenz zum „Zugriff und zur Nutzung“von Tik Tok ausschließlich zum persönlichen und nicht kommerziellen Gebrauch erhält. Beispielsweise darf dieser nach Ziffer 4 lit. c, die Inhalte Dritter nicht vervielfältigen oder öffentlich aufführen.

Mit Ziffer 4 lit. d legt fest, dass der Charakter des „musikalischen Werks oder einer Tonaufnahme“ nicht verändert werden darf, ohne hierfür die Rechte des Urhebers eingeholt zu haben.

Widersprüchlich zu Ziffer 4 lit. a ist allerdings ist die Regelung aus Ziffer 4 lit. e. Hier werden Verhaltensregeln für die Einstellung eines Nutzervideos für kommerzielle Zwecke geregelt, also zudem Zweck Einnahmen und Umsätze zu generieren.

Nutzerinhalt

Nach Ziffer 5 lit. b hat Tiktok das Recht Nutzerinhalte insbesondere zu entfernen oder zu blockieren, wenn diese von Tik Tok nach diesen EULA, den gesetzlichen Bestimmungen oder anderweitig als „Unzulässige Inhalte“ betrachtet werden. Beispielsweise dürfen nach Ziffer 5 lit. h  die Inhalte nicht schikanierend, missbräuchlich oder hasserfüllt sein.

Feedback

In Ziffer 9 lit. a wird geregelt, dass Tiktok nicht verpflichtet ist, Feedback an den Nutzer „ganz oder teilweise“ zurückzugeben. Zuvor wird erklärt, dass es sich bei Feedback um Rückmeldungen auf eingebrachte Nutzerinhalte handelt.

Haftungsbeschränkung, Gewährleistung

Die Formulierungen unter Ziffer 11 zur Haftungsbeschränkung entsprechen immerhin den deutschen Gesetzen sowie der aktuellen Rechtsprechung in Deutschland.

Die Verjährungsfrist für Schadensersatzansprüche wird in Ziffer 11 lit. g auf ein Jahr festgelegt. Da Tik Tok Dienstleistungen anbietet, unterliegen diese der regelmäßigen gesetzlichen Verjährungsfrist von drei Jahren.

Die hier geregelte Verkürzung auf ein Jahr dürfte unzulässig sein, da sie zu sehr von der gesetzlichen Verjährungsregel abweicht und weiter diese Allgemeinen Geschäftsbedingungen mit Verbrauchern und nicht mit Unternehmern geschlossen werden.

Anzuwendendes Recht

Ziffer 13 legt fest, dass das Recht der Bundesrepublik Deutschland unter Ausschluss des Kollisionsrechtes anzuwenden ist.

Kritik aufgrund geschickt verschleierte Zensur

Alles zusammen betrachtet entsprechen diese EULA bis auf die oben aufgezeigten Ausnahmen grundsätzlich den in Deutschland geltenden Gesetzen sowie der Rechtsprechung. Vordergründig scheint es also wenig Probleme mit den Nutzungsbedingungen zu geben. Die Frage ist jedoch die Handhabung in der Praxis. Aufgrund von Recherchen über die Plattform konnten Hinweise für Verhaltensweisen festgestellt werden, die möglicherweise darauf hindeuten, dass die Nutzung der Plattform nicht völlig frei und objektiv erfolgt.

Für den Nutzer unbemerkt übt Tik Tok durch ein ausgeklügeltes Stufensystem Beeinflussung und Manipulation aus – und bewegt sich dennoch in den Grenzen seiner EULA.

Hierzu zählt unter anderem eine gezielte Feedback Strategie, durch die Beiträge beispielsweise nicht in den „algorithmisch kuratierten „Für-dich“-Feed eingestellt“ werden. In Plattformen wird diese Strategie „Shadow Banning“ genannt.

Derjenige, der die Inhalte eingestellt wird, bemerkt hiervon oftmals gar nichts und wundert sich möglicherweise nur über die geringe Anzahl an Zustimmungen. Als Konsequenz löscht er womöglich seinen Beitrag von selbst.

Dieser „Zensur“ unterliegen unter anderem Beiträge mit politischen Inhalten, beispielsweise Beiträgen zu Protesten in Hongkong oder aus aus bestimmten Regionen, etwa aus islamischen Ländern. Auch gibt es keine Beiträge, die die Unterdrückung der Uiguren durch China zum Inhalt haben.

Weiter zeigt Tik Tok seltener Beiträge mit behinderten, dicken oder anderweitig auffälligen Menschen, wie beispielsweise von Autisten oder Menschen mit dem Down Syndrom und legt hierfür Obergrenzen fest. Selbst Beiträge mit dem Regenbogensymbol können unter diese Auswahl fallen.

Zu dieser Methodik zählt auch, dass nicht nur in den EULA, sondern im Impressum und in den Datenschutzbestimmungen der Eindruck erweckt wird, dass es sich bei Tik Tok um ein amerikanisches Unternehmen handelt. Jeder Hinweis auf das chinesische Mutterunternehmen wird bewusst vermieden.

Fazit

Nutzer von Tik Tok sind überwiegend Teenager, die die kurzweiligen Videos vorbehaltlos konsumieren. Die durch die Hintertür wohl stattfindende Zensur bemerken sie nicht, doch hat dies Einfluss auf die Art, wie sie die Welt wahrnehmen und so kann sich folglich ihr Weltbild, ihre Ansichten und ihre Toleranzgrenzen verändern.

Dies ist alles grundsätzlich innerhalb der Grenzen von in Deutschland rechtsgültigen Allgemeinen Geschäftsbedingungen wie den EULA von Tik Tok möglich.

Insoweit ist Tik Tok ein interessantes Beispiel für eine Plattform, die nach außen einen rechtlich ordentlichen Eindruck macht, durch interne Abläufe und Restriktionen jedoch die Wahrnehmung von Inhalten beeinflusst.

Nutzer sollten sich dessen bewusst sein.

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Über den Autor

Carsten Lexa

Rechtsanwalt Carsten Lexa berät seit 20 Jahren Unternehmen im Wirtschafts-, Gesellschafts- und Vertragsrecht. Er ist Lehrbeauftragter für Wirtschaftsrecht, BWL und Digitale Transformation sowie Buchautor. Lexa ist Gründer von vier Unternehmen, war Mitinitiator der Würzburger Start-up-Initiative „Gründen@Würzburg”, Mitglied der B20 Taskforces Digitalisierung/ SMEs und engagiert sich als Botschafter des „Großer Preis des Mittelstands” sowie als Mitglied im Expertengremium des Internationalen Wirtschaftsrats. Er leitete als Weltpräsident die G20 Young Entrepreneurs´Alliance (G20 YEA). Bei BASIC thinking schreibt Lexa über Themen an der Schnittstelle von Recht, Wirtschaft und Digitalisierung.