Ende April hat Bundesarbeitsminister Heil in einem Interview mit der Bild am Sonntag angekündigt, bis zum Herbst einen Gesetzesentwurf vorzulegen, der ein Recht auf Home Office gewährt. Einen solchen Rechtsanspruch gibt es in Deutschland bisher nicht. Hat ein Arbeitnehmer in Deutschland den Wunsch, im Home Office zu arbeiten, braucht der die Genehmigung seines Arbeitgebers. Werfen wir nachfolgend einen Blick auf den derzeitigen Stand der Diskussion.
Geplanter Gesetzesinhalt
Als in den letzten Wochen aufgrund der Corona-Pandemie viele Unternehmen ihre Mitarbeiter von Zuhause haben arbeiten lassen, kam das Thema Home Office wieder in das öffentliche Bewusstsein. Das Arbeiten von Zuhause, also im Home Office, ist erst einmal neutral zu betrachten.
Wenn es aufgrund von bestimmten Umständen, wie der Bedienung von Maschinen oder aus Sicherheitsgründen, nicht erforderlich ist, in einem Betrieb zu arbeiten, dann kann die Arbeitsleistung grundsätzlich von überall erbracht werden.
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In rechtlicher Hinsicht wirft das Arbeiten im Home Office aber einige Fragen auf. Ein entsprechendes Gesetz gibt es bislang in Deutschland nicht, jedoch haben die Umstände aufgrund der Corona-Pandemie gezeigt, dass entsprechende Regelungen sinnvoll sein könnten.
Konkrete Inhalte der angekündigten gesetzlichen Regelung sind noch nicht bekannt. In dem geführten Interview hat sich der Bundesarbeitsminister zur Ausgestaltung des geplanten Gesetzes nur dahingehend geäußert, dass „jeder, der möchte und bei dem es der Arbeitsplatz zulässt“, auch nach der Corona-Pandemie die Möglichkeit erhalten soll, im Home Office zu arbeiten.
Ein Arbeitnehmer solle „entweder komplett auf Home Office umsteigen“ oder „für ein oder zwei Tage“ pro Woche von zu Hause arbeiten können.
In einem späteren Interview mit dem Redaktionsnetzwerk Deutschland ergänzte er, „dass Arbeitnehmer im Home Office genauso geschützt werden müssen wie im Betrieb“, „dass es keinen Zwang zum Homeoffice“ geben dürfe und dass „ein im Home Office Arbeitender nicht rund um die Uhr erreichbar sein“ müsse.
Kritik am geplanten Gesetzesvorhaben
Kritik am Gesetzesvorhaben gab es sofort vom Hauptgeschäftsführer der Bundesvereinigung der Deutschen Arbeitgeberverbände. Dieser bezeichnete das geplante Gesetz als “politischen Ladenhüter“ aus der Zeit vor der durch die Corona-Pandemie verursachten Wirtschaftskrise.
Er wies darauf hin, dass es gerade jetzt besonders wichtig sei, auf die Belange der Arbeitgeber Rücksicht zu nehmen, um die angeschlagenen Betriebe wieder in Fahrt zu bringen. Ein Ankurbeln der Wirtschaft mit einem Gesetz auf Home Office wäre der falsche Weg.
Kritik kam aber auch von der Arbeitnehmerseite, die Home Office nun aufgrund ihrer praktischen Erfahrungen kritischer sieht. Es gibt noch keine verlässlichen Zahlen, doch während der Corona-Pandemie sei die Zahl der Berufstätigen, die von zu Hause aus arbeiten stark angestiegen. Die Corona-Krise hat das Home Office ein bisschen entzaubert und die Schwächen der Heimarbeit aufgezeigt.
Das Konzentrationsniveau ist geringer, die Ablenkung größer und die Neigung andere – private Arbeiten – nebenbei mit zu erledigen ist hoch. Dies führt zu dem Ergebnis, dass das geplante Arbeitspensum so kaum zu schaffen ist, mit der Folge, dass bis tief in den Abend oder auch die Nacht gearbeitet wird. Und tagsüber müssen die Kinder nebenbei betreut werden.
