Grün

Radfahrer, Jogger und Corona: Verbreiten sie verstärkt das Virus?

Frau, joggen, laufen, Sport, Wald, Bewegung, Übung
Neue Studie zu Corona sorgt für Aufregung bei Joggern und Radfahrern. (Foto: Pixabay / StockSnap)
geschrieben von Marinela Potor

Verbreiten Radfahrer und Jogger verstärkt das Coronavirus? Eine aktuelle Studie scheint dies nahezulegen – und geht darum gerade viral. Doch stimmt das überhaupt? Wie immer bei Corona: Einfach Antworten gibt es (noch) nicht. 

Seit Wochen gilt: 1,5 Meter Sicherheitsabstand. Das haben wir jetzt alle gelernt. Doch reicht das für Radfahrer und Jogger bei Corona? Eine neue Studie kursiert durchs Netz und legt nahe: nein.

Angeblich streuen diese nämlich ihre Tröpfchen (vom Atmen, Husten, Niesen) weiter als beispielsweise Spaziergänger. Gefährden sie also andere Menschen stärker?

Die Reaktionen auf die neue Studie waren entsprechend schnell und heftig. Möglicherweise hast du beim Radfahren oder Joggen auch schon erste fiese Blicke bemerkt. Zu Recht? Wir schauen uns die Studie genauer an und fassen zusammen, was Experten aus aller Welt dazu sagen.

Radfahrer, Jogger und Corona: Darum geht es

Vor etwa einer Woche veröffentlichte ein belgisch-niederländisches Forschungsteam, angeführt von Bert Blocken, einem Ingenieur an der TU Eindhoven, die umstrittene Studie.

Darin geht es um die Frage, ob Radfahrer und Jogger Corona verstärkt verbreiten. Zunächst einmal stellen die Autoren fest, dass der Sicherheitsabstand von 1,5 Metern im Normalfall reicht.


Darum schützt dich der Sicherheitsabstand

Soweit wir wissen, verbreiten sich die Coronaviren über mikroskopisch kleine Tröpfchen, die wir aushusten, -niesen oder gar ausatmen.

Diese reisen durch die Luft und können von anderen entweder eingeatmet werden oder sie landen beispielsweise auf unseren Händen und wir stecken uns an, indem wir unser Gesicht anfassen.

Mit dem Sicherheitsabstand jedoch landen die Tröpfchen auf dem Boden, bevor sie eine andere Person erreichen. Genau darum schützt dich der Abstand vor Ansteckung.


Die Autoren stellen sich aber die Frage, ob das auch für Radfahrer und Jogger gilt, weil hier neue Faktoren wie Wind und Geschwindigkeit hinzukommen. Um das zu beantworten, haben die Forscher anhand von Computersimulationen verschiedene Szenarien untersucht.

  • Wie sieht es aus, wenn Sportler direkt hintereinander, nebeneinander oder versetzt laufen?
  • Was passiert, wenn sie den Abstand zueinander vergrößern?
  • Welchen Einfluss haben Faktoren wie Wind und Aerodynamik beim Verbreiten von Tröpfchen?

Nach diesen Berechnungen ist ihr Fazit: Am meisten verbreiten sich die Tröpfchen, wenn beispielsweise ein Jogger oder Radfahrer sich vorneweg bewegt und die zweite Person im Windschatten ist. Entsprechend „sicherer“ ist es, nebeneinander zu laufen und vor allem, den Abstand zu vergrößern.

Bert Blocken und sein Team gehen in der Studie so weit zu sagen, dass nach ihren Berechnungen bei schnellen Bewegungen der Sicherheitsabstand von 1,5 Metern in vielen Sportsituationen nicht reiche.

Bewegt sich jemand mit einem Tempo von vier Kilometern pro Stunde vorneweg, brauche die folgende Person einen Abstand von fünf Metern, damit keine Tröpfchen mehr ankommen. Ist jemand mit einem Tempo von 14,4 Kilometern pro Stunde unterwegs, müsste demnach der Abstand auf zehn Metern erhöht werden. Beim schnellen Radfahren empfehlen die Forscher sogar einen Abstand von 20 Metern.

Studie lässt mein „Blut kochen“

Die Reaktionen auf die Studie kamen schnell und heftig. Das lag nicht nur daran, dass Blocken zunächst ein Interview mit einer belgischen Zeitung dazu führte, was wiederum von weiteren Publikationen aufgegriffen wurde und so viel Aufmerksamkeit bekam. Auch Medium-Nutzer Jurgen Thoelen griff das Thema ausführlich auf. Spätestens jetzt verbreitete sich die Geschichte viral im Netz.

