eloton verkauft smarte Trainingsräder und Laufbänder, mit denen ihr dank des integrierten Displays an virtuellen Fitnesskursen teilnehmen könnt. Das Unternehmen ging vergangenen Monat an die Börse – für 29 US-Dollar pro Aktie – und erhielt von Investoren rund 994 Millionen US-Dollar. Börsenanalysten sind derzeit sehr optimistisch, was den Börsengang von Peloton angeht – sogar optimistischer als bei Uber. Nun soll Deutschland der erste nicht englischsprachige Markt werden, den Peloton erobern möchte.
Ich persönlich habe schon einiges von Peloton gehört, hauptsächlich in Tech-News und TV-Werbespots. Dort wird Peloton häufig als Kult bezeichnet – und weil ich seit Neuestem großer Fan von Indoor-Cycling-Kursen bin, wurde ich sofort neugierig. Die Peloton-Fans in den sozialen Medien sind überzeugt: Peloton ist mehr als nur Trainingsausrüstung, es ist ein Lifestyle.
Die Sache mit dem Kult werden viele wohl als negativ betrachten. Schließlich ist nichts nerviger als Sportbegeisterte, die ständig über Fitness reden, wenn man selbst nicht zu dieser Gruppe gehört. Aber da ich mittlerweile fast vierzig Jahre alt bin, muss ich ernsthaft etwas für meine Gesundheit tun – und wäre es da nicht toll, wenn auch ich zu diesen fitnessbegeisterten Menschen gehören könnte?
Als ich anlässlich der Markteinführung des neuen Microsoft Surface nach New York reiste, stellte ich fest, dass mein Hotel in der Nähe des Peloton Studios lag. Und glücklicherweise hatte mein Hotel auch ein eigenes Fitnessstudio mit Peloton Bike – ich konnte also an einem virtuellen sowie einem echten Indoor-Cycling-Kurs teilnehmen.
Hier sind meine Eindrücke zu Peloton, angefangen mit den beiden Indoor-Cycling-Kursen.
Der Kurs im Peloton Studio in New York
Wer schon einmal eine High-End-Spinclass besucht hat, weiß bereits, wie es im Peloton Studio zugeht – man bekommt ein Paar Schuhe, in den Umkleidekabinen stehen einem jede Menge Pflegeprodukte zur Verfügung und man bekommt Hilfe beim Einstellen des Trainingsrads. Das Ganze schreit förmlich nach: „Ich habe 35 US-Dollar für diesen Kurs bezahlt und es hat sich gelohnt!“
Der Raum ist wie bei den meisten Indoor-Cycling-Kursen ziemlich kalt – die Kurse finden außerdem im Dunkeln statt und werden von ziemlich lauter Musik begleitet. Bei Peloton sind die Trainingsräder um eine Bühne herum verteilt. Während wir uns bereit machten, interagierte Jenn, die Trainerin, bereits mit den Online-Teilnehmern. Was mir zunächst nicht bewusst war: Der Kurs wurde live an Hunderte vielleicht sogar Tausende Nutzer übertragen.
„Road Cruiser, das ist dein 400. Kurs. Herzlichen Glückwunsch und danke, dass du Teil der Peloton-Community bist. „
„RidnMama, alles Gute zu deinem 100. Kurs! Pelotooooon!“
Das Wort „Peloton“ wurde während der Session ständig wiederholt. Das Ganze fühlte sich tatsächlich wie ein Kult an. Immer wieder rief Jenn den Markennamen – als ich schließlich anfing mitzuzählen, hörte ich das Wort „Peloton“ noch elf weitere Male.
Was mir ebenfalls merkwürdig erschien: Jenn schenkte mir und den anderen Teilnehmern so gut wie keine Aufmerksamkeit, sondern richtete ihren Blick stets auf die Kameras. Und als sich eine der Kameras langsam von links nach rechts bewegte, folgte sie ihr mit ihrem Blick. Ich hatte das Gefühl, als würde ich nicht wirklich hierhin gehören.
