In der Serie „Start-up-Check!“ nehmen wir regelmäßig die Geschäftsmodelle von Start-ups unter die Lupe. Wer steckt hinter dem Unternehmen? Was macht das Start-up so besonders und was gibt es zu kritisieren? Heute: Inflotec.
Start-ups. Das klingt nach Erfindergeist, Zukunftstechnologien, neuen Märkten. Doch in der Realität erweisen sich viele der Neugründungen leider oft als eine Mischung aus einer E-Commerce-Idee, planlosen Gründern und wackeligen Zukunftsaussichten.
Dabei gibt es sie durchaus: Die Vordenker, die an den großen Problemen tüfteln und Geschäftsmodelle revolutionieren. Diese zu finden und vorzustellen, ist die Aufgabe des Formats Start-up-Check. Heute: Inflotec aus Magdeburg.
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Wer steckt hinter Inflotec?
Wasser ist die Grundlage allen Lebens. Aber nicht alle Menschen haben Zugang zu sauberem Trinkwasser. Dazu zählen rund zehn Prozent der Weltbevölkerung.
Das große Bevölkerungswachstum und der hohe Verbrauch von Süßwasser für industrielle und landwirtschaftliche Zwecke verursachen noch dazu eine steigende Wasserknappheit.
Genug Gründe, etwas dagegen zu tun. Das dachten sich auch Martina Findling und Martin Drewes. Gemeinsam mit Christian-Toralf Weber von der Hochschule Magdeburg-Stendal entwickelten sie den Waver.
Das ist ein autonomes Versorgungssystem, das aus verschmutztem Oberflächenwasser Trinkwasser herstellen kann – und das ohne Strom oder Eingriffe in die Natur.
Fun Fact: Die Basis des Wavers bildet eigentlich eine missglückte Erfindung von Martin Drewes, die ursprünglich zur Stromerzeugung gedacht war. Allerdings war der Wirkungsgrad zu niedrig.
Anstatt jedoch das Gerät zu verschrotten, tüftelte Drewes einfach weiter. Die Inspiration dazu kam von der Sendung mit der Maus und einem Beitrag zur Wasseraufbereitung auf der Internationalen Raumstation ISS.
Das Team konnte mit seiner Erfindung 2017 die Jury von Bestform begeistern und belegte beim Landeswettbewerb der Kreativwirtschaft den mit 10.000 Euro dotierten ersten Platz.
Auch das Bundesministerium für Wirtschaft und Energie zeichnete die Gründer als einer von bundesweit 32 „Kultur- und Kreativpiloten Deutschland“ aus. Die Gründung von Inflotec selbst erfolgte jedoch erst im Sommer desselben Jahres.
Seinen ersten Härtetest absolvierte der Waver bereits in Kenia. Dort bereitet er das Wasser eines stark verschmutzten Flusses auf. So hat das in der Nähe liegende Dorf ausreichend Trinkwasser und genug Wasser für eine Feldbewässerungsanlage zur Verfügung.
Das ist eine große Erleichterung für die Bauern, die keine schweren Wasserkanister mehr schleppen müssen und sich so selbst versorgen können.
Mit diesen ersten Erfolgen gab sich Martin Drewes nicht zufrieden. Sein zweiter Prototyp namens Pure Power Block ist im Sommer 2019 fertig geworden. Er nutzt die sogenannte Ultrafiltration und produziert rund 4.000 Liter Trinkwasser pro Tag. Der Waver schafft ungefähr 300 Liter täglich.
Was macht Inflotec?
Der Waver gleicht in seinem Aufbau einem Katamaran. Zwischen zwei Schwimmkörpern befindet sich ein großes Schaufelrad, das durch die Wasserströmung in eine Drehbewegung versetzt wird.
Mittels Riemen wird die Rotation auf eine Kolbenpumpe übertragen, die wiederum das verunreinigte Wasser über einen Stutzen ansaugt und direkt in die Filteranlage weiterleitet.
Über den mehrstufigen Fiterprozess werden dem Wasser alle Schweb- und Schadstoffe entzogen. Anschließend erfolgt die Anreicherung mit essentiellen Mineralien.