Aufgrund der Eile zum Home Office war hier eine Aufteilung und Absprache mit dem Partner oftmals kaum möglich. Insbesondere weibliche Arbeitnehmer äußerten sich, dass es so zu einen Rückfall in alte Muster kam. Die in der Regel schlechter bezahlte Partnerin steckte beruflich zurück. Den lärmfreien Raum mit der ausreichenden Zeit erhielt der männliche Partner.
Die bisherigen Erfahrungen nutzen
Diese vorstehend geäußerten Erfahrungen entstammen nun zwar der Zeit der aufgrund der Corona-Pandemie Zeit eilig geschaffenen Heimarbeitsplätze, sollten aber genutzt und übertragen werden auf die Zukunft.
Denn der Anstieg der im Home Office Arbeitenden wird nach einer Aussage des Arbeitsmarktforschers Philipp Grunau vom Institut für Arbeitsmarkt- und Berufsforschung (IAB) auch nach der Krise bleiben. Betrachtet man die Art der Arbeitsplätze, dann wäre es 40 Prozent der Arbeitnehmern möglich, im Home Office zu arbeiten. Bisher nutzen diese Möglichkeit jedoch nur 12 Prozent.
Auswirkungen auf das geplante Gesetzesvorhaben
Einfach zu sagen, „ab heute kann jeder im Home Office arbeiten, der möchte“, ist aufgrund der leider komplexen Rechtslage in Deutschland wohl nicht so einfach möglich. Denn zum einen müssen die Belange sowohl von Arbeitgebern als auch von Arbeitnehmern berücksichtigt werden, sowie die bisherigen Regelungen zu Arbeitszeiten, Arbeitssicherheit, etc.
Die gewonnenen positiven und negativen Erfahrungswerte sollten deshalb in das geplante Gesetz mit einfließen, bereits existierende Regelungen zum Arbeitsschutz, der Arbeitszeit oder des Datenschutzes müssten im Rahmen dieses Gesetzesvorhabens an die Erfordernisse des Homeoffice angepasst werden.
Konkrete Umsetzung
Konkret bedeutet dies, dass beispielsweise Regelungen dazu, wie der Arbeitsplatz ausgestaltet sein muss, auf die Situation des Home Office umgesetzt werden müssen und es ist zu gewährleisten, dass diese auch eingehalten werden. Dabei gibt es nach heutigem Stand eine Vielzahl von Situationen zu bedenken: Vom Arbeitsplatz zu Hause dürfen keine Gefahren für den Arbeitnehmer ausgehen.
Der Heimarbeitsplatz ist so zu gestalten, dass er nicht krank macht, der Bürostuhl muss beispielsweise geeignet sein, Rückenschäden zu verhindern und die Position des Computers darf die Augen nicht schädigen. Arbeitsbedingte Erkrankungen sollen frühzeitig erkannt oder verhindert werden.
Was die Kontrolle der Einhaltung der Vorgaben angeht, so wird das Bild komplizierter. Soll der Arbeitgeber ein Recht darauf haben, sich selbst ein Bild von einer Gefährdungslage zu verschaffen? Im Home Office ist der Arbeitnehmer selbst verantwortlich für die Einhaltung der zu seinem Schutz bereits existierenden gesetzlichen Regelungen verantwortlich, wenn der Arbeitgeber keine Möglichkeit hat, sich selbst ein Bild zu machen.
Die Frage ist jedoch, ob der Arbeitnehmer die Regelungen zu seinem Schutz überhaupt kennt. Nachzudenken ist deshalb über Regelungen zu Hilfestellungen, Einweisungen, etc. durch den Arbeitgeber. Doch damit ergibt sich die nächste Nachricht: Wird so nicht ein neues „Bürokratie-Monster“ geschaffen?
Und noch ein anderes Problem wird den Gesetzgeber beschäftigen: Beim Arbeiten im Home Office kommt es leichter und oftmals sogar für den Arbeitnehmer unerkannt zu Überstunden oder zu Arbeitszeiten, die im Büro sonst mit Zuschlägen vergütet würden, wie beispielsweise im Rahmen von Nachtarbeit.
Auch grundsätzlich verbotene Arbeit an Sonn- und Feiertagen wird vielfach geleistet, Ruhepausen werden nicht eingehalten, genauso wenig wie die gesetzliche Ruhezeit von mindestens elf Stunden nach Beendigung der täglichen Arbeitszeit.