Einige Medien wie etwa The Daily Mail titelten gleich: „Erschreckende Simulation deckt Gefahren vom Joggen während Coronavirus-Pandemie auf“.

Andere, wie etwa Vice, wiederum gingen das Thema durchaus kritischer an und befragten mehrere Experten dazu. So sagte beispielsweise William Hanage, ein Epidemie-Experte an der US-Universität Harvard, dass die Studie wenig hilfreich sei und sein „Blut kochen“ lasse.

Damit steht er nicht alleine da.

Viele beklagen ohnehin, dass die Jogger-Studie nicht, wie sonst üblich, die eigenen Ergebnisse vor Veröffentlichung von anderen Wissenschaftlern per Peer Review bewerten ließ und auch nicht in einem wissenschaftlichen Magazin erschienen sei. Das ist normalerweise der Weg, damit eine Studie überhaupt akzeptiert wird.

Andererseits muss man auch sagen, dass es zu Corona momentan wenige Studien gibt, die diesen Standards gerecht werden. So begründete auch Blocken seine rasche Veröffentlichung. Er habe die Information einfach schnell an die Öffentlichkeit bringen wollen, unter anderem auch, weil sein Großvater an Covid-19 gestorben sei. Die Reaktionen seien aber schnell aus den Fugen geraten.

Wissenschaftler sind aber auch aus einem anderen Grund sauer auf Blocken. Sie erhalten nun reihenweise Anfragen von Journalisten. Anstatt, dass sie sich also um ihre eigenen Corona-Forschungen kümmern können, müssen sie nun Interviews geben, was viele entsprechend auch verweigern.

Doch wissenschaftlicher Streit beiseite: Was heißt das denn jetzt nun alles für Radfahrer, Jogger und Corona?

Was musst du beim Radfahren und Joggen beachten?

Wenn wir mal davon ausgehen, dass Blocken und sein Team präzise gearbeitet haben, bedeutet die Studie für Radfahrer und Jogger in Zeiten von Corona Folgendes: Wenn du dich im schnelleren Tempo als andere bewegst, streust du deine Tröpfchen beim Husten, Atmen oder Niesen weiter und breiter als Menschen, die langsamer unterwegs sind.

Nur – und das ist das große Problem – wissen wir leider nicht, ob das überhaupt relevant ist, wenn es um die Ansteckungsgefahr. Das haben Blocken und sein Team ehrlicherweise auch nie behauptet. Sie haben lediglich den Verbreitungsradius von Tröpfchen untersucht.

Das ist ein extrem wichtiger Unterschied, den man vielleicht auch öffentlich deutlicher hätte machen sollen. Denn: Nur weil Tröpfchen fliegen, heißt das nicht, dass man sich anstecken kann.

Das hängt nämlich auch von vielen weiteren Faktoren ab.

Da wäre zum einen die „Virusladung“ der Tröpfchen (also wie viele Viren insgesamt mitfliegen) oder die Art der Oberfläche, auf der sie landen und wie hoch die Dosis der Viren überhaupt sein muss, damit wir uns anstecken.

Auch scheint es eine Rolle zu spielen, ob man sich drinnen (höhere Ansteckungsgefahr) oder an der frischen Luft (geringere Gefahr) befindet.

Auf all das haben Wissenschaftler bislang noch keine klaren Antworten.

Was heißt das nun für dich als Radfahrer oder Jogger und Corona? Sagen wir es mal so: Mache weiter Sport, denn das stärkt dein Immunsystem, aber achte einfach dabei auf einen etwas größeren Abstand zu anderen.

Zum Weiterlesen

Über den Autor

Marinela Potor

Marinela Potor ist Journalistin mit einer Leidenschaft für alles, was mobil ist. Sie selbst pendelt regelmäßig vorwiegend zwischen Europa, Südamerika und den USA hin und her und berichtet über Mobilitäts- und Technologietrends aus der ganzen Welt.

1 Kommentar

  • Dann sollte Cabrio fahren und Auto fahren mit offenen Fenstern auch dringend abgestellt werden oder ein Abstand von 5km zwischen den Autos eingehalten werden. Wobei… was ist mit den Spaziergängern?
    Dann lieber alles verbieten was sich schnell bewegt, wie fast alles in der aktuellen Zeit…
    Was ist mit Kindern? Oder darf ich dann auch die Eltern verklagen, wenn sich ihre Kinder unruhig verhalten beim spazieren gehen, weil sie mal ihre Energie los werden müssen?

    Mal ganz im Ernst??? Wie weit gehen wir den noch???