Recyclehero ist ein Start-up aus Hamburg mit einem wirklich nachhaltigen und sozialen Konzept: Finanziell und sozial Benachteiligte sammeln wiederverwertbare Stoffe bei dir zu Hause ein – mit dem E-Lastenrad. Christoph Hausel hat sich das Unternehmen einmal genauer angeschaut – und zeigt sich ungewohnt begeistert.
Wer kennt sie nicht, die Schmuddel-Ecke in Küche, Flur oder Abstellkammer, in der sich Altglas, Pfandflaschen oder alte Prospekte und Zeitungen stapeln? Die Entsorgung ist unhandlich, frisst Zeit und die nächsten Container sind meist viel zu weit entfernt.
Ein Szenario, das auch Nadine Herbrich und Allessandro Cocco aus Hamburg mehr als bekannt vorkam. Das Paar beschloss deshalb, Deutschlands ersten nachhaltigen Abholservice für recyclebare Wertstoffe zu gründen.
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Recycling-Helden kommen per E-Bike
Das Besondere dabei: Altglas, Pfandflaschen und Altpapier werden von sozial und finanziell Benachteiligten klimafreundlich mit dem Elektro-Lastenrad abgeholt und entsorgt. Sie werden vom Start-up darum liebevoll Heroes genannt.
Aktuell können bereits Privathaushalte und Betriebe aller Art in den Hamburger Stadtteilen Eimsbüttel, Harvestehude, Schanze, St. Pauli, Rotherbaum und der Innenstadt auf den Service zugreifen. Vor allem Restaurants, Bars und Cafés zählen zu den begeisterten Kunden.
Die Gründer möchten mit Recyclehero jedoch nicht nur die Recycling-Quote in Hamburg erhöhen. Sie leisten auch Pionierarbeit im Bereich Elektromobilität in der Stadt.
Zuletzt vereinfachen sie Obdachlosen, Flüchtlingen und Langzeitarbeitslosen durch eine geregelte Beschäftigung mit angemessener Entlohnung die Rückkehr in ein strukturiertes Arbeitsleben.
Null Emissionen und 100 Prozent Recycling
Das Prinzip hinter Recyclehero ist einfach. Das Unternehmen arbeitet mit grünen Kisten, die an die Kunden ausgegeben werden. Wie bei der klassischen Müllabfuhr werden diese am Abholtag vor die Tür gestellt und durch eine leere Kiste ersetzt.
Die Wertstoffe werden entweder regelmäßig im Abonnement abgeholt – die Preise starten hier bei 7,90 Euro bis 20 Kilogramm – oder auf Abruf innerhalb von 48 Stunden. Hier fällt zusätzlich eine Gebühr von 3,90 Euro an.
Das Motto lautet dabei stets „Null Emissionen und 100 Prozent Recycling“, denn die Heroes kümmern sich nicht nur um den CO2-freien Abtransport der Kisten auf den Lasten-E-Bikes, sondern auch um die ordnungsgemäße Entsorgung der Wertstoffe.
Die Heroes selbst sind auf Minijob-Basis angestellt und erhalten zehn Euro pro Stunde. Die Pfandflaschen gibt es als Trinkgeld obendrauf.
Recyclehero gibt jedem, der motiviert ist und gerne arbeiten möchte, eine Chance. Vor allem diejenigen, die einen schweren Zugang zum Arbeitsmarkt haben, bekommen hier einen Job, der Spaß macht und sie persönlich weiterbringt.
Heroes müssen dafür weder perfekt Deutsch sprechen noch einen Führerschein haben. Fahrrad fahren sowie Zuverlässigkeit und Pünktlichkeit zählen stattdessen.
Mit Recycling gegen Vorurteile
Die Gründer möchten dadurch mit ihrem Unternehmen auch dazu beitragen, die Kluft innerhalb der Gesellschaft zu minimieren und Vorurteile abzubauen. Recyclehero verschafft Obdachlosen, Flüchtlingen und Langzeitarbeitslosen deshalb nicht nur einen Job. Das Unternehmen bringt sie auch im nächsten Schritt mit den Kunden zusammen.
So entsteht zum einen durch den Abholservice Raum für die Begegnung. Zum anderen können sich alle Beteiligten auch in lockerer Atmosphäre kennenlernen. Dafür veranstalten die Gründer regelmäßig Essen, Feste oder Workshops.
Über den Kontakt zu interessierten und engagierten Menschen können sich so für die Heroes auch neue Arbeitsplatzchancen ergeben.
Das Start-up arbeitet zusätzlich mit Trägern, Organisationen und Flüchtlingsheimen zusammen, die sich auf die Integration von sozial und finanziell Benachteiligten spezialisiert haben. Diese verfügen über das Netzwerk, das Recyclehero mit denjenigen zusammenbringen kann, die auf diese Chance gewartet haben.
Preisgekrönte Idee
Mit der Idee gewann das Paar bereits 2017 ein Stipendium und ein Coaching. Nach einer kleinen Auszeit und der Planungsphase erfolgte die Gründung von Recyclehero im August 2018.
Mittlerweile haben Nadine Herbrich und Alessandro Cocco ihre Bürojobs im Immobiliengewerbe und bei einer Hamburger Privatbank an den Nagel gehängt und kümmern sich Vollzeit um ihr junges Unternehmen.
Um weitere Teile von Hamburg abzudecken und zusätzliche Lasten-E-Bikes – jedes hat einen Wert von 6.000 Euro – zu finanzieren, starteten die Gründer dieses Jahr eine Crowdfunding-Kampagne auf Startnext.
Dank 532 Unterstützern konnte Recyclehero 17.070 Euro sammeln. Durch die Top-10-Platzierung im Crowdfunding-Contest des Deutschen Integrationspreises erhielt das junge Unternehmen von der Hertie-Stiftung zusätzlich ein Fördergeld in Höhe von 7.500 Euro.
Teure E-Bikes, kleiner Radius
Bis jetzt ist Recyclehero allerdings leider nur in wenigen Hamburger Stadtteilen aktiv. Das liegt vor allem daran, dass die Anschaffung der Lasten-E-Bikes sehr teuer ist. Das begrenzt natürlich auch Zahl der Menschen, die als Heroes eingestellt werden können.
Von daher bleibt dem jungen Unternehmen zu wünschen, dass es bald auf große Sponsoren zurückgreifen kann, um sich zu vergrößern und weiteren potenziellen Heroes eine Chance zu bieten. Dann klappt es vielleicht nicht nur mit ganz Hamburg, sondern auch mit der Ausweitung auf andere Städte.
Sehr viel mehr als nur umweltfreundlich
Recyclehero ist ein Unternehmen, das mich wirklich beeindruckt hat. Das ist vor allem der Fall, weil die Mission dahinter so viel mehr beinhaltet als den umweltfreundlichen und klimaneutralen Abtransport von Altpapier und Altglas.
Denn das erleichtert eigentlich nur unseren – sind wir einmal ehrlich – ohnehin schon sehr bequemen Alltag.
Wir leben in einer Zeit, in der wir hauptsächlich durch die Medien von Flüchtlings-Schicksalen oder dem Leben auf der Straße erfahren. Gerade jetzt ist es daher spannend, dass es Recyclehero ermöglicht, die Menschen hinter der Berichterstattung kennen zu lernen. Nur durch den Austausch lassen sich Vorurteile abbauen.
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