Da ich völlig unvorbereitet an dem Kurs teilgenommen hatte, stellte ich der Frau an der Rezeption im Anschluss einige Fragen. Scheinbar gibt es weltweit nur zwei Peloton Studios – eines in New York und eines in London. Plötzlich schätzte ich mich glücklich, an einem Studio-Kurs teilgenommen zu haben.
Die meisten Leute werden ein Peloton Studio nämlich nie von innen sehen.
Peloton konzentriert sich nämlich hauptsächlich auf Online-Kurse.
Die Studios dienen nur dazu, die Trainer live auf die Bildschirme der Trainingsräder zu übertragen. In London beginnen die Kurse früh am Morgen und in New York laufen die Kurse bis spät in die Nacht, um Europa und die USA rund um die Uhr mit Livestreams zu versorgen.
Die „echten“ Kurse sind ein reines Nebenprodukt der Content-Erstellung für die Online-Community.
Der virtuelle Peloton-Kurs
Das Kimpton Hotel in New York verfügt über zwei Peloton Bikes. Deshalb entschied ich mich am nächsten Tag dazu, an einem der Online-Kurse teilzunehmen. Als ich im Fitnessstudio des Hotels ankam, liefen leider noch keine Live-Sessions. Stattdessen wählte ich eine der On-Demand-Kurse aus – die Auswahl ist groß und ihr könnt Kurstyp, Trainer, Musikgenre und Stil auswählen. Ich entschied mich für Hip-Hop-Musik aus den 90ern.
Als der Kurs begann, sah mir die Trainerin auf dem 21,5-Zoll-Display direkt in die Augen. Was ich während der Live-Session noch gruselig fand, gefiel mir hier plötzlich sehr gut.
Während der Live-Session war es mir irgendwie unangenehm, dass die Trainerin ständig nur auf die Kameras schaute. Das virtuelle Workout gefällt mir deshalb deutlich besser. Auch die Connection zwischen mir und der Trainerin war spürbar besser als bei den Indoor-Cycling-Kursen bei Soul Cycle oder Ride.BLN.
Insgesamt lief das Training vor dem Bildschirm deutlich besser als in echt ab.
Zugegeben, bisher habe ich nur an einem einzigen Peloton-Kurs teilgenommen, doch ich bin schon jetzt überzeugt, dass es sich hierbei um ein High-End-Programm handelt.
Peloton vs. High-End-Indoor-Cycling
In Berlin besuche ich regelmäßig die Kurse von Ride.BLN – die Umkleideräume sind fantastisch und alle Mitarbeiter sind sehr nett und zuvorkommend. Die Atmosphäre ähnelt der von Peloton. Das ist aber schon die einzige Gemeinsamkeit, denn die beiden Kurse könnten sich kaum mehr voneinander unterscheiden.
Meine Lieblings-Trainerin bei Ride.BLN ist Malin – mir gefällt, wie viel Energie sie hat, und sie motiviert mich dazu, einfach alles zu geben. Sie tanzt gerne durchs Studio, korrigiert dabei die Körperhaltung der Teilnehmer und sorgt dafür, dass jeder in den Genuss eines optimalen Workouts kommt – das ist etwas, das sich bei virtuellen Kursen nur schwer umsetzen lässt. Wenn ich bei einem besonders schwierigen Abschnitt einen Blick auf sie werfe und sie ihre Augen geschlossen hat, weiß ich, dass der Abschnitt tatsächlich etwas anstrengender ist – auch das finde ich sehr motivierend. Bei Peloton müsste sie ihren Trainingsstil wohl vollkommen umkrempeln. Wahrscheinlich würden ihre Kurse einiges von ihrem Charme einbüßen.
Ich bin wirklich neugierig, wie sie sich an den Peloton-Stil anpassen würde. Könnte sie die Teilnehmer auf dieselbe Art und Weise motivieren und gleichzeitig in die Kamera starren? Doch die Performance der Peloton-Trainerin und meine erschöpften Beine sagen mir, dass es Peloton tatsächlich geschafft hat, ein High-End-Fitnesserlebnis zu erschaffen.