Diese im Arbeitszeitgesetz geregelten Eckpfeiler müssten nach aktueller Rechtslage auf Tätigkeiten im Home Office angepasst werden. Insbesondere muss eine Regelung gefunden werden, wie die geleistete Arbeitszeit zuverlässig erfasst wird, was insbesondere im Rahmen der Entscheidung des Europäischen Gerichtshofs zu diesem Thema spannend wird. Bleiben diese Punkte ungeregelt, droht die Gefahr, dass mobiles Arbeiten zu unbezahlten Überstunden und Dauerstress führt.
Einhaltung datenschutzrechtlicher Regelungen
Schließlich wird noch das Thema Datenschutz zu diskutieren sein. Vertrauliche Daten müssen vor Familienangehörigen oder Dritten geschützt werden.
Grundsätzlich wird der Arbeitgeber dafür verantwortlich sein, geeignete Schutzmaßnahmen zu treffen. Er muss aber auch den Arbeitnehmer zur Einhaltung dieser Schutzmaßnahmen verpflichten können.
Freiwilligkeit oder Zwang
Wenn alle diese Fragen diskutiert sind, dann stellt sich am Ende noch eine grundsätzliche Frage: Soll tatsächlich jeder Arbeitnehmer ein Recht auf Homeoffice erhalten? Was sich zuerst einmal innovativ anhört, schafft in der Praxis unter Umständen Probleme.
Denn wenn der Arbeitnehmer entscheiden kann, ob er im Home Office arbeitet oder nicht, besteht automatisch die Verpflichtung des Arbeitgebers, die oben genannten Fragen betreffend die Umsetzung zu beantworten. Das aber ist letztendlich ein tiefgehender Eingriff in das grundsätzliche Recht des Arbeitgebers, sein Unternehmen und seine Abläufe und Prozesse selbst zu organisieren.
Soll Home Office ein Erfolg werden, dann kann es nur funktionieren, wenn diese Art des Arbeitens zwischen Arbeitnehmer und Arbeitgeber abgestimmt wird, dem Arbeitnehmer nicht einfach so der Wunsch nach Homeoffice abgeschlagen werden kann aber der Arbeitgeber die Chance haben muss zu entscheiden, ob Home Office in seine Unternehmensorganisation passt.
Fazit
Es macht schon Sinn, gerade jetzt über Home Office in Deutschland nachzudenken. Noch nie gab es innerhalb so kurzer Zeit einen derartigen Erfahrungsschatz, der die Vor- und Nachteile des Arbeitens von zu Hause aufzeigt. Auch nach der Krise werden mehr Arbeitnehmer als zuvor im Homeoffice arbeiten und es erscheint daher sogar notwendig, die schon existierenden gesetzlichen Regelungen zum Schutz dieser in ein auf das Homeoffice zugeschnittenes Gesetz zu übertragen.
Aber auch für Arbeitgeber ist es wichtig das Arbeiten in Homeoffice gesetzlich zu regeln. Aufklärungs- und Kontrollpflichten im Zusammenhang mit gesundheitlichen Aspekten dienen letztendlich dem Erhalt von bereits qualifizierter Arbeitskraft und die Reglung der Einhaltung von Datenschutzmaßnahmen dient der rechtlichen Sicherheit der Arbeitgeber.
Letztendlich jedoch liegt hier auch eine Chance, nämlich die Zusammenarbeit zwischen Arbeitgebern und Arbeitnehmern neu zu definieren. Warum nicht die neuen Regelungen auf die Basis von Vertrauen und Gegenseitigkeit stellen? Das Arbeitsrecht ist in den letzten Jahren durch immer weitere Ausdifferenzierungen immer komplexer geworden.
Kann nicht in der Diskussion um das Gesetz zum Recht auf Homeoffice eine Chance liegen, dem Arbeitnehmer flexibleres Arbeiten zu ermöglichen und gleichzeitig im zu vertrauen, dass er sich eine Arbeitsumgebung schafft, die für ihn genehm ist? Ich gebe die Hoffnung nicht auf, dass uns der Gesetzgeber überraschen könnte. Das wäre ein Zeichen für innovatives Arbeiten in Deutschland.
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