Das nun trinkbare Flusswasser wird an das Ufer des jeweiligen Flusses transportiert und in große sterile Vorratsbehälter abgefüllt. Nun kann dort das saubere Trinkwasser gezapft werden.
Wichtig ist, dass das Wasser gleichmäßig durch das Gerät fließt, um die Filtermembran nicht durch zu starke Druckschwankungen zu beschädigen. Eine technische Herausforderung, die Martin Drewes mit einer sogenannten Pulsationsminderungsanlage gelöst hat. Auf das Verfahren hält er ein Patent.
Die Aufbereitungsanlage selbst ist so kompakt, dass sie problemlos von maximal vier Personen bedient und transportiert werden kann. Mit ein paar Umbauten kann der Waver dank seiner Pumpkraft auch nahe gelegene Felder bewässern.
Laut Inflotec ist es egal, wie hoch der Verschmutzungsgrad des Wassers ist. Das verunreinigte Wasser kann stets bis zur Trinkwasserqualität gereinigt werden. Die Einsatzgebiete sind dementsprechend überall dort, wo Menschen extrem unter fehlendem trinkbaren Wasser leiden – beispielsweise im Kongo oder in Zentralasien.
Was macht Inflotec so besonders?
Das Besondere an den Wasseraufbereitungsanlagen ist die Tatsache, dass sie klimaneutral sind.
So gelingt die autarke Aufbereitung von Trinkwasser ohne den Einsatz von fossilen Energien. Außerdem entstehen dadurch weniger CO2-Emissionen und Eingriffe in die Natur. Das Vorhandensein einer Strömung reicht völlig aus. Das ist gerade in Dritte-Welt-Ländern ein großer Vorteil.
Ein weiterer Pluspunkt ist der schnelle und unkomplizierte Aufbau. Durch ein Klickmodul lassen sich die Anlagen einfach zusammensetzen und in Stand halten.
Das ist auch einer der Gründe, warum das Technische Hilfswerk auf das Gründungsprojekt aufmerksam wurde, denn besonders in Katastrophengebieten ist der Einsatz hier sehr interessant.
Gibt es Kritikpunkte?
Die Filtertechnik in beiden Modellen ist weder neu, noch sonderlich bahnbrechend. Sie folgt dem Prinzip der Umkehrosmose oder dem der Ultrafiltration. Dazu kommt, dass beide Modelle nicht für High-Tech-Umgebungen gebaut sind. Aber das müssen sie auch nicht.
Der Fokus liegt hier ganz klar auf der Katastrophen- und Entwicklungshilfe. Daher müssen die Anlagen hauptsächlich leicht zu transportieren, zu montieren und zu warten sein.
Dementsprechend muss die verbaute Technik einiges aushalten. Schließlich führen natürliche Gewässer nicht immer gleich viel Wasser oder fließen mit der gleichen Geschwindigkeit. Filter können daher schnell reißen.
Dieses Problem wird allerdings mit der eigens entwickelten Pulsationsminderungsanlage behoben. Sie sorgt dafür, dass das Wasser konstant durch die Filteranlagen strömt.
Ein weiterer Unsicherheitsfaktor ist die Ersatzteilversorgung, denn was hierzulande funktioniert, muss an anderen Orten der Welt in der Regel völlig neu durchdacht werden. Das Unternehmen versucht deshalb auf Materialien zu setzen, die überall verfügbar und auch vor Ort schnell beschaffbar sind.
Auch stellt sich die Frage, wie Preise kalkuliert werden, was das Wasser vor Ort kostet und wie das im eigenen Geschäftsmodell abgebildet wird. So macht man sich laut Inflotex nicht nur Freunde, wenn man in Entwicklungsländern Wasser für 0,2 Cent pro Liter anbietet. Trinkwasser ist schließlich ein Geschäft.
Fazit
Hut ab: Inflotec leistet mit seiner Erfindung einen echten Beitrag, um die Trinkwasserknappheit weltweit – und vor allem in Entwicklungs- oder Krisengebieten – in den Griff zu gekommen. Noch dazu ist Gründer Martin Dewes ein gutes Beispiel dafür, dass aus einem scheinbaren Misserfolg etwas Großartiges entstehen kann.
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