Klar, ich könnte auch bei mir zu Hause den Raum verdunkeln und die passende Musik abspielen, während ich auf meinem Peloton Bike sitze. Aber das wäre wohl nicht ganz dasselbe. Die Motivation kommt letztendlich von Innen – die Indoor-Cycling-Kurse dienen schließlich nur dazu, Fitnessziele zu erreichen. Wenn man bedenkt, wie lange es dauert, ins Fitnessstudio zu gehen, ist es mit Peloton tatsächlich einfacher, an Indoor-Cycling-Kursen teilzunehmen.
Mehr als nur Indoor-Cycling
Peloton bietet auch ein Laufband an, mit dem ihr eine Mischung aus Ausdauer- und Krafttraining betreiben könnt. Und für Leute, die gerne im Freien laufen, bietet Peloton passende Playlists sowie GPS-Unterstützung für Geschwindigkeit und Höhenmessung an.
Die Peloton-App bietet eine große Auswahl von Kursen, dir ihr euch per Livestream ansehen könnt. Zum Programm gehören auch Yoga, Dehnübungen und Krafttraining. Wer weder das Trainingsrad noch das Laufband besitzt, kann trotzdem den Peloton-Lifestyle genießen und als digitales Mitglied für 19,49 US-Dollar im Monat an den Fitnessübungen teilnehmen.
Das Geschäftskonzept von Peloton
Peloton Interactive Inc. verkauft Sportgeräte und Fitnesskurse.
Als das Unternehmen jedoch nach Investoren suchte, lautete die Beschreibung noch ein wenig anders. Zum Repertoire gehörten stattdessen Technologie, Medien, Software, Produktdesign, Einzelhandel, Bekleidung sowie „eine soziale Plattform, mit der die Mitglieder unserer Community sich gegenseitig unterstützen können.“
John Foley, CEO von Peloton, äußerte sich außerdem folgendermaßen zu seiner Geschäftsidee:
„Peloton verkauft Glück.“
In Wirklichkeit verkauft Peloton aber nur Sportgeräte mit Touchscreens, über die sich Fitnesskurse streamen lassen. Die Produkte sind dabei alles andere als günstig – die Trainingsausrüstung kostet mehrere Tausend Dollar und das Abonnement für die Kurse kostet stolze 40 US-Dollar im Monat. Für das Unternehmen bedeutet das eine Gewinnmarge von rund 40 Prozent.
Das Trainingsrad kostet 2.200 US-Dollar, das Laufband 4.295 US-Dollar. Bisher hat das Unternehmen bereits 577.000 Stück verkauft, die meisten davon in den USA. Die Zahl der Mitglieder liegt momentan bei 1,4 Millionen.
Das ist eine ganze Menge! Und wenn ihr jemanden trefft, der ein Peloton-Produkt besitzt, werdet ihr mit Sicherheit feststellen, wie überzeugt die meisten Nutzer von den Produkten sind.
Peloton kommt nach Deutschland
Das Trainingsrad wird in Deutschland 2.290 Euro kosten, die Kosten für das monatliche Abonnement liegen bei 39 Euro.
„Deutschland ist Europas größter Fitnessmarkt. Hier besuchen über 10 Millionen Menschen regelmäßig ein Fitnessstudio – für Peloton ist es der nächste Schritt, um unsere Marke auf den globalen Markt zu bringen.“, sagte Kevin Cornis, Manging Director International bei Peloton.
Ein eigenes Studio wird es in Deutschland erst einmal nicht geben. Stattdessen können deutsche Nutzer die Kurse aus London streamen – mit Untertiteln.
Wenn ihr benachrichtigt werden wollt, sobald auch ihr euer Fitnessglück kaufen könnt, habt ihr die Möglichkeit, euch auf onepeloton.de/launch zu registrieren.
Wisst ihr, was großartig wäre? Wenn sich unsere Geeks dem Peloton-Hype anschließen würden – denn nichts würde mir mehr Freude bereiten als Casi zuzusehen, wie er auf einem Trainingsrad sitzt und aus voller Kehle den Bildschirm anschreit.